Microsoft attackiert Nicholas Carr

Seit der Veröffentlichung seines Artikels ‘IT doesn’t matter’ hat sich der Standpunkt des Journalisten Carr nicht geändert. Die IT geselle sich zu Gebrauchsgütern wie Strom oder Telefon. Die Hersteller blasen zum Gegenangriff.

Microsoft hat sich jetzt zu Wort gemeldet und verteidigt die Branche gegen die Prophezeihungen Carrs, dessen Ansichten höchst umstritten sind und immer wieder neue Debatten um die Rolle der IT auslösen.

Bob McDowell, Vice President of Information Worker Business Value bei Microsoft, stimmt Carr zwar zu, dass die IT in den 90er Jahren wie ein Prominenter von Paparazzi gejagt wurde und keinen Schritt in Ruhe gehen konnte, um sich zu entwickeln. Zu dieser Zeit habe es ein Überangebot an Technologien gegeben, das nicht besonders förderlich gewesen sei, pflichtete Dowell bei einer Veranstaltung in London bei.

Was ihm nicht gefällt ist, dass Carr den Industriezweig auf eine Schiene umleitet, die aus der IT statt etwas Besonderem und Wichtigem etwas Alltägliches macht. “Die Argumentation, dass IT im weitesten Sinn allgemein verfügbar sei wie Strom oder Autobahnen, stimmt nicht. Niemand weiß, was in fünf Jahren ist”, erklärte er und verwies darauf, dass in den kommenden zehn Jahren noch sehr viel entwickelt würde.

Der neuerliche Streit entzündete sich, nachdem Carr, der bereits 2003 den Artikel für die Harvard Business Review geschrieben hat, seine Thesen während einer Podiumsdiskussion in Großbritanniens Hauptstadt wieder ins Gespräch brachte. Unternehmen sollten so wenig Zeit und Geld wie möglich in die IT stecken. Erst wenn Firmen die Technik als gewöhnlichen Gebrauchsgegenstand ansähen, würde ihnen ein wirklicher Nutzen daraus entstehen.

Gegenargumente wie, die Technologie sei viel komplizierter als beispielsweise Strom, lässt er nicht gelten. Auch Elektrizität sei einmal ganz neu gewesen und für sehr kompliziert gehalten worden. Zeit und Entwicklung hätten gezeigt, dass es einfach zu handhaben sei, so Carr in der US-Presse.

Auch wenn vermutlich jeder CIO die Thesen kennt – noch hält sich niemand daran oder will es nicht wahrhaben, dass es so kommen könnte wie Carr mutmaßt. Aller Voraussicht nach halten es die Entscheider derzeit noch mit Microsofts Dowell. Noch im Februar dieses Jahres stellten die Marktbeobachter von IDC fest, dass bis zum Jahr 2009 die Ausgaben für IT (Hardware, Software und Services zusammen) 1,3 Milliarden Dollar ausmachen werden.

Andere verlangen sogar mehr Budget für die IT, vor allem für neue Sicherheitsstrategien. Nur etwa fünf bis13 Prozent der IT-Ausgaben entfielen derzeit auf die Sicherheit. Das sei bedenklich wenig, heißt es in einem Strategiepapier der Europäischen Kommission. Ihre Forderung impliziert aber auch, dass Unternehmen sich bei den verfügbaren Geldern mehr um eine optimale Verteilung kümmern sollten.

Carr können solche Forschungsergebnisse nicht umstimmen. “Kleinere Firmen arbeiten effektiver als große, ohne auch zugleich mehr Technik im Einsatz zu haben, sagte er. Das sollte jeden dazu bringen, nachzudenken, wie wichtig die IT wirklich sei.