VoIP: Kosteneinsparung ist nur einer von vielen Vorteilen

IP-Centrex, LAN-Telefonie oder umfassende Sprach-/Datenintegration auf einer Infrastruktur: Das Potenzial für Kosteneinsparungen ist groß.

Dass Konzerne hierzulande voranpreschen, kann auch Gerpott bestätigen. Besonders Großunternehmen mit einer hohen Anzahl von Nebenstellen würden sehr stark von VoIP profitieren. “Unternehmen benötigen nur noch eine Infrastruktur und eine Verkabelung und brauchen weniger Mietleitungen”, so Gerpott. Außerdem lasse sich Zusatznutzen generieren, indem bisher getrennte Anwendungen auf einer IP-Plattform integriert würden, zum Beispiel Callcenter, Customer Care, Auftragsmanagement etc.

Kunde wählt zwischen IP-Centrex oder IP-PBX

Das gleiche gelte für LAN-Telefonie (das Kürzel dafür: IP-PBX): Teure Nebenstellenanlagen und teures TK-Personal lasse sich einsparen durch die Umstellung auf Softphones auf dem PC. Dies kann sogar Sinn machen, wenn der Vertrag für eine TK-Anlage noch nicht ausgelaufen ist. “Gerade Unternehmen, in denen Mitarbeiter häufig die Arbeitsplätze wechseln, bekommen unterm Strich eine gute Kostenbilanz”, so Gerpott.

Hilfestellung beim vorzeitigen Beenden eines Vertrags mit dem Lieferanten der TK-Anlage bietet zum Beispiel Colt Telecom mit der Dienstleistung ‘IP Voice’ an. Hierzu hat sich der Carrier von Price Waterhouse Coopers ein Berechnungsmodell erstellen lassen, mit dem potenzielle Kunden die Betriebskosten ihrer gesamten ITK-Infrastruktur analysieren können. Umsonst ist dieses Modell zwar nicht zu haben, aber man lasse über die Bezahlung bei Auftragserteilung mit sich verhandeln.

Auch für den Test von IP Voice in einem Pilotprojekt verlangt Colt Telecom eine Vertragsvereinbarung. Zu umfangreich sind die Vorarbeiten, um IP-Centrex (die TK-Anlage des Kunden wird von Colt im eigenen Netz verwaltet) oder IP-PBX zum Laufen zu bringen. Eine Testdauer von zwei oder drei Monaten erfordere eine ebenso lange Vorlaufzeit. “Zuerst müssen wir prüfen, ob das LAN des Unternehmens genügend Bandbreite liefert und IP-fähig ist”, betont Stephan Wanke, Leiter Produktmarketing bei Colt Telecom. “Dann legen wir die Anzahl der Endgeräte fest, richten eine physikalische Verbindung ein, definieren die Leistungsmerkmale und schalten sie frei”, erklärt er die wesentlichen Schritte.

Wichtige Fragen vor Vertragsvereinbarung

Entscheidet sich ein Kunde für IP Voice, muss er mit dem Carrier noch den Vertrag und ein verbindliches Service-Level-Agreement vereinbaren. Dazu gehören die Laufzeit (drei Jahre), die Netzqualität, Verfügbarkeit (99,99 Prozent), Ausfallsicherheit, Bereitstellung der Service-Hotline, Austausch von Hardware, Bereithaltung von Ersatzteilen, etc.

Bei der Auswahl eines VoIP-Carriers sollten Unternehmen nach Ansicht von Gerpott folgende Fragen berücksichtigen: Kann der Carrier Ende-zu-Ende-Qualität für die Verbindung zwischen Standorten garantieren? Läuft der Verkehr komplett über dessen eigenes Netz oder sind andere Carrier dazwischen geschaltet? Wo sind die Schnittstellen ins offene Internet und wie sind diese abgesichert? Und schließlich: Ist eine Vertragsstrafe vereinbart, falls der Carrier die vereinbarte Quality-of-Service nicht einhalten kann?

Colt bietet IP Voice in zwei Varianten an: IP-PBX und IP-Centrex. Für letztere Variante kommen nach Angaben des Carriers viele Anfragen von Unternehmen mit großer Filialstruktur. Eine Reihe von Kunden nutze bereits diesen neuen Dienst, der Großteil davon in der Anfangs- oder Testphase. Leider könne man keine Namen nennen, heißt es von Colt, aber es sei auch eine Projektanfrage mit 10.000 Teilnehmern dabei.

Komplettpreis für SDSL-Anschluss mit Rufnummer

Bereits seit einem Jahr ist auch die Hamburger Broadnet Mediascape mit einem IP-Centrex-Angebot am Markt. Die virtuelle Telefonanlage im Netz kann der Kunde über ein Web-Portal konfigurieren. Nach Angaben des Infrastuktur-Carriers stehen nicht nur die Leistungsmerkmale herkömmlicher Telefonanlagen zur Verfügung, sondern auch Services wie Unified Messaging, Web-Conferencing oder die Integration mit Outlook.

Broadnet zielt mit ‘DataVoIP Complete’ vor allem auf kleine und mittelständische Unternehmen: Diese bekommen eine 2-MBit/s-SDSL-Internet-Standleitung mit Teilnehmeranschluss inklusive Flatrate, E-Mail-Service und IP-Anschluss sowie Rufnummer für knapp 108 Euro monatlich. Jeder weitere Arbeitsplatz kommt auf 22 Euro pro Monat. Die IP-Telefonate der Kunden transportiert der Carrier in seinem eigenen Netz; bei der IP-Telefontechnik kooperieren die Hamburger mit Cisco und Siemens.

Einmalig werden bei einer Vertragslaufzeit von entweder 12 oder 24 Monaten für die SDSL-Standleitung 172 beziehungsweise 129 Euro und für einen Teilnehmeranschluss jeweils 9 respektive 4 Euro fällig.

Anwaltskanzlei verabschiedet sich von TK-Anlage

Bei der Frage nach Kunden für IP-Centrex nennt Broadnet zum Beispiel die Hamburger Anwaltskanzlei Rittstieg. “Wir nutzen sehr häufig Konferenzschaltungen”, erklärt Jörn Wöbke, Partner in der Sozietät. “Während wir früher extern buchen mussten und in der Zahl der Teilnehmer eingeschränkt waren, können wir heute selbst eine große Zahl an Gesprächspartnern einladen oder spontan hinzuschalten.”

Mit dem Versprechen von 30 Prozent Kostenersparnis versucht QSC, Unternehmen für sein Angebot ‘Ipfonie’ zu bekommen. Je nach Unternehmensgröße unterscheidet der Carrier drei Varianten, allerdings nutzt der Kunde seine vorhandene TK-Infrastruktur weiter. Bei allen Varianten werden die Standorte mit einem Direktanschluss an das QSC-Netz angebunden. Eine IP-Centrex-Lösung werde man ab Herbst anbieten, heißt es auf Anfrage.

Andere Anbieter im Carrier-Umfeld, wie beispielsweise der Münchner Stadt-Carrier M-Net, nutzen für Telefonate zwischen den Niederlassungen zwar bereits selbst die IP-Telefonie, bieten es aber noch nicht ihren Kunden an. “Die Leistungsmerkmale für VoIP waren bisher noch nicht in der gewünschten Qualität verfügbar”, erklärt Ralf Straßberger, Leiter Vertrieb und Marketing bei M-Net. Anfang nächsten Jahres wolle man ein entsprechendes Angebot starten.