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Der technische Fortschritt nämlich verändert die Welt. Computer aber sind seit Jahren gleich geblieben.

Der technische Fortschritt nämlich verändert die Welt. Computer aber sind seit Jahren gleich geblieben.

Gut, die Prozessoren sind mächtiger geworden: Intel bringt Ende des Jahres den ‘Montecito’ heraus. Der wird über eine Milliarde Transistoren integrieren.

Und die Betriebssysteme erst! Aus 45 Millionen Lines of Code besteht der Quelltext von Windows XP. Und für die aktuelle Version – für das Service-Pack 2 – sind 870 Bugs gefixt worden.

Dafür braucht’s auch so viele Transistoren – um all die Bugs zu verarbeiten. Aber ansonsten sind Computer halt Computer geblieben. Da ist kein technischer Fortschritt mehr zu spüren.

Sinnlich wahrnehmen kann den hingegen, wenn man etwa versucht, eine vor erst wenigen Jahren gekaufte Waschmaschine reparieren zu lassen – am mitleidigen Ton des Service-Technikers. Der erklärt einem dann, dass die vermeintliche Anschaffung fürs Leben mittlerweile längst veraltet ist. Moores Law gilt eben auch in Reinräumen herkömmlicher Art – in Waschküchen.

Wobei: Es leuchtet einem ja ein. So eine energietechnisch moderne Waschmaschine amortisiert sich schließlich sehr rasch. Sagt der Service-Techniker.

Und dass der Mann nicht vom ROI (Return on Investment) spricht wie die IT-Marketiers andauernd, das macht ihn nur noch glaubwürdiger. Wahrscheinlich kennt die ehrliche Haut diesen Begriff nicht einmal. Vor allem aber überwindet ein beängstigend angewachsener Berg Schmutzwäsche jedwede Investitionszurückhaltung.

Und so kommt man denn in den Besitz einer Waschmaschine, die energietechnisch State-of-the-Art ist. Letzteres liegt inwendig an der vielen Hightech. Waschmaschinen sind halt längst keine Waschmaschinen mehr – sondern Computer.

Das lässt sich auch unschwer am beeindruckend dicken Manual feststellen, das in mehreren Sprachen abgefasst ist und in jeder einzelnen unverständlich. Sowas kennt man doch aus der IT.

Und deshalb hält man es mit Waschmaschinen so, wie man es mit IT-Systemen auch immer gehalten hat: Man versucht, sie intuitiv zu bedienen. Im Unterschied zu Computerei funktioniert das meist sogar erstaunlich gut. Waschmaschinen haben ein wirklich benutzerfreundliches User-Interface.

Was ist einem in der IT nicht schon alles “auf Knopfdruck” versprochen worden! Entscheidungsrelevante Geschäftsinformationen und die Konfiguration von Netzwerken. “Datensicherung auf Knopfdruck” offeriert dieser Tage wieder der Festplattenhersteller TEAC. Und die französische Sagem will auf der CeBIT Bildbearbeitung “auf Knopfdruck” zeigen.

Man kennt’s. Und man glaubt es deshalb nicht mehr. So etwas Wesentliches wie saubere Socken aber geht tatsächlich mit dem Drücken weniger – wirklicher – Knöpfe.

Noch mehr Computer als Waschmaschinen sind ja Autos. Weshalb auch die zugehörigen Handbücher noch IT-ähnlicher sind. Das heißt: In einem telefonbuchdicken Werk wird man im Wesentlichen darüber aufgeklärt, dass, was immer auch passiert, der Hersteller keine daran Schuld hat. Aufpassen soll man halt.

Der offensichtliche Grund, warum nicht mehr drin steht, liegt darin, dass ein modernes Auto voller hochkomplizierter Technik ist, die so eine Dumpfbacke von Fahrer eh nie verstehen würde. Lediglich dessen Charakterisierung wird weiter illustriert, indem dargelegt wird, auf welche Selbstverständlichkeiten man ihn eigens hinweisen muss.

So heißt es etwa im Manual eines IT-mäßig besonders üppig ausgestatteten Wagens: “Elektronische Systeme (wie ESP) sind nicht in der Lage, die Regeln der Physik außer Kraft zu setzen.” Ja, das muss wohl wirklich einmal gesagt werden.

Das TLA (Three Letter Acronym) ESP steht für ‘Elektronisches Stabilitätsprogramm’. Außerdem verfügen Computer-Auto-Wolpertinger noch über eine WFS (Wegfahrsperre), eine DLF (Drive Lock Funktion), über softip und softouch. All das kann die Physik nicht außer Kraft setzen. Umgekehrt aber ein klein wenig Physik die ganze Hightech.

Und deshalb passiert es einem dieser Tage leicht, dass man mit einem Auto voller elektronischer Systeme in einem klitzekleinen Schneeloch steckt und nichts mehr funktioniert. Keine TLAs und keine Elektronik. Bei einem Käfer hätte man zwei dicke Passanten auf die hintere Stoßstange gestellt und dann langsam den zweiten Gang kommen lassen …

So aber ist man hilflos inmitten modernster Technik. – Und da geschieht es: Ein Fenster geht auf und eine ältere Dame ruft: “Mei Mann bringt Säck’.”

Das ist sehr untechnisch ausgedrückt. Die Frau will eigentlich sagen, dass ihr Gatte vorhat, mittels eines zwischen Räder und vereisten Untergrund geschobenen Jutegeflechts den Reibungskoeffizienten zu erhöhen. Aber man nimmt die Ankündigung trotzdem dankbarer an als ansonsten das bestformulierte White Paper.

Und so ein Jute-Tool ist hochperformant. Wenn man sich dann – betreten ob des jämmerlichen Versagens seines motorisierten Taschenrechners – bedanken will, sagt der Mann nur: “Dofir si’mer doch do, dass mer sich hilft.”

Wow! Das wäre doch mal ein Paradigma für den IT-Service-Bereich. Oder für die Software-Hilfefunktionen, jene in ASCII gegossenen Auto-Handbücher.

Das wäre schön: Immer wenn ein Problem am Rechner auftaucht, ist da jemand, der einem vorbehaltlos helfen will. Und dann geht ein Fenster auf.