B XVI und W3

An manchen Tagen, da möchte man einfach nur demütig stillschweigen. Sind des Menschen Worte doch zu schwach, um zu schildern, was geschehen.

Jedenfalls glossieren kann man’s nicht. Das ist nun wirklich unmöglich.

Und so sitzt denn am 6. Tage des Pontifikats Benedikts des XVI der Spötter vor seinem Rechner und ist sich gewahr, Zeuge der ersten Inauguration eines Papstes in der Internet-Ära geworden zu ein. Der Amtsantritt von dessen Vorgänger lag ja noch vor dieser Zeit.

Damals konnten Gläubige wie Ungläubige noch zwei Dutzend Fernsehsender weniger empfangen. Und es gab kein World Wide Web.

Web, TV und die anderen Medien – alle haben sie ihr Scherflein zu einer wahrlich umfassenden Berichterstattung beigetragen. Obwohl’s eigentlich kaum Fakten gab, über die berichtet werden konnte.

Die Hälfte ihres Politikteils widmet die Süddeutsche Zeitung nach der Papstwahl dem Mann, der mit weltlichem Namen Joseph Ratzinger heißt. Dazu den gesamten Bayernteil. Und das Feuilleton macht mit des Ex-Kardinals Ansichten zum Isenheimer Altar auf. Über die Ergebnisse von Urnengängen mit mehr als 115 Wahlberechtigten schreibt das Blatt nicht so viel.

Im heiligen und nationalen Taumel über sich hinausgewachsen ist wieder einmal bild.de. Mit der Headline “Wir sind Papst” knüpft die Publikation an ihre alte sprachliche Höchstform zu Zeiten der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 an.

Der Aufmacher damals: “Jaaa! Deutschland balla, balla!” “Wir… Papst” spielt in der gleichen Verbal-Liga.

Für Bild berichtet authentisch wie immer der Vatikan-Korrespondent Andreas Englisch: “Nie vergesse ich diese glockenhelle, leicht nasale Stimme mit dem deutschen Akzent.” Und Englisch verspricht Aufklärung zu so brisanten Themen wie: “War der neue Papst je verliebt?”

Im Internet hat sich unterdessen der gläubige US-Bürger Roger Cadenhead die Domain BenedictXVI.com gesichert. Damit unter dieser Adresse nicht eine “unreine” Seite ins Web gestellt wird.

Und der ratzingerfanclub.com vertreibt Käppies mit dem Konterfei des frisch gekürten Pontifex, “headware” genannt. Und etwas zu klein geratene Maßkrüge (22 oz). Jene bezeichnet die fromme US-Site als “drinkware”.

Ihren Lieblings-Kleriker nennen die ehedem Ratzinger- und jetzt wohl Benedikt-Fans bei seinem Kosenamen “Ratzy” oder “Ratty”. Wobei dem Spötter das doch etwas zweideutig erscheint.

So wie etliche Headlines, die Google News listet. “Papa Ratzi” etwa aus der Frankfurter Allgemeinen, der Welt oder der österreichischen Kronenzeitung. Eindeutig abwertend gemeint sind hingegen die Überschriften des britischen Daily Telegraph und des Mirror: “God’s Rottweiler”.

Dem Bibelkundigen kommt da ein Satz aus dem ersten Korinther-Brief in den Sinn: “Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?” (Kapitel 14 – “Zungenrede und prophetische Rede”, Vers 23). Offenbar ist Google News der Ort – im Cyberspace – von dem der Apostel Paulus da spricht.

Die Macher von “catholicism-wow.de – Deutscher Hardcore Katholizismus” ficht dies indes nicht an. Und sie texten – unter der Überschrift “Vivat Benedikt XVI! Yeah! Yeah! Yeah!” – “Analysen und Lobpreisungen gibt es später, jetzt wird erst einmal gefeiert!”

Ansonsten offerieren sie T-Shirts. Aufdruck: “Sweet XVI. Long live the pope!”

Da mag selbst die Hamburger Linkspresse nur noch gottgefällig sein: Der Spiegel stellt eine allerliebste Flash-Animation vom Vatikan ins Netz.

Und der Stern macht mit “Mensch Ratzinger” auf. So als gäb’s keine wichtigeren Themen, beschäftigt sich alle Welt mit Fragen wie, ob der “Mensch Ratzinger” – jetzt “Sweet XVI” – “je verliebt” war.

“Es geschahen aber viele Zeichen und Wunder im Volk durch die Hände der Apostel”, heißt es beim Evangelisten Lukas (Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 12). Benedikt XVI hat sich daher schon heute als legitimer Nachfolger Petri erwiesen. Genauer gesagt, als der 264.

Das Wunder, das er offenbart hat, ist das Mirakel der Informationsgesellschaft. Wie wenig wirkliche Information die doch braucht – um jede Menge TCP/IP-Traffic zu generieren.

Den Spötter macht das traurig. Und er fühlt sich überflüssig.

All das Wundersame und die Sonderbarkeiten haben seiner nicht bedurft. Nichts von alledem hat er sich ausdenken dürfen.

Es war ihm nicht vergönnt. So ganz wird die Satire die Realität halt nie einholen.

Auch Bible-Online vermag da keinen Trost zu spenden. Die entsprechende Query liefert vielmehr ein Verdikt: “Bist du ein Spötter, so musst du’s allein tragen” (Sprüche Salomos, Kapitel 9, Vers 12).