IT-Dienstleistung entdeckt die Gesamtheit

Anwenderunternehmen verlangen immer stärker nach einer ganzheitlichen Dienstleistung aus Beratung, Systemintegration und Outsourcing.

Der Begriff ist noch jung, doch gut jeder zehnte hochrangige Manager in einem Großunternehmen kann schon was damit anfangen: ‘Business Innovation/Transformation Partner’ (BITP) nennt sich eine neue Gattung von Dienstleistern, die laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens Lünendonk derzeit schwer im Kommen ist.

“Die Unternehmen nennen sich BITPs, weil sie eine langfristige Partnerschaft, eine unternehmerische Mitverantwortung und eine nachdrückliche Unterstützung für ihre Kunden durch Innovations- und Transformationsleistungen, also Änderungs- und Umwandlungsleistungen, anbieten”, erklärt Thomas Lünendonk, Herausgeber der Studie.

Der neue Trend generiert nicht unbedingt neue Player im wieder wachsenden Markt für IT-Dienstleistungen und Beratung. Als BITPs gesetzt sind die üblichen Verdächtigen wie T-Systems, IBM Global Services, Capgemini oder Accenture. Allerdings zwingt er sie zu einer ganzheitlicheren Sicht ihrer Leistungen, um sich für die Zukunft zu positionieren. “Es zeigt sich zunehmend, dass derzeit besonders die Beratungsunternehmen reüssieren, die zusätzlich zu den Konzepten auch die Umsetzung verantwortlich übernehmen, und zwar nicht nur in der Regieleistung, sondern auch im konkreten Handeln”, stellt Lünendonk fest.

Zwar werden sie auch künftig Dienstleistungsmodule wie Management- und IT-Beratung, Systemintegration oder Business Process Outsourcing einzeln anbieten, doch sie werden schon jetzt immer mehr mit einer neuen Kundenforderung konfrontiert: Sie müssen nicht nur die Rezepte für die Wandlung von Unternehmensprozessen liefern, sondern sie auch implementieren und bei Bedarf als Dienstleister weiterführen. Beratung und Umsetzung aus einer Hand ist gefragt.

Das belegen auch die Ergebnisse der Lünendonk-Studie. Bei den 172 befragten Geschäftsführern, CIOs und anderen Führungskräften kam der ganzheitliche Ansatz gut an: Über die Hälfte fand das Konzept des BITP ‘gut’ oder ‘sehr gut’. Für 30 Prozent ist die Verfügbarkeit von Beratungs- und Realisierungsleistungen sowie Betreiberlösungen aus einer Hand ‘wichtig’ oder ‘sehr wichtig’. Unter CIOs und Leitern Controlling lag die hohe Bewertung sogar bei über 50 Prozent der Befragten.

Jeder Zehnte trägt sich nach Aussage der Studie momentan konkret mit dem Gedanken, Dienstleitungen nach dem BITP-Muster wahrzunehmen – aus verschiedenen Gründen. Ganz hoch rangieren immer noch der Kosten- und Preisdruck bei den befragten Unternehmen, doch auch die Internationalisierung und das “Profitieren vom Know-how des Dienstleisters” gehörten zu den meist angegebenen Gründen.

Letztere zwei sind für die produzierende Industrie besonders relevant, bestätigt Jürgen Schulz, Geschäftsführer der VW-Tochter Gedas. Gleichzeitig schränkt er allerdings die Fähigkeit der Anwender ein, auf das BITP-Konzept schnell einzusteigen: “Wir sind bereit, für Projekte auch unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, doch nicht jeder Kunde ist bereit, diese abzugeben.”

Während das angelsächsische Ausland – von Haus aus stärker dienstleistungsorientiert – mal wieder viel weiter beim Wahrnehmen solcher Leistungen ist, hat man in Deutschland so seine Anlaufschwierigkeiten. Schon Business Process Outsourcing ist hierzulande noch mit einer mentalen Hürde behaftet, weswegen die Berater und Dienstleister sehr bemüht sind, dem neuen Schlagwort keinen negativen Beigeschmack zu geben. BITP kann zum Outsourcing von Geschäftsprozessen führen, muss es aber nicht”, betont Lünendonk. Ziel sei vielmehr eine Veränderung und Optimierung von Geschäftsprozessen.

Die grundsätzliche Bereitschaft, Geschäftsprozesse auszulagern, ist aber ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des BITP-Konzepts, denn der Betrieb von Geschäftsprozessen ist neben Consulting und Systemintegration die dritte Säule, auf der BITPs das Geschäft der Zukunft bauen. Stephan Scholtissek, Sprecher der Geschäftsführung bei Accenture in Deutschland, versucht seinen Kunden mit folgender Argumentation den Weg zu BPO zu ebnen: “Nötig ist eine Trennung zwischen steuernden und ausführenden Tätigkeiten. Wenn diese Trennung gelingt, kann man letztere leichter auslagern.”

“Man muss tradierte Prozesse automatisieren und Sourcing-fähig machen”, stimmt Matthias Hartmann zu, Leiter der IBM Business Consulting Services in Deutschland. Dass das geht, dafür haben sowohl Hartmann als auch Scholtissek Beispiele parat: IBM restrukturiert für den Energieversorger EnBW beispielsweise die Zählerstandablesung, die in der Folge an einen Dienstleister vergeben werden könnte. Und Accenture hat ein Jahr lang nach dem Kauf von Aral durch BP alle Tankstellen betrieben, die BP nicht mehr behalten wollte.

Weil solche Aufgaben ein tiefes Know-how über das Geschäftsmodell des Auftraggebers voraussetzen, sind jetzige und künftige BITPs dabei, sich vertikal in einzelnen Branchen zu positionieren. Besonders deutlich wird das bei einem Unternehmen wie Gedas. Durch seine Nähe zur Automobilindustrie und einschlägige Projekte versucht der Dienstleister derzeit, seine Expertise noch weiter zu vertiefen. “Wir bauen vor allem unsere Ressourcen mit Beratern aus, die vor Ort beim Kunden die Transformation von Prozessen betreuen”, verrät Jürgen Schulz.

Kurzfristig wird sich am Portfolio der Dienstleister wenig verändern, selbst wenn das BITP-Konzept demnächst richtig abhebt. “Wir haben mit Strategieberatung, IT-Integration und Outsourcing drei eigenständige Bereiche, die sich auch weiterhin einzeln tragen müssen”, stellt Michael Schulte, Geschäftsführer von Capgemini in Deutschland, nüchtern fest.