Lohnenswert? “Kostenlose” Open-Source-Anwendungen für Firmen

Werner Knoblich ist sich sicher: Linux ist langweilig geworden. Der Europachef des weltgrößten Distributors für quelloffene Betriebssysteme Red Hat meint dies nicht despektierlich, im Gegenteil.

“Ich denke, dass der Hype um Linux abgeflaut ist, was gut ist. Linux ist Mainstream geworden. Linux ist insofern langweilig geworden, als dass es im Enterprise angekommen ist.” Die regelmäßig guten Zahlen des Unternehmens unterstreichen diese Aussage. Und sogar die Europäische Kommission hat sich vor einem Jahr ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass Europa Open Source als Standortkomponente bevorzugt fördern soll. Gerade der öffentliche Sektor – also Behörden, Universitäten und Regierungen – sollten sich verstärkt mit dem Einsatz von ‘FLOSS’ (Free/Libre- and Open-Source-Software) beschäftigen.

So stellte dann auch vor einem Jahr eine Studie fest, dass der Einsatz von Open-Source-Software (OSS) zu teilweise erheblichen Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung führt. Auch IT-Unternehmen profitieren von ihren OSS-Aktivitäten. Die Studie war vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) durchgeführten worden. Sie wurde allerdings von den Open-Source-affinen Firmen IBM und Novell sowie der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) in Auftrag gegeben.

Also: Ist Open Source tatsächlich schon im Unternehmen angekommen? Zumal in kleinen und mittleren? Gespräche mit IT-Verantwortlichen aus mittelständischen Unternehmen zeichnen ein gegenteiliges Bild. Da kommt Open Source zumeist maximal als Betriebssystem für eine Handvoll Server zum Einsatz. Unternehmenskritische Anwendungen werden nach wie vor proprietären Lösungen überantwortet. CIOs, CEOs und nicht zuletzt CFOs haben offenbar stets die Worte von Christian Wernberg-Tougaard, Experte und Berater der EU für Open-Source-Software und Director of Marketing für Unisys in Kontinentaleuropa, im Ohr: “Aus meinem Heimatland Dänemark etwa kann ich Ihnen berichten, dass die öffentliche Verwaltung all ihre Desktops von Windows komplett auf OSS umstellen wollte. Das Argument lautete: Wir sparen uns die Lizenzkosten! Das ist allerdings genau das, was ich das ‘Black-Hole-TCO-Argument’ nenne. Denn man übersieht dabei gerne, welche Kosten noch an dieser ‘kleinen’ Umstellung hängen.”

Im Falle Dänemarks hatte das dramatische Folgen: “Nun mussten Linux und Open Office natürlich in die bestehende Legacy eingebunden werden. Das Problem war, dass die Makros aller Dokumente Microsoft unterstützten. In der Folge mussten alle Macroscripts geändert werden. Ein Heidenaufwand! Man kann also nicht ohne weiteres eine proprietäre Komponente gegen eine OSS-Komponente austauschen. Kurzzeitige Kostenvorteile können von langfristigen Kostennachteilen überschattet werden.”

Lohnt also der Einsatz von OSS? Sparen Unternehmen durch den Einsatz von OSS bares Geld? Diese Frage stellten wir unter anderem Lyn Robison, Analyst der Burton Group. Er erklärte: “OSS ist wie ein kleiner Hund: Man erhält ihn in der Regel umsonst, er macht aber jede Menge Arbeit und frisst einen möglicherweise die Haare vom Kopf.” In anderen Worten: “Lizenzkosten sind nur eine Komponente – im Fall von OSS tendiert diese Komponente natürlich gegen Null. Aber man muss sich immer fragen: Wie gut passt die ‘kostenlose’ Software in das Unternehmen? Wenn viele Anpassungen nötig sind, wird aus ‘kostenlos’ schnell ‘kostenintensiv’. Auch muss überprüft werden, wie lebendig die Community ist, die hinter der OSS steht. Kann sie das Unternehmen mit einem gewissen Support versorgen? Gibt es vielleicht einen kommerziellen Anbieter, der den Support übernehmen kann – was übrigens stets für die Qualität der jeweilige OSS spricht? Da bleibt nichts anderes übrig, als den Einsatz von OSS von Fall zu Fall abzuwägen.”

Die auf dem Markt offerierten Lösungen variieren zudem stark dadurch, wie Updates verfügbar gemacht werden und wie einfach sie einspielbar sind. Unternehmen sollten dem beauftragten Dienstleister deshalb genau auf den Zahn fühlen, ob dieser in standardisierter Form gängige Szenarien implementiert und diese vom Hersteller mit eindeutig nachvollziehbaren Supportfunktionen versehen sind. Komplexere Umgebungen mit mehr als einem Server sollten noch administrierbar sein, denn in der Regel betreiben auch kleine Unternehmen mehr als ein Serversystem.

In welchen Zweigen des Unternehmens lohnt also der Einsatz? Soll man den Support durch den Distributor oder durch ein etabliertes Softwarehaus vornehmen lassen? silicon.de nennt im Folgenden die Bereiche, in denen das Wappentier der quelloffenen Gemeinde, der Pinguin, lustigen Fußes ins Unternehmen marschieren kann – und wo die Reise der Pinguine ein langer Marsch zu werden verspricht.