Microsoft entdeckt den Kunden – erste Anwendergruppe gegründet

Bisher rümpfte Redmond über solche Organisationen die Nase. Jetzt haben neun deutsche IT-Unternehmen eine Anwendervereinigung gegründet. Der Verein ist weltweit einmalig.

IBM hat eine, HP auch und SAP sowieso. Anwendervereinigungen – und mögliche Auseinandersetzungen mit ihnen – gehören für die meisten großes IT-Unternehmen seit Jahren zum Firmenbild. Allein Branchenriese Microsoft schien es sich leisten zu können, sich auf diesem Ohr taub zu stellen. Doch auch auf dem Software-Olymp pfeift der Wind der Konkurrenz inzwischen schärfer und so gibt es in Deutschland seit kurzem eine Microsoft-Anwendervereinigung. Es ist die erste weltweit.
“Wir wollen uns nicht bekämpfen, aber wir sind kein Fanclub und werden Microsoft das Leben auch mal schwer machen”, sagte Wolfgang Berchem im Interview mit silicon.de. Er ist IT-Manager für Asien bei HeidelbergCement und Vorstandssprecher des neu gegründeten Microsoft Business User Forum (MBUF). “Wer sich durch Investitionen an einen derart einflussflussreichen Hersteller bindet, will und muss wissen, womit er zu rechnen hat”, heißt es auf der Homepage der Organisation, die derzeit aus neun Gründungmitgliedern besteht, darunter auch Gardena und die TÜV Nord Gruppe.

Jahrelang, so Berchem, habe man versucht, Redmond von der Notwendigkeit einer solchen Vereinigung zu überzeugen, allerdings ohne Erfolg. “Bisher hat Microsoft keine Notwendigkeit für eine solche Organisation gesehen.” Gegen das Einverständnis von Microsoft zu handeln hätte wenig Sinn gehabt, schließlich war das Ziel ja eine kooperative Zusammenarbeit. Im schlimmsten Fall hätte man sich möglicherweise sogar vor Gericht wieder gesehen – mit nur wenig Aussicht auf Erfolg.

Doch solche Überlegungen gehören der Vergangenheit an, denn Redmond unterstützt das User-Forum. Der Softwareriese reagiert damit auf die wachsende Bedeutung der Unternehmenskunden auf das Konzerngeschäft. “Das ist eine interessante Möglichkeit, mit dem Segment Business-Kunden enger in Kontakt zu treten”, so Wolfgang Schneider gegenüber silicon.de. Als CPE-Consultant ist er bei Microsoft für den Bereich Consumer-Partner-Experience zuständig. “Es ist ein zusätzlicher Kommunikationskanal zu Produkten, Erfahrungen und Marktpositionen.”

Dieser Standpunkt ist neu, denn bisher stand Microsoft Anwendergruppen eher ablehnend gegenüber. Der Grund liegt auf der Hand: zu Zeiten des Internet-Hypes war es kein Problem, die Kunden von immer neuen und schnelleren Produkt-Releases zu überzeugen, doch mit zunehmend knappen Etats wurde das Geschäft zäh. “Alle Gründungsmitglieder haben schon seit langem kritisiert, dass Microsoft seine Produkte schlecht verkauft und oft an den Anwendern vorbei programmiert”, sagt MBUF-Mitglied Berchem. 

Tatsächlich bezeichnet Schneider das Zusammenspiel zwischen Kundenbedürfnissen und strategischer Entwicklung als einen Aspekt, den Microsoft verbessern möchte. Berchem sagt, er habe den Eindruck, dass man in Redmond froh über die Entwicklung ist. Tatsächlich ist von dort zu hören, dass die Zeit für die Gründung der Anwendervereinigung reif war.

Es ist auch kein Zufall, dass Microsoft ausgerechnet hierzulande dem Drängen von Business-Usern als erstes nachgegeben hat. “Der deutsche Markt ist für die Einführung der ersten Anwendergruppe besonders sinnvoll”, argumentiert Schneider. Im Gegensatz zu den USA oder Frankreich werde die Rolle von Microsoft wesentlich kritischer gesehen, zum Beispiel in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit. In anderen Ländern gibt es nach seinen Worten keine konkreten Pläne für die Gründung einer ähnlichen Organisation, aber “es wird dort interessiert beobachtet”.

Microsoft wiederum hat im Vorfeld recherchiert, wie andere Anwendergruppen arbeiten und wie die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Firmen funktioniert. Trotzdem hat man nach Schneiders Worten keine festgelegten Vorstellungen, wie man mit dem MBUF umgeht. “Wir leisten Pionierarbeit in Microsoft hinein”, sagt Berchem und ist vom Erfolg der Idee überzeugt. Bis zum Jahresende soll die Zahl der Mitglieder auf rund 250 steigen, das sei schon aus Kostengründen eine Notwendigkeit. Und außerdem, so Berchem weiter: “Je mehr Mitglieder wir haben, desto schwerer wird es für Microsoft, uns zu ignorieren.”