Lenovo steuert neue Märkte an

Nach der Übernahme der PC-Sparte von IBM muss Hersteller Lenovo erst seine Mitte finden. Entsprechend behutsam tastet sich das Unternehmen auf neue Märkte vor.

Lenovo Deutschland und Österreich wird sich ab Ende März mit der neuen Produktgruppe ‘Lenovo 3000 K’ speziell an Endverbraucher richten. Einen “Husarenritt” in die Verkaufsregale der Einzelhandelsketten strebe Lenovo jedoch nicht an, erklärte Marc Fischer, Geschäftsführer Lenovo Deutschland und Österreich. Obwohl von diesen Ketten vielfach der Wunsch an Lenovo herangetragen wurde, etwa die Thin-Notebooks ins Sortiment aufzunehmen.

Die Besonderheiten der neuen Modelle sind nicht nur in einem neuen Design zu finden, sondern auch bei einer manuellen Einstellung der Prozessor-Geschwindigkeit. Hier kann der Anwender zwischen drei Leistungsstufen wählen. Bestimmte Anwendungen brauchen nicht die volle Leistung des Rechners, erklärte Fischer. Stormverbrauch und Geräuschpegel der Ventilatoren lassen sich so drosseln. Wahlweise könne diese Drosselung auch über das Betriebssystem automatisiert werden.

Anders als bei den Produkten der Think-Familie, die sich mit langen Produktzyklen, hochwertiger Verarbeitung, Management-Funktionen und Service vor allem an die Bedürfnisse der Unternehmen richten, werden bei den Rechnern der Lenovo-3000-Familie kurzfristig Trends wahrgenommen. “Da kann es schon vorkommen, dass ein Modell nur vier bis fünf Monate auf dem Markt ist”, so Fischer.

Diese PCs für Endanwender sollen über “etablierte Vertriebskanäle” verkauft werden, sagte Fischer. Das sind im Falle der ehemaligen IBM-Sparte der Fachhandel, Systemhäuser mit angebundenen Ladengeschäften und auch Fachhändler, die über das Internet vertreiben, so genannte Web-Seller. 2007 will der Hersteller nicht nur die Produktpalette sondern auch die Vertriebswege erweitern.

Damit sind wohl in erster Linie neue Lenovo-Stores gemeint. Derzeit unterhalten Systemhäuser 43 dieser speziellen Lenovo-Geschäfte. Bis zum Jahresende hofft Fischer, dass diese Zahl auf 100 anwachsen könnte. “Retailer werden wir im ersten Schritt ganz bewusst nicht angehen”, kommentiert Fischer. “Das würde alle konterkarieren, was wir in der Vergangenheit an Brand Awareness erreicht haben.” Lenovo-PCs sollen nicht an 17. oder 18. Stelle in einem langen Regal bei einem Einzelhändler verkauft werden, “im ersten Schritt jedenfalls nicht”, betont Fischer.

Nichts desto trotz will Lenovo auch an den Endkunden heran und baut daher kontinuierlich aber betont vorsichtig das so genannte ‘Transactional’-Segment aus. Denn im Endkunden- und Kleinunternehmens-Segement  werden für 2007 das größte Wachstum im PC-Markt erwartet, vor allem mit Laptops.

IBM war vor allem im Relationship-Markt, also bei großen Unternehmen und dem gehobenen Mittelstand zu Hause, wo feste Beziehungen zum Kunden an erster Stelle stehen. Dieser Markt aber sei nahezu gesättigt, erklärte Fischer, der dennoch Wachstum in allen Segmenten für 2007 voraussieht. Auch künftig wolle Lenovo dieses duale Geschäftsmodell von Transactional und Relationship-Kunden beibehalten.

Neue Produkte werden sich für das laufende Jahr wohl noch in neuen PC-Modellen erschöpfen. “Auch intern hören wir oft die Frage, wann kommen von Lenovo die Drucker, wann die PDAs, wann kommen Telefone und wann die Server”, erklärte Fischer auf Anfrage von silicon.de. “Aber diese Produkte auf die Marke jetzt aufzustülpen, würde sowohl die Marke als auch die Organisation überfordern.” Lenovo bietet zum Beispiel auf dem chinesischen Heimatmarkt bereits Drucker und Server. Natürlich erwäge das Unternehmen weltweit solche Produkte anzubieten, so Fischer. “2007 aber sicher noch nicht.”

Leonovo sieht sich derzeit in Phase zwei in einem Drei-Stufen-Plan. Die erste Phase sollte während der Übernahme einen kontinuierlichen Übergang sichern. An zweiter Stelle nennt Lenovo die Ziele “Innovation, Produktivität und Marken stärken und so die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen”, um dann in Phase drei profitables Wachstum anzustreben.

Zu den Inhalten aus Phase zwei könnten die nach wie vor unbestätigten Gerüchte passen, die derzeit über eine weitere Restrukturierung des Unternehmens verbreitet werden. Demnach wolle der drittgrößte PC-Hersteller der Welt 1000 Stellen abbauen, um weiter Kosten zu sparen. Die Mehrzahl dieser Arbeitsplätze soll in den USA abgebaut werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise. Aber auch China werde von der Restrukturierung betroffen sein. Einige der rationalisierten Mitarbeiter sollen in anderen Lenovo-Bereichen wieder angestellt werden, heißt es.

Kathleen Peters, bei Lenovo Marketing-Direktorin für Deutschland und Österreich, erklärte vor Journalisten in München, dass diese Gerüchte nicht von Lenovo in Umlauf gebracht wurden: “Wie immer in solchen Fällen, kommentieren wir diese Gerüchte nicht.”

Die Reuters-Quelle berichtet, dass diese Restrukturierung zwischen 50 und 75 Millionen Dollar kosten werde. Bereits vor einem Jahr hat Lenovo mit einem ähnlichen Plan, bei dem ebenfalls rund 1000 Mitarbeiter entlassen wurden, versucht, die laufenden Kosten jährlich um bis zu 175 Millionen Dollar zu senken. Damals rechtfertigte Lenovo den Stellenabbau mit einer strukturellen Neuausrichtung nach der 1,25 Milliarden Dollar schweren Übernahme der PC-Sparte von IBM. Als mittelfristiges Einsparungsziel nannte der Hersteller damals eine jährliche Kostensenkung von 250 Millionen Dollar. 

Die neuen Streichungen zeigen, wie hart der PC-Markt inzwischen umkämpft ist. Auch Geschäftsführer Fischer bestätigte, dass man als PC-Hersteller immer “unter Druck” sei. Das Gerücht könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass die Restrukturierung vom März 2006 noch nicht die gewünschten Effekte gebracht habe.

Die Übernahme von Lenovo wird bei Kunden offenbar immer noch skeptisch wahrgenommen. Verkäufe in den USA und in Japan gehen zurück. Deshalb ist der Hersteller mit neuen Märkten, Produkten und Vertriebswegen auch so zurückhaltend. Dennoch scheint die Börse die kolportierten Pläne gut zu heißen, denn der Kurs des chinesischen PC-Herstellers stieg auf die Nachricht hin um zwei Prozent.