Berliner Clustereien

Schlimm steht’s um Deutschland. Nach dieser Wahl!

Ärgerlich ist nicht nur, dass der Linux-Verband gegen das Microsoft-Logo bei den ARD-Hochrechnungen geklagt hat. Ist jenes doch gerade in solchen Fällen äußerst hilfreich: Es bereitet den Zuschauer behutsam auf schwere Ausnahmefehler vor.

Wer vor dem Bildschirm sitzt und dieses Logo sieht, der weiß: Das System kann jederzeit in einen Zustand geraten, in dem erst einmal nichts mehr geht. So wie am Sonntag.

Erschütternd aber ist vor allem das Handling dieses “unexpected error”, wie’s die Bug-Experten aus Redmond sicherlich formuliert hätten: Die Berliner Community redet daher, als ging’s dabei um Verkehrstechnik des vergangenen Jahrhunderts, Übergewicht oder einen Karibik-Urlaub.

Über eine Ampel, eine Schwampel oder eine Jamaika-Koalition fabulieren jetzt alle. Wann endlich lernt man am High-Tech-Standort Deutschland, sich jener präzisen Sprache zu bedienen, die in der Computerei gepflegt wird?

Der Begriff “Schwampel” etwa trifft eine schwarz-gelb-grüne Koalition nur insoweit, als dass es sich dabei um einen hässlichen Begriff für eine hässliche Option handelt. Ansonsten aber lautmalt er wabbelnde Dickleibigkeit.

Die Schwampel an der Macht jedoch stünde für das genaue Gegenteil jenes allgemeinen Wohlstands, unter dessen Bedingungen die Leute üblicher Weise ein paar Pfund zulegen. Der Schwampel gehörten all jene Parteien an, die den Arbeitsmännern und Arbeitsfrauen besonders dreist einzureden versucht haben, es sei zu ihrem eigenen Besten, wenn man sie löffelt.

In einer solchen Konfiguration wären die Staatsdiener bemüht, den Client möglichst dünn und notwendiger Weise auch dumm zu halten. Also: McNealy-Allianz. Das ist der adäquate Name! Denjenigen, die dann den Gürtel noch enger schnallen müssten, bleibt nur die Hoffnung, dass genau so wenig draus wird wie seinerzeit aus der Thin-Client-Kampagne des Sun-Chefs.

Einige nennen die Konfiguration mit den alternativ-ausgemergelten oder -gemerkelten Clients ja auch Jamaika-Koalition, was wohl vor allem den Alt-Grünen, die ihre Partei immer noch für ökologisch, sozial und basisdemokratisch halten, drüber weghelfen soll, indem sie damit – wie der Noch-Außenminister – gedanklich eine Riesentüte assoziieren können.

Aber der ITler weiß: Stoned ist nicht. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik führt in der Beschreibung des gleichnamigen Virus eindeutig aus: “Stoned hat keine programmierte Schadensfunktion.” Einer Berliner McNealy-Allianz hingegen wäre die Schadenfunktion Programm.

Recht antiquiert und einfallslos ist auch, eine rot-gelb-grüne Regierung “Ampel” zu nennen. Da ist ebenfalls ein nomenklatorisches Update fällig.

“Swap-System” würde wohl eher den Kern einer solchen Konstellation treffen, da sie die Drohung der FDP, ihre Minister in eine andere Koalition auszulagern, persistent implementieren würde. Darüber hinaus wäre so ein Swap-System sehr volatil.

Eine veritable sprachliche Herausforderung stellt dar, für Rot-Rot-Grün einen gefälligen Namen zu finden. “Volksfront”, die traditionelle Bezeichnung für ein Bündnis zweier Arbeiterparteien mit bürgerlichen Linken, geht ja allein schon deshalb nicht, weil wohl niemand einem der beiden Bohemiens an der Spitze der künftigen Linkspartei den disziplinierten Kaderkommunisten abnehmen würde.

Außerdem wird diese Partei sicherlich sehr stark durch die programmatische und personelle Migration von der SPD geprägt sein. Die sozialdemokratische Komponente wäre demnach in einer derartigen Konstellation doppelt vorhanden. Ergo: Palo-Alto-Koalition, benannt nach Hewlett-Packard (HP), die solche Systeme baut und an jenem schönen kalifornischen Ort ihren Konzernsitz hat.

Dieser Name würde auch auf die Schwierigkeiten von Rot-Rot-Grün hinweisen: HP wollte seine redundant ausgelegten Rechner ursprünglich mit Alphas bestücken, die bekannter Maßen äußerst problematisch sind.

Und dann heißen diese Systeme auch noch “Tandem”, womit’s die beiden Alphas einer rein rechnerisch möglichen Palo-Alto-Koalition ja schon mal versucht haben. Ein echtes Legacy-Problem!

Mit zwei Alphas hat man zwar keinen single, dafür aber einen unique point of failure. Kurz: Rot-Rot-Grün ist zwar theoretisch hoch-, praktisch aber derzeit gar nicht verfügbar.

Bleibt die große Koalition, quasi ein politischer Parallel-Sysplex. So nennt man das, wenn man zwei Großrechner koppelt. Weil man sowas ja nur selten zu Gesicht bekommt: Es handelt sich dabei um riesige schwarze Kästen mit schmalen roten Zierleisten.

Auf so ein System kann man alles packen. Es bedient jeden, der damit zu tun hat. Jeder bekommt seinen Teil (lat.: Partition).

Ansonsten ist ein Parallel-Sysplex etwas für Sicherheitsneurotiker. In der Bundespolitik wurde die bislang einzige große Koalition gebildet, um die Notstandgesetze zu verabschieden. Und in der aktuell möglichen politischen Sysplex-Konstellation könnte beispielsweise der Clone Schily das Backup für das Original Beckstein abgeben.

So ein System scheint den meisten noch am sympathischsten zu sein. Denn man richtet es einmal ein. Dann läuft es jahrelang vor sich hin. Und niemand muss sich groß drum kümmern.

Irgendwann einmal baut man es dann wieder ab. Vielleicht weil man die horrenden Kosten leid ist, die laufend anfallen, ohne dass man darauf Einfluss hätte.

Nö, das ist alles nix. Und Neuwahlen?

Dann müsste Horst Köhler in Aktion treten, laut Infratest der Mann, nach dem befragt, 6 Prozent der Bevölkerung antworten: “Dieser Politiker ist mir unbekannt.”

Für jene Glückseligen: Das ist unser Bundespräsident. Für Informatiker: Das ist eine Art daemon von Angela Merkel.

Der könnte unter Umständen den Bundestag noch einmal auflösen. Dann aber gäb’s bald wieder einen Sonntag mit einem Microsoft-Logo auf dem Fernsehbildschirm, das einen einfühlsam auf einen “unexpected error” vorbereiten würde.

Und das wäre dann doch allzu hart. Wenn man feststellen müsste, dass nicht einmal Alt+Ctrl+Del noch was hilft.