Mann, Frau und Computer

Also wenn das keine Abgründe sind, die sich da auftun! Und das aus so nichtigem Anlass. Eine Magisterarbeit! Das ist etwas, das der Herr Professor für gewöhnlich nicht selbst liest, sondern seinem Assistenten zum Korrigieren gibt.

Eine Magisterarbeit! Das ist etwas, das der Herr Professor für gewöhnlich nicht selbst liest, sondern seinem Assistenten zum Korrigieren gibt.
Diese Magisterarbeit aber hat ihre Verfasserin auf einen Schlag berühmt gemacht. 6640 Treffer listet Google.

Und alle haben sie darüber berichtet, Die Zeit, der Bayerische Rundfunk, die VDI-Nachrichten und Psychologie heute. Der britische The Register hat die Magistrantin sogar gleich promoviert – wahrscheinlich honoris causa: Von „Dr. Marleen Brinks“ schreibt er.

Das Thema hat es aber auch in sich: “Aggression gegen Computer – Magisterarbeit angefertigt im Hauptfach Soziale Verhaltenswissenschaften”.

Die reinen Untersuchungsergebnisse allerdings sind trivial: Zwei Drittel der User schreien ihren PC an. Und ein Drittel hat ihn schon mindestens einmal geschlagen.

Erstaunlich ist das eigentlich nicht. Und auch nicht sonderlich schlimm. Schließlich verfügen Rechner nicht über ein so empfindsames und verletzliches Organ wie das menschliche Ohr. Und hardwareseitig sind sie ja auch sehr robust.

Was allerdings jeder sofort vermutet: Die konfliktträchtige Mensch-Computer-Beziehung dient der Soziologin nur als Metapher für das ungleich stärker spannungsgeladene Verhältnis von Mann und Frau. Das ist es, was die Untersuchung so interessant macht.

Ein Blick in den Communities im Web bestätigt das. Auf blogger.de etwa berichtet im Zusammenhang mit Marleen Blinks Magisterarbeit eine Userin über ihre Beziehung zu ihrem PC – sie hat passender Weise den Nickname ‘kinky’ gewählt: “Meiner heißt ja ‘Master’, da geb’ ich mich stets devot *kicher*.”

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung räumt Marleen Brinks denn auch ein, um was es bei ihrer Arbeit eigentlich geht: “In der IT-Welt, die von Männern dominiert wird, ist der Computer eine ‘Sie’, die herumzickt”, antwortet sie dort auf die Frage nach der Ursache von Mensch-Computer-Konflikten.

In ihrer Magisterarbeit referiert sie die Freudsche Theorie von der Aggression als bloßer Begleiterscheinung des Libido, um gegen Ende – auf Seite 99 – dann allerdings wissenschaftlich korrekt festzustellen: “Die Hypothese, dass Männer dem PC gegenüber aggressiver sind als Frauen, hält sich nicht.”

Den Verfasser des Wochenrückblicks stimmt das doch sehr versöhnlich. Trotzdem: Parallelen zwischen der Beziehungen von einerseits Mann und Frau sowie andererseits jener von Mensch (kurz: er) und der Maschine Computer (kurz: sie) gibt es nicht.

Mit ihr, weiß er schließlich, wie er umgehen muss. Um ihre kleinen Unleidlichkeiten zu umgehen, hat er zahlreiche kleine Tricks und Workarounds parat.

Trotzdem gibt es natürlich manchmal einen Crash. Und das System stürzt ab. Dann muss er initiativ werden und einen Reboot machen.

Anschließend werden ihm dann alle sagen, dass er an dem Crash selbst schuld gewesen sei. Was auch gar nicht anders sein kann. Denn sie ist schließlich perfekt. Ist sie wirklich. Niemand weiß das besser als er. Deswegen hat er sie ja damals gewollt, und mittlerweile weiß er, sehr zu schätzen, was er an ihr hat.

Wobei es ihm auch meist ziemlich egal ist, wer an einem Crash schuld war. Hauptsache es läuft wieder. Er braucht sie schließlich.

Im Laufe der Zeit lernt er sie immer besser kennen, weiß sie zu handlen und fühlt sich als großer, kluger Administrator.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Überraschungen. Es bleibt die Faszination.

Es ist die Aura der “Undurchschaubarkeit”, die sie umgibt. So nennt es Marleen Brinks im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Da hat sie einen wirklich treffenden und sehr schönen Begriff gefunden.

Man wünscht sich halt nur, dass ihr Professor ihr die ständigen Exkursionen ins Zwischenmenschliche ausgeredet hätte.

Aber wahrscheinlich ist es ein weiser und literarisch sehr bewanderter Professor. Professoren haben ja viel Zeit für gute Bücher, weil ihre Assistenten ihnen die lästigen Magisterarbeiten abnehmen.

Deshalb ist ihm vielleicht der Stoßseufzer eingefallen, den Kurt Tucholsky in Schloss Gripsholm tut: “Wird man jemals etwas mit einer Frau vernünftig besprechen können? – Man wird nicht.”

Und deswegen hat er dann wohl auch nichts gesagt, der Professor.