Droht in Deutschland eine “Stromlücke”?

Vor einer Stromknappheit warnte die Deutsche Energie-Agentur (DENA) – eine Gesellschaft, an der die Bundesrepublik Deutschland zu 50 Prozent beteiligt ist. “Bis zum Jahr 2020 bekommen wir in Deutschland ein großes Problem, wenn nicht neue, hocheffiziente Kraftwerke auf Kohle- und Erdgasbasis gebaut werden”, sagte Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler der Berliner Zeitung.

Etwa 12.000 Megawatt Erzeugungskapazität fehlten bis dahin – das sei die Leistung von rund 15 großen Kraftwerksblöcken auf Erdgas- oder Kohlebasis. In den nächsten zwei, drei Jahren müssten Investitionsentscheidungen fallen, sonst bestehe die Gefahr einer “Stromlücke”.

Die DENA-Argumente wurden von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) aufgegriffen. In vier Jahren drohten eine “Energielücke” und “Stromabschaltungen”, sollten nicht bald die Investitionen in neue Netze und in Kraftwerke erfolgen, sagte er der Wirtschaftswoche.

Glos bezweifelte zudem ein Gutachten des Umweltbundesamtes (UBA), das die Energieversorgung als sicher einstufte. Die Qualität der Energieversorgung durch das UBA begutachten zu lassen, sei nicht sachgerecht.

Der Minister kritisierte weiterhin die Stromkonzerne. “Ich kann mich gut erinnern, dass die deutsche Energieversorgungswirtschaft beim Energiegipfel 2006 Investitionen in neue Kraftwerke und Netze bis 2012 von über 30 Milliarden Euro zugesagt hat. Und ich weiß, dass noch sehr viele Investitionen auf Eis liegen.”

Das UBA zog derweil die Angaben der DENA in Zweifel. Eine “Stromlücke” sei nicht zu erwarten, sagte UBA-Präsident Andreas Troge dem Handelsblatt.

Ob eine Stromlücke droht oder nicht, kann die IT-Unternehmen nicht kaltlassen. Nach Angaben des Umweltministeriums verbrauchten allein die rund 50.000 deutschen Rechenzentren im Jahr 2006 etwa 8,67 Terawattstunden Strom.

Ein Unternehmen mit 1000 laufenden Prozessoren benötigt demnach im Jahr rund 6000 Megawattstunden Strom. Das sei etwa soviel wie 200 Familienhaushalte, hieß es. Der auf die ITK-Branche entfallende Strombedarf liege bei rund acht Prozent des Stromkonsums aller Endverbraucher.

silicon.de hat in der Branche nachgefragt, wie die Debatte um eine drohende Stromlücke bewertet wird und wie sich IT-Unternehmen gegen mögliche Stromabschaltungen wappnen. Mit unterschiedlichen Ergebnissen: Cisco hält die Debatte für wichtig, HP wollte die Wertung lieber anderen überlassen, IBM sieht die Befürchtungen als berechtigt an und Sun hält die Angst vor Stromabschaltungen für überzogen.

“Wir diskutieren das Thema Energie- und Energieversorgung schon seit langem”, sagte Harald A. Summa, Geschäftsführer des eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. “Fakt ist, dass das Internet ohne Strom nicht funktionieren wird. Sowohl Provider als auch Hoster, aber auch jeder Anwender von IT wird von Stromausfällen betroffen sein. Dass damit auch gelebt werden kann, weiß jeder, der schon mal in Silicon Valley gearbeitet hat. Aber für Deutschland würde es einen ungewöhnlichen Zustand bedeuten, der nicht alleine mit USV oder sonstigen Notstromaggregaten abgefangen werden kann.”

Aus der Sicht des eco-Verbandes sei die Lage aber noch entspannt – trotz des hohen Energiebedarfs der Branche. “Problematisch sind eher die Energiekosten, die Provider und Hoster nur zu einem geringen Teil an die Kunden weiterberechnen können, so dass sie in der Vergangenheit vernachlässigbar waren. Das hat sich dramatisch geändert.”

Wie man sich auf Stromabschaltungen vorbereite, müsse jedes Unternehmen selbst entscheiden. “Die professionellen Data Center und Provider haben durchweg USV und Notstromversorgungen, so dass ein Stromausfall für kurze Zeit kein Problem darstellen wird. Reden wir von Stromabschaltungen über längere Zeiträume, dann wird das für die Unternehmen existenzielle Folgen haben, auf die sich der Einzelne aber nicht vorbereiten kann.”

