Droht in Deutschland eine “Stromlücke”?

Kommt es in Deutschland zu Engpässen in der Stromversorgung? Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt. silicon.de hat nachgefragt, wie IT-Unternehmen die Lage beurteilen. Die Einschätzungen fielen sehr unterschiedlich aus.

Grundsätzlich sei es wichtig und richtig, dass diese Diskussion geführt werde, sagte eine Sprecherin von Cisco Deutschland. “Mit der seit einiger Zeit zunehmenden dezentralen Einspeisung erneuerbarer Energien ist das herkömmliche Stromnetz nicht mehr vollständig zu kontrollieren. Gleichzeitig wächst der Strombedarf in den Haushalten.” Eine Lösung für diese Herausforderung sei die rasche Digitalisierung des Stromnetzes – “wir nennen das Smart Grid”.

Ob Deutschland eine Stromlücke drohe, könnten eher die Energieversorger, staatliche Stellen oder Energieexperten vorhersagen, teilte HP Deutschland mit.

“Die Debatte ist für IBM sehr wichtig”, sagte Detlef Schumann, Energieexperte bei IBM Global Business Services. Am Szenario einer Energielücke sei durchaus etwas dran, die Gleichung zwischen dem Angebot und der Nachfrage stimme nicht mehr. “Wir werden eine Stromlücke bekommen.” Die Frage sei jedoch, ob die Verbraucher davon überhaupt etwas merken, da der fehlende Strom eventuell im Ausland zugekauft werde.

IBM sei mit den Energieversorgern im Gespräch. “Wir glauben, dass moderne ITK-Lösungen dabei helfen können, Energie zu sparen – auf der Ebene der Verbraucher und auf der Ebene der Netze”. So könnten in den Privathaushalten etwa “intelligente Zähler” installiert werden. Zudem nehme IBM am Wettbewerb E-Energy des Wirtschaftsministeriums teil.

Wie IBM, so propagiert auch Sun Deutschland das Energiesparen. “Wir halten die Angst vor Stromabschaltungen in Deutschland für überzogen”, sagte Sun-Sprecher Harald Gessner. Gerade die IT-Industrie setze alles daran, den Energieaufwand im Rechenzentrum stetig zu reduzieren. So produziere Sun seit 2005 stromsparende Server. Gessner: “Wir glauben nicht, dass Stromabschaltungen vorkommen werden. Jedes gut durchdachte Rechenzentrum hat heute Notlösungen bereit, um Ausfälle überbrücken zu können.”

Wie beurteilen die Betreiber der Rechenzentren die Lage? “Die Debatte ist für uns aus verschiedenen Gesichtspunkten essentiell”, sagte Peter Knapp, Geschäftsführer von Interxion Deutschland, einem Betreiber von Hochsicherheits-Rechenzentren. “Die Energieversorger müssen – neben allen Bestrebungen zu mehr Energieeffizienz – auf den Technologiewandel und das Verbraucherverhalten reagieren, um Unternehmen und Privathaushalten künftig ausreichend Strom zur Verfügung zu stellen.”

Zudem sorge eine Knappheit von Energieressourcen für höhere Preise. “Dies dürfte zwar im Interesse der Energieversorger liegen, wird sich jedoch nachteilig auf alle Abnehmer und somit auch auf Interxion auswirken. Wenn wir den Strom in Deutschland nicht selbst produzieren können, dann müssen wir – sofern die Netzkapazität es zulässt – den Strom im Ausland kaufen und machen uns damit noch abhängiger.”

Knapp: “Zumindest bei energieintensiven Unternehmen gibt es heute schon Stromlücken, denn aufgrund einer hohen Netzauslastung können an verschiedenen Standorten keine zusätzlichen Kapazitäten mehr zur Verfügung gestellt werden. Wir kennen Marktteilnehmer, die aufgrund mangelnder Stromkapazitäten nicht mehr expandieren können.”