Microsofts Interoparabilitäts-Versprechen: Skepsis überwiegt

Microsoft setzt auf Interoperabilität. Diese Mitteilung machte der weltgrößte Softwarekonzern Ende vergangener Woche – und sorgte damit für Furore. Freund und Feind meldeten sich zu Wort. Deutsche Firmen und die EU wollen zunächst die Umsetzung des Versprechens abwarten. Klar ist: Niemand traut Microsoft. silicon.de hat die Stimmen gesammelt.

Microsoft kündigte an, viele Dokumentationen der Kommunikationsprotokolle zu veröffentlichen. Damit soll es Dritten erleichtert werden, eigene Anwendungen einfacher mit Microsoft-Produkten zu verknüpfen. Externe Entwickler sollen ab Juni Zugang zu dem gleichen Programmierungs-Interface (APIs) erhalten, die auch die Microsoft-Ingenieure nutzen. “Das ist auch ein strategischer Wandel in der Sicht unserer Ingenieure auf ihren Job”, erklärte Microsofts oberster Software-Architekt Ray Ozzie. Die Mitteilung bezieht sich auf folgende Kernprodukte des Unternehmens: Windows Vista inclusive dem .NET Framework, Windows Server 2008, SQL Server 2008, Office 2007, Exchange Server 2007 and Office SharePoint Server 2007 – inclusive aller zukünfigen Versionen.

Zudem hat Microsoft versprochen, Open-Source-Programmierern, die nichtkommerzielle Software auf der Basis von Microsofts Protokollen entwickeln, nicht zu verklagen. Kommerzielle Unternehmen müssten aber Microsofts patentierte Technologie lizenzieren.

Beobachter vermuteten sofort, dass die genannten Schritte Microsoft helfen sollen, Auflagen des Europäischen Gerichtshofs gerecht zu werden. Die EU-Kommission antworte in einer ersten Stellungnahme allerdings sehr zurückhaltend auf die Ankündigungen aus Redmond. Dies kritisierte Laurent Lachal, Senior Analyst bei Ovum, umgehend: “Der ‘haben-wir-schon-alles-mal-gehört’-Ton der Europäischen Kommission ist unangebracht. Microsoft drehe hier an einem großen Rad, dass der gesamten IT-Branche neuen Schwung geben könnte.”

Doch die Skepsis überwiegt weiterhin in den Kommentaren. Zu oft hat sich Microsoft als sehr hartleibig im Umgang mit seinen Wettbewerbern erwiesen. “Die Welt braucht ein dauerhaft anderes Verhalten von Microsoft, keine weitere Ankündigung”, erklärte etwa der Branchenverband ECIS, eine Vereinigung der Microsoft-Konkurrenten.

“Das heutige Announcement ändert nichts daran, dass Microsoft sehr erfolgreich dafür gesorgt hat, dass bei wachsenden Bedürfnissen an eine von Microsoft gekaufte Lösung nur eines hilft: Mehr Geld an Microsoft überweisen”, kommentierte denn auch Juergen Geck, CTO des Nürnberger Open-Source-Spezialisten Open-Xchange. Nichts desto weniger muss auch er anerkennen: “Für Open-Xchange und aus unserer Sicht für den ganzen Software-Markt sind das gute Nachrichten. Jedes Mehr an Offenheit von Microsoft erspart uns und unseren Kunden und Partnern unnötige, frustrierende und teure Mehrarbeit bei der Integration und Migration von und mit Microsoft-Produkten. Wie weit Microsoft gehen wird bleibt natürlich abzuwarten, aber schon die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Microsoft und Novell lässt vermuten, dass es sich diesmal um keine Finte handelt.”

Und tatsächlich äußerte sich Novell in einem Blog des Chief Marketing Officers John Dragoon tendenziell erfreut. Man habe mit Microsoft in Sachen Interoparabilität gute Erfahrungen gemacht, die Chancen auf eine Fortsetzung dieses Kurses stünden gut.

Nun gilt Novell seit seinem im Herbst 2006 geschlossenen Pakt mit Microsoft als Freund des Redmonder Riesens. Andere Open-Source-Firmen sind in Ihren Statements weitaus vorsichtiger. Matt Asay, Vice President Business Development beim Open-Source-Anbieter Alfresco, etwa sagte:”Wir freuen uns darauf, das von Microsoft gegebene Versprechen der Datenportierbarkeit mit einer Alfresco-Sharepoint-Integration auf die Probe zu stellen.”

Der neue Microsoft-Kurs kommt – wie angesprochen – nicht von ungefähr: Erst im Oktober 2007 hatte der europäische Gerichtshof in einem Berufungsverfahren die Rechtmäßigkeit früherer Sanktionen gegen den Konzern – darunter ein Bußgeld von knapp 500 Millionen Euro – ohne Einschränkungen bestätigt.

Die neuste Wettbewerbsbeschwerde in der EU wurde vom norwegischen Browser-Herstellers Opera lanciert. Die Firma hat Microsoft Anfang des Jahres beschuldigt, den Internet Explorer in unzulässiger Weise mit dem Betriebssystem Windows gekoppelt zu haben. Auch der Branchenverband ECIS forderte vor der EU Informationen über Schnittstellen ein, deren Herausgabe von Microsoft bislang verweigert wurden. Das jüngste Statement von Ozzie muss wohl als Reaktion darauf verstanden werden.

Auch die US-Behörden haben den Softwarekonzern auf dem Radar – wenngleich sie ihn weitaus sanfter anfassen als die europäischen Kollegen. Ein US-Bundesgericht hat im Januar wegen Verzögerungen bei der Umsetzung der Kartellauflagen entschieden, dass Microsoft noch weitere zwei Jahre der staatlichen Überwachung untersteht.