Auf der Suche nach der Killer-Applikation

Die 64-Bit-Architektur wird endlich für die breite Masse erschwinglich. Krücken und Notlösungen gehören der Vergangenheit an.

Beispiel Multimedia: Eine der ersten 3D-Applikationen für x64 stammt von der Firma NewTek. Deren Software namens ‘LightWave 3D’ wurde beispielsweise für den Film Aviator genutzt. Auf der WinHEC ließ Microsoft eine 64-Bit-Demo gegen eine 32-Bit-Version laufen, um den Unterschied zu zeigen. Bei der Herstellung eines Films müssen komplexe Szenen in Ebenen erstellt werden (Rendering): zuerst der Hintergrund, dann die Beleuchtung, dann die Figuren, etc. Fazit: Ein 32-Bit-Rechner habe bisher für die Erstellung einer Ebene für einen 12-Sekunden-Clip drei Tage oder länger gebraucht. Mit x64-Windows reduziere sich der Zeitaufwand um zwei Drittel auf eine Nachtsession.

Als zweites Beispiel hierfür wurde eine Szene aus dem Film Troya genannt mit rund tausend Schiffen im Meer. Mit 32-Bit habe die Erstellung drei Monate gedauert, mit 64-Bit nur sieben Tage.

2 Milliarden Datensätze auf Knopfdruck verarbeiten

Beispiel Business Intelligence (BI): Als einer der wenigen Anbieter von Business-Intelligence-Software hat das schwedische Unternehmen QlikTech eine 64-Bit-Version seiner BI-Applikation QlikView für Itanium entwickelt, die seit Mai auch für die x64-Plattformen verfügbar ist. “Unser Ansatz besteht darin, dass die Software alle Daten im Speicher in Echtzeit verarbeitet, statt OLAP-Würfel zu verwenden, wie es bei anderen BI-Lösungen üblich ist”, erklärt Anthony Deighton, Vice President Marketing.

Diese Verarbeitungsweise gefiel auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die aufgrund der Gesundheitsreform gefordert ist, wesentlich größere Datenmengen als früher zu verarbeiten und komplexe Analysen bereitzustellen. Da es sich hierbei um Datenmengen von 15 bis 20 Terabyte mit zwei Milliarden Datensätzen handelt, wurde ein HP Itanium-Rechner angeschafft. Das BI-Analyse-Tool extrahiert die Daten aus einer Oracle-10g-Datenbank.

Derzeit nutzen 25 Anwender der KBV das System für unterschiedliche BI-Anwendungen, beispielsweise Abfragen der Arzneimittel-Datenbank oder des geografischen Informationssystems über die Ärztedichte, etc. “Das entscheidende Kriterium war, dass die Lösung es ermöglicht, dieses große Datenvolumen schnell und einfach zu analysieren und zu bearbeiten”, so Eva Obermeyer, Leiterin der Stabstelle Abrechnung. Der Anwender könne sich bei der Datenanalyse von der obersten Datenebene in kurzer Zeit bis auf die Fallebene (z.B. Praxis) durchklicken.

Die Anschaffung von x64-Servern kommt für die IT-Abteilung der KBV durchaus in Frage. “Das ist abhängig von den Anforderungen des Gesetzgebers, die im Laufe dieses Jahres an uns herangetragen werden und die zusätzlichen Datenvolumina, die sich daraus ergeben”, so Eva Obermeyer. Für weniger große Ansprüche seien x64-Intel- oder -AMD-Rechner eine gute Alternative.

Business Intelligence als Killer-Applikation

Vertreter von Microsoft, AMD, Intel und anderen Herstellern machten sich Mitte April bei einem x64-Briefing Gedanken darüber, was denn die Killer-Applikation für x64 sein könnte. “Ich glaube, niemand weiß, welche das sein wird”, so Deighton. “Für mich ist es Business Intelligence schlechthin. Allerdings sollte die Software von Grund auf für 64-Bit geschrieben sein und nicht nur rekompiliert werden.”

Mittlerweile sind IBM und Hewlett-Packard kräftig dabei, sich mit Benchmark-Tests und preiswerten Dual-Core-Servern gegenseitig die Kunden streitig zu machen. So gab IBM Ende März die Verfügbarkeit der 64-Bit xSeries 366 mit dem Intel Xeon MP Prozessor bekannt. Mit 150.704,91 Transaktionen pro Minute habe der Server einen neuen Rekord für 4-Wege x86-64 Systeme im TPC-C-Benchmark aufgestellt.

Der Konkurrent hält mit dem neuen Dual-Core ProLiant Server dagegen und macht diesen seinen Kunden zum gleichen Preis wie für einen Single-Core ProLiant schmackhaft. Auch hier sollen Benchmark-Tests die IT-Einkäufer überzeugen. So ließ das Unternehmen den SAP Sales and Distribution Standard Application Benchmark auf dem neuen Dual-Core mit vier Prozessoren laufen. Das Ergebnis: Der Server habe 1772 User unterstützt und 178.000 Bestelleingänge pro Stunde verarbeitet. Im Vergleich zu einem Single-Core-System sei der Dual-Core um fast 75 Prozent leistungsfähiger gewesen. 

Ganz gleich, wie billig x64-Rechner werden oder welche Applikation davon am meisten profitiert: 64-Bit wird Standard, denn die Vorteile liegen auf der Hand: Enorme Verbesserungen bei Leistung, Skalierbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Über die Schnelligkeit der Verbreitung sind sich die Experten uneins. Man könne davon ausgehen, dass bis Ende dieses Jahres fast jeder Server, jede Workstation und viele Desktops mit x64-Prozessor ausgeliefert würden, glaubt Deighton. Die Verfügbarkeit von 64-Bit-Applikationen dürfte sich allerdings über die nächsten zwei bis fünf Jahre hinziehen.

Wichtig sind vor allem die Hardware-Treiber für 64-Bit. “Wir wollen mehr als 10.000 Systembauer im Laufe dieses Jahres trainieren, damit das auch wirklich jeder auf der Server-Ebene versteht”, versprach Bill Gates auf der WinHEC.

“x64 wird keine zusätzlichen Investitionen auslösen”, bringt Microsoft-Manager Ullrich den von Intel und AMD ausgelösten Hype auf den Boden der Tatsachen. “Unternehmen überlegen sich ganz genau: wo macht es Sinn, wo nicht, wo brauchen wir x64-Server dringend?” Niemand benötige heute x64 für Office-Anwendungen. Aber langfristig werde es nicht zwei Plattformen nebeneinander geben.