Warum IBM an Lenovo verkauft hat

Eine scheinbar zweitrangige Meldung über eine neue Forschungsinitiative IBMs in Indien könnte der Schlüssel für die Frage sein, warum IBM die PC-Sparte verkauft hat und welche langfristigen Motive hinter dieser Entscheidung standen.

Eine andere Komponente sind offene Standards, denen sich IBM mehr und mehr verschreibt. Wie IBM-Sprecher Hans-Jürgen Rehm erklärt, habe IBM vor einigen Jahren erkannt, dass man mit proprietären Systemen an Grenzen stößt. Gerade im mobilen Bereich sind jedoch offene Standards unerlässlich und bei mobilen Anwendungen von morgen wird dem ‘Browser’, der verschiedene Schnittstellen, Geräte oder Plattformen unterstützt eine ganz zentrale Rolle zukommen.

“Es gibt eine ganze Reihe von Forschungen bei IBM, die sich mit dem Thema Mobilität beschäftigen”, bestätigt Rehm. Eines dieser Forschungsprojekte nennt sich SoulPad. Um das Projekt ist seit 2005 etwas still geworden und bislang steht auch kein Produkt dahinter. Aber es zeigt, wohin im Prinzip die Reise gehen könnte: SoulPad separiert den eigentlichen Inhalt – die Daten – von allen physikalischen Elementen wie Tastatur, Festplatte, Bildschirm oder Prozessor. Es ist im Prinzip ein großer USB-Stick, auf dem – vergleichbar mit VMware ACE – Daten, Einstellungen und ein Arbeitsplatz auf einem virtuellen Desktop bereit gestellt werden.

“IBMs Planungsgrundlage ist die Annahme, dass zunehmend Nutzer zwar auf ihre Daten zugreifen, aber keinen vollständigen PC mit sich führen wollen”, vermutet Spieß. Das Kommunikationsinstrument der Wahl werde ohnehin mehr und mehr das Mobiltelefon. Somit mache auch die Kooperation mit Vodafone und BuddyComm Sinn. Sie soll Social Networking “any time, any place” ermöglichen.

Weiter sind in der initialen Phase Gesundheitsservices und ein ‘Universal Mobile Translator’ geplant, um online Sprachübersetzungen zu ermöglichen. IBM hat dazu mit der US-Army im Golfkrieg bereits Erfahrungen sammeln können. Daneben forscht IBM an Technologien für Lokation Based Services.

IBM hat weitere Trümpfe im Poker um den Zukunftsmarkt im Ärmel: den Cell-Prozessor mit dem POWER-Kernel, der Massenmarkt geeignet ist sowie weltweite Datennetze und Computing-Center, die allesamt SaaS-fähig sind, also Software als einen Web-Dienst ausliefern können.

IBM hat die Innovation und Intellectual Property zu den primären Differenzierungscharakteristiken erklärt. Damit setzt sich Big Blue vom Wettbewerb ab. Spieß sieht zudem neue Kooperationen und Übernahmen.

Für Spieß macht IBM das Richtige zum richtigen Zeitpunkt, aber es wird dabei einen Verlierer geben: “Microsoft wird dieser Schritt von IBM hart treffen. Eine Erklärung des Branchenprimus, dass der PC nicht mehr das Zentrum von Innovation ist, ist gerade auch nach Microsofts Abkehr von der Yahoo-Übernahme umso schwerwiegender”.

Wer dieser Entwicklung allerding gelassen entgegen sieht, ist der Käufer der IBM-PC-Sparte. “Wir glauben an die weitere Integration von Technologie und Infrastruktur, jedoch nicht an den Niedergang des PC”, erklärt Marc Fischer, Geschäftsführer Lenovo Deutschland. “Denn der PC oder das Notebook werden immer der persönliche Begleiter der professionellen und privaten Nutzer sein. Diese Computer werden jedoch immer kleiner und mobiler.”