IT-Planung im Falle einer Pandemie

Was hat Vogelgrippe mit Informationstechnologie zu tun? Für einen Konzern wie Roche, der in kürzester Zeit große Mengen von Medikamenten zur Bekämpfung der Krankheit liefern muss, hängt vieles davon ab.

Die Schockwellen bewegten sich im März 2006 rund um den Globus. Am Ende waren in 39 Ländern an Vogelgrippe verendete Haus- und Wildvögel registriert. Was keiner für möglich gehalten hatte: Sogar 186 Menschen waren mit dem gefährlichen H5N1-Virus infiziert, 105 von ihnen starben. Der Ausbruch der so genannten Vogelgrippe erfüllte alle von der World Health Organization (WHO) aufgestellten Kriterien einer sich anbahnenden Pandemie. Darunter versteht man den Länder übergreifenden oder sogar weltweiten Ausbruch einer Krankheit. Im Gegensatz zur Epidemie ist eine Pandemie weder zeitlich noch örtlich beschränkt. Letztendlich fehlte im Fall der Vogelgrippe nur der Faktor der “einfachen Übertragung von Mensch zu Mensch”, um die Pandemie in vollem Maße zum Ausbruch zu bringen.

Schnell wurden auch diesmal Fragen laut, wie man einer derart gefährlichen Pandemie Einhalt gebieten könne. Wichtig, darin sind sich alle Experten einig, ist die enge Zusammenarbeit internationaler Organisation wie der Vereinten Nationen oder der WHO mit den Regierungen der betroffenen Länder sowie den relevanten Vertretern der Pharmazeutischen Industrie. Dabei geht es vor allem um die Koordination der Planungen und einen vereinheitlichten und beschleunigten Entscheidungsprozess.

Das Schweizer Pharmaunternehmen Roche beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit der Definition von Aktivitäten, um eine Pandemie zu stoppen. Dabei nutzt der Hersteller des Anti-Grippe-Mittels Tamiflu IT-gestützte Szenarien, die aufzeigen, wie im Falle der Ausbreitung einer infektiösen Erkrankung die Produktion entsprechender Medikamente umgehend hochgefahren werden kann. “Dazu gehört die Koordination der Produktionsstätten genauso wie die eventuelle Vergabe von Lizenzen an Generika-Hersteller”, sagt Jennifer Allerton, CIO der Pharma-Sparte von Roche. Hohe Anforderungen bei der Verteilung von Medikamenten würden in diesem Zusammenhang auch an die Logistik gestellt.

Hierbei ist die Zeit der kritische Faktor. Unmittelbar nach dem Ausbruch einer Pandemie, bevor Impfstoffe erhältlich sind, kommt antiviralen Medikamenten wie Tamiflu eine wichtige Rolle zu. Denn diese können ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn sie rechtzeitig eingenommen werden. “Roche vertraut deshalb auf das Frühwarnsystem der WHO, die weltweit Informationen zu infektiösen Krankheiten sammelt und Internet-basiert zur Verfügung stellt”, erklärt Allerton. “Ergänzt werden die Daten zu einer möglichen Pandemie-Bedrohung durch eigene Analysen.”

Ausgefeilte Strategie für IT-Services

Die Roche Global Informatics ist der IT-Service-Anbieter innerhalb des Pharma-Konzerns. Das Tätigkeitsspektrum orientiert sich an der Wertschöpfungskette in der Pharma-Industrie. Es reicht von IT-Systemen für die Forschung und Entwicklung über die Unterstützung der Produkte-Teams, bis hin zum IT-Betrieb für die Produktion, das Marketing und Supportfunktionen, worunter Finanz- und Personalwesen subsummiert werden. Für all diese Unternehmensbereiche stellen die weltweit 2500 Mitarbeiter die IT-Infrastruktur mit rund 4000 Servern, etwa 2000 Applikationen und dem Reporting zur Verfügung. “Es gehört zu den vordringlichsten Aufgaben von Roche Global Informatics sicherzustellen, dass Informatik-Produkte weltweit verfügbar sind und den gesetzlichen Anforderungen der Länder, in denen Roche aktiv ist, entsprechen”, fasst  Jennifer Allerton den Auftrag zusammen.

Nach den Erfahrungen der raschen Ausbreitung der Vogelgrippe im vergangenen Jahr hat Roche auch für die IT-Services eine ausgefeilte Pandemie-Strategie entwickelt, um die Produktion von Medikamenten im Krisenfall sicherzustellen. Das betrifft Grippe-Medikamente ebenso wie andere lebenswichtige Arzneien von Roche, die regelmäßig eingenommen werden. Dabei wurden etwa 50 IT-Services identifiziert, die im Fall des Ausbruchs einer Pandemie ausfallsicher zur Verfügung stehen müssen. Über ein eigenes weltweites Netzwerk will der Konzern in der Lage sein, frühzeitig Informationen über das erhöhte Risiko für den Ausbruch einer Pandemie zu gewinnen. Innerhalb des Unternehmens gibt es klare Regeln, wie der Schutz der Mitarbeiter in den betroffenen Regionen sicherzustellen ist: Jede Roche-Filiale und auch der Basler Hauptsitz haben Pandemiepläne erarbeitet.