Verkauf der Siemens Handysparte rettet deutsches Werk

Siemens stößt seine defizitäre Handy-Sparte an den taiwanesischen Hersteller BenQ ab. Die Arbeitsplätze sind für fünf Jahre gesichert.

Europäische Kunden müssen sich auf eine neue Handy-Marke einstellen: Der taiwanesische Hersteller BenQ will sich in Europa etablieren und aus der Handy-Sparte des Siemens-Konzerns wieder ein Geschäft machen.

Wer ist BenQ? Der Name steht für ‘Bringing Enjoyment and Quality to Life’. Gegründet wurde die Firma 2001 vom taiwanesischen PC-Hersteller Acer mit dem Maßgabe, eine Elektronik-Nobelmarke zu werden. Rund 60 Prozent des Umsatzes macht BenQ derzeit freilich mit Auftragsproduktion für Unternehmen, die schon Marken sind, etwa Hewlett-Packard, Nokia und Thomson. Hergestellt werden unter anderem Digitalkameras, Notebooks und Scanner.

Viele Deutsche nutzen schon BenQ-Geräte, ohne es zu wissen, darunter auch Handys. BenQ gehörte zu den Lieferanten des Kaffeerösters Tchibo, als der im Oktober 2004 Handy-Modelle unter der Marke TCM verkaufte.

Wie der chinesische PC-Hersteller Lenovo, der sich jüngst die PC-Sparte von IBM einverleibte, versucht BenQ derzeit, sich zu emanzipieren und selbst eine Weltmarke zu werden. Dem taiwanesischen Unternehmen bleibt gar nichts anderes übrig, denn der Preisdruck durch Produktionsstätten in der Volksrepublik nimmt ständig zu.

Da kam BenQ die Siemens-Handysparte nur recht. Nach Angaben des Wall Street Journal hat BenQ 2004 etwa 15 Millionen Handsets verkauft, 2005 wird der Absatz dagegen auf 10 Millionen schrumpfen. Besonders die eigene Marke steht unter dem Preisdruck der Marktführer Nokia, Motorola und Samsung. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Strategy Analytics produziert BenQ derzeit 2 Prozent der weltweit verkauften Handsets, Siemens etwa 5,4 Prozent.

Siemens kam BenQ auch recht. War BenQ doch der einzige Interessent, der den Erhalt der weltweit 6000 Arbeitsplätze zusicherte. Motorola habe verlangt, 4500 Stellen zu streichen, der chinesische Siemens-Partner Ningbo Bird 5000 Stellen, schrieb die Frankfurter Allgemeine. Auch TCL und UT Starcom forderten einen Stellenabbau.

BenQ und Siemens haben sich darauf geeinigt, dass BenQ die Mobilsparte zum 1. Oktober 2005 übernehmen wird, inklusive der Gewinne und Verluste. Aus der Siemens-Handysparte wird ‘BenQ Mobile Devices’ mit Hauptsitz in München. BenQ erhält für 18 Monate die Rechte an der Marke Siemens im Bereich Mobiltelefone. Für weitere 5 Jahre darf ‘Siemens’ auf allen BenQ-Handys als Co-Marke auftauchen.

Die Taiwanesen übernehmen zudem den Standort Kamp-Lintfort. Die Weiterführung von Kamp-Lintfort sei ein “wichtiger Faktor bei der Entscheidung für einen Käufer” gewesen, hieß es von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Siemens wird nach eigenen Angaben neue BenQ-Aktien im Wert von 50 Millionen Euro zeichnen und den Integrationsprozess mit 250 Millionen Euro “begleiten”. Analysten summieren diese “Ergebnisbelastung” auf 350 Millionen Euro vor Steuern.

Ein Ende mit Schrecken, das einen Schrecken ohne Ende ablöst. Die Handy-Sparte machte zuletzt einen Verlust von 1 Million Euro – pro Tag. Siemens rannte mit seinen Handys den Konkurrenten hinterher. Schon der Einstieg in den Handy-Markt kam zu spät: 1993, als der Markt bereits von Nokia und Motorola beherrscht wurde. Letztere hatten in Asien und den USA längst einen Vertrieb aufgebaut. Siemens hatte vor allem zu den deutschen Netzbetreibern gute Kontakte – nur eben zu wenige für eine Weltkarriere.

Nicht nur die Konkurrenz, auch die Trends waren schneller als die Siemens-Ingenieure. Handy-Modeartikel à la ‘Xelibri‘ floppten. Zu teuer für Otto Normaltelefonierer, zu billig für die Nobel-Kundschaft. Als Klapphandys populär wurden, hatte Siemens keine im Angebot. Und Fotos sollten die Siemens-Kunden zunächst mit aufsteckbaren Minikameras machen. In der Baureihe C65 traten zudem Softwarefehler auf, das Modell S55 verschickt ungewollt SMS.

Fakten, die bei Siemens bekannt waren und zu monatelangen zermürbenden Diskussionen führten. Und dazu, dass der Siemens-Anwender-Verein ‘Justsave’ dem Vorstand eine “Politik der schleichenden Selbstauflösung” attestierte.

Viele Siemens-Mitarbeiter und -Zulieferer dürften erleichtert sein, seitdem sie wissen, dass es mit den Handys unter einem anderen Namen weitergeht. Motto: Lieber für ein taiwanesisches Unternehmen arbeiten, als für gar keins. Das BenQ-Board und der Siemens-Aufsichtsrat haben der Vereinbarung bereits zugestimmt, das Placet der BenQ-Hauptversammlung steht noch aus.