Torvalds unter Beschuss: Kernel-Pfleger gibt Warnung aus

Andrew Morton, einer der Kernel-Wächter, warnt vor Schlamperei beim Patching. Der gute Ruf, den Linux in der Softwarewelt genießt, könnte darunter leiden.

Obwohl der Linux-Kernel nach einer aktuellen Befürchtung immer größer und komplexer zu werden droht, liegt das Geheimnis seines Erfolges darin, dass er möglichst hochwertig, das heißt fehlerfrei bleibt. Diese Ansicht äußerte Andrew Morton, einer der hauptberuflichen Pfleger des Kernels. Er warnte auf einer Linux-Konferenz in Australien vor möglichen Inkompatibilitäten und schlechter Qualität, sofern die Aufgabe des Patchens und die Tests nicht ernster genommen würden. Er schlägt sich damit auf die Seite der Torvalds-Kritiker.

Bei der Weiterentwicklung des Kernels, so Morton, könnten sich immer mehr Fehler in den Kernel einschleichen. Und zwar, weil die Testverfahren innerhalb der Community nicht besonders effektiv seien. So kritisierte er, dass die meisten Freiwilligen den Kernel unentgeltlich und, wie er sagte, “ohne Dankeschön, Erwähnung, Geld oder sonst etwas” testen würden. Das wiederum führe dazu, dass das Testen des Kernels immer mehr in den Hintergrund trete, weil die Bereitschaft für diese aufwändige Arbeit möglicherweise abnehme. Doch gerade das Testen gewährleiste die Qualität.

Morton ist auch bei der Verwaltung des Codes mehr für die Beteiligung von freien Entwicklern, als für den Einsatz proprietärer Tools wie ‘Bitkeeper’. Er bezieht damit in dem Streit in der Linux-Familie eindeutig Stellung zugunsten derer, die nicht wollen, dass die Stabilität des Kernels unter zuviel Ballast oder zu wenig Sorgfalt leidet. Morton sagte, er habe sich mit der proprietären Bitkeeper-Lizenz sowieso nie anfreunden können. Das Bugfixing wurde seiner Ansicht nach in jüngster Zeit falsch angepackt. Er spricht sich vor der versammelten australischen Linux-Fachgemeinde für die Entwicklung eines offenen Source Code Management Tools aus.

Die Frage des Bugfixing hält er gleichermaßen für kritikwürdig. So führe das dafür verwendete Werkzeug ‘Bugzilla’ dazu, dass die Fehler zwar schnell behoben werden könnten. Aber die Funktionen des Tools förderten besonders eine Arbeit in Zweiergruppen, während eine große Zahl an Entwicklern und ihre Ressourcen außen vor blieben. Dieses Verschenken von Wissen und Hilfe könnte sich negativ auf den Kernel auswirken, deutet er an. Außerdem ist er keineswegs damit einverstanden, dass Linux-Entwickler Linus Torvalds dem Ablehnen von Patches, die aus der Community kommen, aus Qualitätsgründen einen eben so hohen Stellenwert einräumt, wie dem Akzeptieren und Einbauen. Für Morton ist klar, dass jeder nicht schädliche Patch dem Kernel lediglich etwas hinzufüge, was wichtig sei. Daher sei es Aufgabe der Kernel-Maintainer, in das Herz von Linux etwas zu integrieren, was ihm vorher gefehlt hat.

Trotz aller Befürchtungen gilt gerade Linux in allen Derivaten und als Open-Source-Grundlage als eine der qualitativ hochwertigsten Software-Bausteine, die es gibt. Dieser Ansicht ist zumindest James Coplien. Der Entwickler und Objektarchitekt bei dem ‘System on a Chip’-Unternehmen Dafca sagt, dass die einzige Hoffnung für die Softwarebranche in den Händen der Kunden liege. “Wenn sie nicht anfangen, bessere Software zu verlangen, wird sich die Industrie nie verändern”, zitiert ihn die US-Presse.