Microsoft-Patente bedrohen OpenOffice-Nutzer

Die Tücke liegt im Kleingedruckten: Der Handschlag zwischen Sun und Microsoft lässt das OpenOffice-Projekt außen vor. Ist das der Hebel, mit dessen Hilfe Redmond die Open-Source-Konkurrenz aus dem Rennen werfen wird?

Seit im April der Nichtangriffspakt zwischen Microsoft und Sun Microsystems geschlossen wurde, sorgte der Handschlag immer wieder für Schlagzeilen. Vorläufiger Höhepunkt ist jetzt ein Dokument, dass Sun bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht hat. Es besagt explizit, dass das OpenOffice-Paket nicht unter die Vereinbarung fällt, die weitere Patent- und Schadensersatzklagen zwischen den Ex-Erzfeinden verhindern soll. Die Open-Source-Community runzelt besorgt die Stirn. Es geht die Angst um, dass Microsoft mit Hilfe der Klausel zum großen Schlag ausholt.
“Microsoft wird durch die Vereinbarung nicht automatisch daran gehindert, von OpenOffice-Nutzern oder -Distributoren für jede Kopie, die nach dem vereinbarten Stichtag installiert wurde, Schadensersatz zu verlangen”, heißt es in dem umstrittenen Schreiben an die Börseaufsicht. Der angesprochene Stichtag ist der 1. April. Suns eigene OpenOffice-Distribution StarOffice ist von dieser Sonderregelung nicht betroffen.

Sun hatte an dem OpenOffice-Code – der später die Grundlage für StarOffice bildete – mitgearbeitet, und blieb auch danach einer der wichtigsten Förderer der Projekts. StarOffice basiert auf OpenOffice, bietet darüber hinaus aber einige zusätzliche Features, beispielweise bestimmte Schriftarten, Dateifilter oder Sortier-Funktionen. Doch die jetzige Sonderregelung scheint dem harmonischen Nebeneinander der beiden Software-Versionen ein Ende zu setzen.

Teile der Open-Source-Gemeinschaft sehen in dem Vorstoß ein Zeichen dafür, dass sich Sun von dem OpenOffice-Projekt distanziert. “Die Zustimmung zu einer solchen Klausel macht nur Sinn, wenn Sun beschlossen hat, bei seiner weiteren Strategie, OpenOffice nicht mehr besonders tatkräftig zu fördern”, sagte Kartellrechtsexperte Richard Donovan gegenüber US-Medien. Sun bestreitet das. Die Unterstützung für OpenOffice sei so stark wie immer. “Open-Source-Software wird naturgemäß ohne Garantie und Haftungsvereinbarung angeboten”, sagte Sun-Sprecher Russ Castronovo. “OpenOffice ist da keine Ausnahme.”

Doch die Angst, dass nun Microsoft jederzeit wegen vermeintlicher Patentrechtsverletzungen rechtlich gegen OpenOffice-User vorgehen könnte, lässt sich nicht mehr wegargumentieren. “Von nun an muss man bei dem Einsatz von OpenOffice bedenken, dass Microsoft das Recht hat, dagegen vorzugehen”, so Donovan. Auch die Herausgeberin der Website Groklaw.net, Pamela Jones, ist skeptisch. Die Seite dokumentiert und sammelt alle Klagen bezüglich Linux und Open-Source-Software.

“Die Frage ist, welche Motive Sun hatte, einem solchen Deal zuzustimmen, aber in erster Linie macht dieser mehr als deutlich, was Microsoft als wichtig genug einschätzt, um es von dem vereinbarten Waffenstillstand auszuschließen”, so Jones.

Branchenbeobachter und Analysten warnen dagegen vor unnötiger Hysterie. “Die Sprache in dem Vertrag, in dem sich Microsoft das Recht vorbehält, rechtlich gegen OpenOffice-Nutzer vorzugehen, ist alles andere als ungewöhnlich”, sagte Yankee-Group-Analystin Laura DiDio. “Ich glaube, dass sich Microsoft nach allen Seiten absichert und sämtliche Türen für mögliche Entschädigungszahlen an die Firma offen lässt.” Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass Redmond derzeit eine Strategie oder ein Szenario entwerfe, um die Open-Source-Bewegung durch Rechtsstreitigkeiten zu vernichten. Sollte sich OpenOffice allerdings in den nächsten drei bis fünf Jahren zu einer ernsthaften Bedrohung für Microsofts Office entwickeln, werde Redmond sein Revier mit allen Mitteln verteidigen, so DiDio.

Auch die Mitglieder von OpenOffice.org selbst bleiben gelassen. “Ich denke nicht, dass das den Umfang der Mittel ändern wird, mit denen Sun die Gemeinschaft so großzügig unterstützt”, sagte der Sprecher des Projekts Ryan Singer. “Genauso wenig glaube ich, dass es etwas an der engen Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und vielen Sun-Mitarbeitern ändern wird. Am Ende steht OpenOffice.org patentrechtlich gesehen nicht besser oder schlechter da wie jedes andere Open-Source-Projekt.”

Nach den jüngsten Entwicklungen könnte die OpenOffice-Tagung spannend werden, die ab dem kommenden Freitag in Berlin stattfinden wird. Microsoft hat sich dort mit einem eigenen Stand angemeldet.