Besser als gedacht – Inshoring nach Deutschland

Im Zentrum Europas wird kein Industriemuseum entstehen. Mehr und mehr ausländische Firmen haben Deutschland als Inshoring-Ziel entdeckt.

Gegenverkehr auf der Offshoring-Autobahn

Einige Beispiele dazu: Der britische Rolls-Royce-Konzern entschied sich beispielsweise im Sommer 2005, zukünftig seine Triebwerke der Reihe ‘V2500’ nicht  mehr im britischen Derby, sondern im brandenburgischen Dahlewitz bei Berlin zu produzieren. Dies ist eine strategische Entscheidung, weil der Konzern bereits seit 2004 in Dahlewitz forscht. Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline investiert 100 Millionen Euro in sein Grippe-Impfstoffwerk in Dresden und schafft somit in den nächsten Jahren 170 neue Arbeitsplätze für hochqualifizierte Arbeitnehmer. AMD produziert seit 1998 in der ehemaligen “Chip-Hochburg Ostdeutschlands”, in Dresden. Red Hat hat sein Dienstleistungszentrum von London nach München verlagert, die US-Firma Cherry produziert statt in China in Auerbach. Von den bayrischen High-Tech-Clustern ganz zu schweigen. Microsoft, Ericsson, Honda, Motorola und viele andere ziehen – das verschweigen die Marktforscher nicht – Deutschland auch wegen attraktiver Faktoren wie massiven Steuerersparnissen im Gegenzug für eine Ansiedlung vor. Doch nicht nur.

Für den “Vorreiter des Insourcing”, das deutsche Unternehmen Varta, zählte beispielsweise auch die staatliche Zuwendung eine Rolle bei der Rückkehr. Ende der 90er Jahre holte der Konzern Produktionsteile aus Singapur nach Deutschland zurück. Doch nicht nur wegen zu langer Lieferzeiten und anderen Mängeln: laut DB Research sorgten die reichlich vorhandenen qualifizierten Ingenieure nicht zu einer Teuerung, sondern zu einer Reduktion des Lohnkostenanteils in der Produktion auf zirka 15 Prozent.

Format Tresorbau kommt wegen Standardschwierigkeiten zurück aus Polen, Vietz Pipelinebau, das Telekommunikationsunternehmen Tiptel AG oder der Landmaschinenhersteller Lemken sind demnach ebenfalls wieder mit ihrer Forschung und Produktion zurück in Deutschland. Und was spricht demnach gegen Offshoring? Abwanderung des Wissens, oder auch mangelnde Identifikation mit dem Unternehmen können neben qualitativen Mängeln  mit teuerer Nacharbeit ausschlaggebend sein. Die Qualität des Faktors Arbeit, so die Studie, darf in diesem Zusammenhang weder kurzfristig betrachtet noch unterschätzt werden. Billiger kann also schnell teurer werden.

Besser bleiben als gedacht

Unter den qualifizierten Arbeitskräften stechen insbesondere die Maschinenbau-Ingenieure hervor. Sie haben sich in den letzten Jahren von gut 100.000 (1995) auf 140.000 (2004) erhöht und sind Patentweltmeister. Insbesondere in der Fertigungs- und Automatisierungstechnik ist Deutschland führend. Leider sind sich die Deutschen dieser Stärken nur wenig bewusst. Allerdings: Ein Blick auf die Studienanfängerzahlen in den Ingenieurwissenschaften zeigt, dass der seit Mitte der 1990er Jahre verlaufene positive Trend seit 2004 gebrochen ist und die Zahlen wieder deutlich rückläufig sind (Maschinenbau minus 10 Prozent, Elektrotechnik Minus 16 Prozent in den letzten beiden Jahren).

Die DB Research empfiehlt eine fördernde Bildungspolitik, um das trotz Pisa-Ängsten im internationalen Vergleich hohe Bildungsniveau halten und ausbauen zu können. Und mit einem weiteren Vorurteil räumen die Marktkenner auf: “In der öffentlichen Debatte werden dabei immer wieder Forderungen laut, die Arbeitskosten zu senken, Tarifverträge abzuschaffen und insbesondere den Kündigungsschutz zu lockern. Die Analyse hat gezeigt, dass diese Faktoren in punkto Inshoring nur eine untergeordnete Rolle spielen.”, heißt es in der Studie.

Doch um weiter mithalten zu können, sollte Deutschland sich demnach umstellen: Traditionell, so die Studienautoren, hat sich das Land bei zukunftsträchtigen Bereichen wie der Bio- und Nanotechnologie eher zurückgehalten und eher in der traditionellen hochwertigen Technologie  (Automobilbau beispielsweise) seine Stärken ausgespielt. Die Spitzenforschung sollte aber in Zukunft nicht unterschätzt werden. Nur dann könne sich das Inshoring-Ziel Deutschland behaupten.