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Silicon-Redaktion

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  • Stromlücke
    Das ist wieder ein Paradebeispiel für gelungene Lobbyarbeit.
    Die ganze Schwarzmalerei dient nur dazu, Angst zu erzeugen und noch höhere Preise durchzusetzen.
    Es müsste doch den Herrschaften in Bonn auch bekannt sein, daß bereits heute regenerative, sowie Wind- und Solarenergie die Versorgung (auch die Spitzen) sicher stellen können. Und das wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich verbessern.
    Und dann - und das sollte gerade für Unternehmen interessant sein - ist zum einen das Stromsparen nocht nicht bei Allen angekommen und zum anderen gibt es ja noch die Möglichkeit einer dezentralen Energieversorgung, die dann auf die tatsächlichen Bedürfnisse abgestellt werden kann (siehe Sendung ZDF - Umwelt vom sonntag, 20.4.08).
    Aber bis das bei unserem "kompetenten" Wirtschaftsminister angekommen ist. Jo mai.

  • Plausibilitätsrechnung
    Wie viel Strom verbraucht ein Unternehmen mit 1000 laufenden Prozessoren? Im Artikel werden 6000 MWh/Jahr genannt. Das sind (7/24 Betrieb angenommen) 680 Watt pro Prozessor. Wo soll dieser massive Verbrauch herkommen? Realistisch ist maximal 250W (bei 100% Auslastung, was selbst schon unrealistisch ist), in Zukunft weniger. Hier werden wieder einmal Zahlen vermischt, die nichts miteinander zu tun haben (Vielleicht ist der Stromverbrauch des gesamten Unternehmens (also mit Produktion etc) gemeint, dann hat diese Zahl nichts in dem Artikel zu suchen).

  • GF IT
    Dummerweise verbraucht aber in einem Rechner nicht nur der Hauptprozessor Energie, sondern auch Graphikprozessoren, Netzwerkkarten, Festplatten, ... In der Summe scheint mir also die Berechnung gar nicht so unwahrscheinlich. Ich werde mich jedenfalls mal daran begeben, das für unser Unternehmen nachzurechnen.

    Ob eine Lücke besteht ist nur für Kenner des ganzen Systems ermittelbar. Das staunende Publikum hier lobbymässig zu bearbeiten ist unredlich.

    Wohler fühlen würde ich mich, wenn ich den Eindruck hätte der Wirtschaftsminister wüsste wovon er redet. Bei anderen Gelegenheiten, deren Faktenlage ich beurteilen kann, vermittelte er leider den gegenteiligen Eindruck.

    Armes Deutschland ...

  • Was heist hier Lücke?
    Ergänzend zu Winfried am Anfang sei gesagt, daß durch das marode Netz der "Versorger" der Strom welcher im Norden erzeugt wird, nicht abgenommen wird, da die Kapazitäten erschöpft sind, Überproduktionen aber locker in das Ausland verkauft werden...nur nicht die aus dem Norden, da wird systematisch versucht, die Windmüller in den Ruin zu treiben, was kann man anderes denken?!

  • Die Renten sind sicher
    .. hieß es vor gar nicht so lange Zeit. Heute weiß man, dass sie es sind - auf niedrigem und fallendem Niveau.

    Die Energieversogung ist sicher, heißt es seit einiger Zeit, trotz rückläufiger Kraftwerksresourcen und steigendem Bedarf. Aber wir haben ja was Alternatives, Regeneratives - und Naives. Der erste Autor Winfried hat es wirklich geschafft, die Sache auf den Punkt zu bringen: nicht nur regenerativ, sondern zusätzlich noch Wind und Sonne, was will man mehr? Und das wird alles in Bonn produziert. Und allein damit kann mit den Industriestandort Deutschland vollständig mit Energie versorgen.

    Da haben die Ökokraten auf ihrem Rückflug von Mallorca wirklich ganze Überzeugungsarbeit geleistet. Träumer allenthalben, die nicht zwei und zwei zusammenrechnen können. Die Grünen in Hamburg betrachten es als Fortschritt, statt Kohle Gas zu verfeuern, und wenn wir Strom brauchen, können wir ihn ja immer noch aus russischen oder französichen Atomkraftwerken kaufen.

