Engländer starten mit WiMax – andere reden nur davon

Bei der Zukunft von WiMax polarisieren sich die Meinungen mehr und mehr. Derweil funkt es in der Grafschaft Kent schon bald.

“Wie bekommt man diese Technologie in einem Unternehmen unter, das bereits verkabelt ist? Sie haben Ethernet und WiFi. Werden die Unternehmen diese neue Technologie kaufen, weil es so schön ist, sie zu haben?”, wollte Dale Kutnick von der Meta Group auf der WiMax-Messe ‘Next Generation Networks’ in Boston wissen. Er spricht über die Zukunftsaussichten den neuen kabellosen Standards und erkennt viele Möglichkeiten und Chancen, aber auch viele Hindernisse, die einer großflächigen Verbreitung des Standards im Weg zu stehen scheinen.
Über die Zukunft des Standards 802.16 (Worldwide Interoperability for Microwave Access, WiMax) werden wohl weniger die technischen Möglichkeiten entscheiden als die Wirtschaftlichkeit der Netze. Und da gilt es gegen lange Etabliertes anzutreten: “Glauben sie nicht, dass sich die Telekommunikationsanbieter von WiMax das Geschäft verwässern lassen”, fährt Kutnick fort.

Welche Rolle wird WiMax in der drahtlos vernetzten Welt der Zukunft spielen? Die Experten sind sich uneinig und die Grenze zwischen den Lagern verläuft nicht nur zwischen einzelnen Branchen, sondern auch mitten durch die Reihen der Hersteller. So will offenbar Cisco nicht bei dieser Technologie einsteigen. Und das aus Gründen, wie den oben genannten: “Warum sollte irgendjemand parallel zwei kabellose Netze installieren?”, fragt Charles Giancarlo, CTO von Cisco Systems.

Für ihn biete der WiMax-Standard vielleicht in einigen Hotspots wie beispielsweise an Flughäfen Vorteile. Und dennoch bleibe der Standard eine wacklige Sache, erklärte Giancarlo. Viele kabellose Standards hätten in den letzten Jahren das Licht der Welt erblickt, von denen sich keiner etablieren konnte. Sein Unternehmen setze vielmehr auf Ultrawideband (UWB). Das kabellose Protokoll solle dann im Büro als “eine Art Personal Area Network” Einzug halten. Oder zum Beispiel um Server, die in einem Rack zusammen montiert sind, miteinander zu verbinden.

Trotzt aller Unkenrufe gibt es durchaus Regionen und Einsatzgebiete, wo sich der Standard trotz hoher Anschaffungskosten lohnen könnte. Vor allem in dünn besiedelten ländlichen Gebieten ohne DSL-Anschluss macht die Technologie Sinn. Doch auch für Speditionen und in Lagern ließe sich sinnvoll Gebrauch von WiMax machen. Hier vor allem im Zusammenhang mit RFID (Radio Frequency Identification), etwa zur Überwachung oder Verwaltung. Auf dem Uni-Campus könnte man mit WiMax den engen Grenzen eines WiFi-Hotspots entgehen, erklärt Kutnick.

Während Cisco noch abwiegelt und andere Experten sich noch über die wirtschaftliche Zukunft des Standards weitreichende Gedanken machen, hat ein britisches Start-up bereits mit der Errichtung eines WiMax-Netzes begonnen. Das Netz basiert auf noch nicht standardisierten Geräten und erste Tests sollen im Januar gefahren werden. Telabria, vor einem Jahr gegründet, will dann schon im kommenden Sommer mit kommerziellen Diensten starten. Zunächst soll es im so genannten Garten Englands, in der Grafschaft Kent losgehen. Der Dienst richte sich sowohl an Unternehmen wie an Privatanwender. “Wir glauben, dass im Vereinigten Königreich der WiMax-Standard mit Breitbandkabel-Kunden und Unternehmen, wie zum Beispiel bei ADSL, Schritt halten kann”, erklärte Jim Baker, CEO von Telabria.

Daneben plant das Unternehmen auch Dienste für Hotspots anzubieten, die so die Möglichkeit einer kabellosen Breitbandverbindung haben. Um die Kosten für Unternehmen und mögliche Anwender gering zu halten, wollen die Briten zunächst Hybrid-Lösungen einsetzen. Die Geräte von SkyPilot Networks unterstützen sowohl WiMax wie auch WiFi. Über Preise hat sich Telabria noch nicht ausgelassen.

So zeichnet sich jetzt schon ab, was das Marktforschungsinstitut Heavy Reading in einer Studie zu WiMax herausgefunden hat. In Städten wird es das Protokoll schwer haben, doch auf dem flachen Land billigt man WiMax eine große Zukunft zu. Ein weiteres Problem der Technologie ist die Zeit: Intel will erst zur Mitte 2006 mit einem Steckkarten-Modem für 802.16 auf den Markt kommen.

Der Hersteller ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Player auf diesem Markt, und dennoch: “Intel kann den WiMax-Sektor nicht alleine stemmen, daher ist es wichtig, dass andere Hersteller mobile Produkte nicht vor 2007 oder 2008 erwarten”, hält Tim Kridel, Autor der Heavy Reading-Studie, fest. Bis also die ersten Geräte auf den Markt kommen, wird sich DSL oder andere kabelgestützten Breitbandanschlüsse weiter etabliert haben.

Und auch hier bleibt die Entwicklung nicht stehen. Im urbanen Umfeld wird WiMax gegen ein etabliertes Kabelnetz ankämpfen müssen. Den Netzbetreibern sagt die Studie nach, dass sie vermutlich nicht geneigt seien, für eine Basisstation zwischen 10.000 und 20.000 Dollar zu bezahlen, wenn für einen Bruchteil dieser Summen ein entsprechendes Netzwerkteil für Kabel zu haben ist. So werde auch der Preisdruck auf entsprechende Produkte und Dienste zunächst sehr hoch sein, urteilt die Studie. Für die USA haben bereits einige Netzanbieter erklärt, dass bei den hohen Preisen noch nicht an günstige Monatspreise um 30 Dollar herum zu denken sei.

Seit diesem Herbst jedoch senden in der nordschwedischen Kleinstadt Skelleftea zwei WiMax-Antennen über ein Gebiet von etwa 50 Kilometern Ausdehnung. Das Pilotprojekt in dem strukturschwachen Gebiet speist sich neben Fördergeldern der EU auch noch aus einem Intel-Sponsoring. Der Chiphersteller hat mit WiMax weit mehr vor als Cisco. Intel-Präsident und COO Paul Otellini erwartet nach eigenen Angaben mit WiMax auf DSL die gleiche Wirkung zu erzielen, wie es der Mobilfunk auf die Festnetztelefonie gehabt hat.