Europas IT im November 2005: Dunkel wie ein Nachmittag im Herbst

Der Standort wird immer mehr in Frage gestellt, einmal ganz abgesehen von den Arbeitsplätzen, die mit Investitionen in Europa verbunden wären.

Die Zukunft für die Hightech-Industrie in Europa sieht dunkel aus, so dunkel wie ein Novembertag abends um 5. Viele Unternehmen aus den USA und Asien machen Milliarden, die Europäern hinten und vorne fehlen. Der Standort wird immer mehr in Frage gestellt, einmal ganz abgesehen von den Arbeitsplätzen, die mit Investitionen in Europa verbunden wären.

Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Beratungsunternehmens McKinsey, das die Situation von Unternehmen aus den Bereichen Datenkommunikation, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Medizinische Systeme, Software, Unterhaltungselektronik, IT-Dienste und Halbleiter beleuchtet hat. Danach kommen nur noch 17 Prozent der weltweit größten Hightech-Unternehmen derzeit aus Europa. Besonders betroffen ist die Software-Industrie. Lediglich drei europäische Unternehmen schaffen Umsätze von mehr als einer Milliarde Euro. In den USA übertreffen 14 Firmen diese Marke. Ferner kranken die Unterhaltungselektronik und die Halbleiterindustrie.

Gründe für die malade Branche gibt es reichlich. Sie reichen von der hohen Zerstückelung des Marktes, über wenig Management-Talente bis hin zu niedrigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, so die Berater. So investierten Amerikaner 2003 rund 268 Milliarden Dollar, die Europäer dagegen nur 189 Milliarden Dollar. Auch bei den für die Hightech-Branche wichtigen Patenten liegt die USA mit fast 50 Prozent mehr Anmeldungen weit vor der europäischen Konkurrenz.

Außerhalb der IT und einmal abgesehen vom Mobilfunk und der Datenkommunikation, so McKinsey, steht Europa besser da. Auf dem Automobilsektor zum Beispiel oder in der Luft- und Raumfahrt, sowie in Logistik und Chemie. Während derzeit lediglich 57 der 336 erfolgreichsten Hightech-Firmen aus Europa kommen – das entspricht besagte 17 Prozent – haben diese Bereiche einen durchschnittlichen Anteil von rund 30 Prozent.

Es scheint aber noch nicht alles verloren. Gelingt es den europäischen Hightech-Unternehmen, ihren Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt auf das Durchschnittsniveau anderer Industrien (30 Prozent) zu heben, könnten schätzungsweise bis zu vier Millionen neue Arbeitsplätze in Europa entstehen, so ein Fazit.

Dazu müssten aber eine Reihe von Erfolgsfaktoren zusammenspielen. Entscheidend sei zunächst ein ‘Speed to Scale’-Geschäftsmodell, eine auf schnelles Wachstum ausgerichtete Strategie. Außerdem sollten die Unternehmen mehr in Talentmanagement investieren, damit ihre Attraktivität als Arbeitgeber zunimmt, und möglichst diverse Führungsmannschaften aufbauen. Dritter Stellhebel sei eine langfristig ausgerichtete, aber trotzdem kurzfristig gewinnorientierte Kapitalstruktur. Dies ermögliche mutige und in die Zukunft gerichtete Managemententscheidungen und schütze das Unternehmen vor einer frühzeitigen Zerschlagung. Schließlich sollten europäische Hightech-Unternehmen ihr Umfeld aktiv gestalten, etwa durch den Aufbau von, untechnisch gesprochen, Clustern. Darunter versteht McKinsey die Ansammlungen von Experten in Unternehmen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen.

Europa könne in einigen Breichen eine Vorreiterrolle übernehmen, darunter in ‘Embedded Software’, beispielsweise für das Antiblockiersystem im Auto, Satellitenkontrollsysteme in der Luftfahrt, oder das Zusammenspiel von hoch entwickelter Technik mit Design oder Inhalten, beispielsweise bei der flächendeckenden Einführung einer Breitband-Infrastruktur von Telekommunikationsunternehmen.