    Im Sommer wurden für ein paar Tage Atomkraftwerke mangels KÜhlwasser abgestellt, was Gabriel veranlasste, gegen die unzuverlässige Atomenergie zu polemisieren. Dass aber Windkraftwerke nicht mal die Hälfte der Zeit arbeiten, weil entweder zu viel oder zu wenig Wind ist, und dass sie selbst wenn sie arbeiten nur schlechte, weil ungleichmäßge Energie erzeugen, weiß unser Umweltminister natürlich nicht, der in seinem Leben nur zwei Dinge erfolgreich gemacht hat: Currywurst gegessen und seine Fahne in den Wind gehängt.

    Bei so vielen Träumern mag man nur zitieren: Träum ich von Deutschland in der Nacht, wär ich lieber aufgewacht!

  • Plausibilitätsrechnung: Klimatisierung nicht vergessen !
    Bei der Plausibilitätsrechnung sollte nicht nur der Stombedarf der Prozessoren aufaddiert werden - dieser Strom wird ja fast ausschließlich in Wärme umgesetzt, die dann per Klimatisierung aus dem RZ geschafft werden muß. Der Energiebedarf zur Kühlung des RZ ist leider höher als die eigentliche "Heizleistung" der vielen Prozessoren. Insgesamt scheinen die Abschätzungen also doch nicht so ganz daneben zu liegen ...

  • Monsignore
    Warum wird hier eigentlich schon wieder über die prähistorischen Kohlewerke fabuliert ? Kommt endlich zur Vernunft und macht Atomstrom.

  • Stromlücke
    Wenn sie denn kommt, die Stromlücke, das Bier warm und die Fernseher aus bleiben, dann werden in diesem Land wieder Wahlen gewonnen mit dem Versprechen, die Stromversorgung sicherzustellen. Natürlich werden diese Versprechen dann zunächst, wie üblich, nicht gehalten. Aber irgendwann kommt dann einer und hält sie, mit Atomstrom. Und dafür werden wir ihm die Füße küssen, weil das Bier wieder kalt und die Fernseher wieder an sind. Fazit: Kommt die Stromlücke, dann kommt auch 20 Jahre später der Atomstrom. Dazwischen: gute Nacht.

  • Mehr Sachlichkeit, bitte ...
    Anstatt je nach ideologischer Grundeinstellung für oder gegen bestimmte Arten der Stromerzeugung zu polemisieren, wäre eigentlich ein Konsens darüber angebracht dass der Stromverbrauch der IT möglichst niedrig gehalten werden sollte - und sei es auch nur aus Kostengründen ...

    Hier ist durchaus auch eine etwas kritische Selbstreflektion seitens der IT-Schaffenden angesagt. Die technische Entwicklung hat die Leistungsfähigkeit der CPUs ins beinahe Aberwitzige gesteigert, aber was tun wir mit den vielen Maschinenzyklen ? Wir verbraten sie häufig für irgendwelche "Bells and Whistles" die zwar gerade modern sind aber kaum jemandem echten Nutzen bringen. Auch eine Verbesserung der Responsezeiten für den Endbenutzer ist nicht in jedem Fall gegeben ...

    Vom Standpunkt der Effizienz her betrachtet sind Uraltprogramme den heutigen Konstrukten meist haushoch überlegen. Ob man nun wirklich in jedem Fall bestehende und oft gut bewährte Anwendungssysteme durch hochkomplexe Serverfarmen mit noch komplexeren Softwarekonglomeraten ablösen sollte, nur weil deren GUI's so schön farbig blinken ? Und ist es wirklich so unzumutbar, statt in Java auch mal in C / C++ zu programmieren ?

    Wünschenswert wäre ein Benchmark, welcher aufzeigt wieviele Wattsekunden für eine bestimmte Geschäftstransaktion verbraucht werden. So manche schicke neue Implementierung sähe dann auf einmal recht alt aus ...

    Viele Entwickler sind sehr umweltbewußt und würden sich bespielsweise keinen spritfressenden Geländewagen kaufen. Warum nicht auch an eine effizientere IT denken ? Jeder Server weniger hilft der Umwelt - und richtig verstandenes SOA ermöglicht es, alte und neue Funktionalitäten sinnvoll miteinander zu verbinden.

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