BPM gegen gestörtes Business-Verhalten

IDS Scheer, Softwareanbieter aus Saarbrücken, bekämpft seit Jahrzehnten gedankenloses Business. Dagegen hilft Business Process Management. Damit sollen Anwender viel besser verstehen was sie tun müssen, um besser zu werden, wo die Fehler liegen und wie man sie beseitigt. Ein Wundermittel? Keineswegs, antwortet Dr. Helge Heß. Das ist harte Arbeit.

silicon.de: Spielen Sie auf die Wiederverwertbarkeit an?

Heß: Das ist ein altes, aber immer aktuelles Thema. Wir bei IDS Scheer beschäftigen uns von Anfang an damit. Denn die Kunden haben schon früh gefragt, ob bestimmte Vorgänge, etwa bei einer Bank, nicht schon als Quasi-Standards verfügbar sind, statt sie immer wieder auf der grünen Wiese neu zu beschreiben. Den Wunsch gab es schon immer. In den 90er-Jahren hatten wir dazu so etwa zwölf Referenzmodelle im Angebot. Die Kunden erhielten ein branchenspezifisches Modell und passten dies an. Die Illusion, man kaufe ein Modell und die Arbeit sei erledigt damit, mussten unsere Mitarbeiter allerdings auch hier bekämpfen.

Bei SOA geht es eher um Wiederverwendung im Kleinen, das heißt die Objekte der Wiederverwendung sind modularer geworden. Um im Bild zu bleiben: Es geht bei SOA zunächst nicht mehr um die gesamte Bank, sondern um einzelne Services wie etwa die Kontoeröffnung oder Schufa-Auskunft, die man wiederverwenden möchte. Es geht als darum, Applikationen aus einzelnen Services zu konstruieren – der Prozess dient dabei als Klammer für diese Composition. Offen bleibt die Frage, ob dies tatsächlich Services ganz unterschiedlicher Anbieter sein werden bzw. wie diese Services untereinander abgestimmt sein müssen.

Man kann gespannt sein, ob dies erfolgreicher sein wird als die Wiederverwendung „im Großen“, also Referenzmodelle, die sich nicht in der gewünschten Weise durchsetzen konnten. Es macht aber keinen Sinn, über die Wiederverwendung von Prozessen zu reden, wenn der Anwender sein Unternehmen nicht kennt und die Prozesse im eigenen Hause nicht versteht. Jemand, der SOA aufbauen will, kommt gar nicht umhin, die Kernprozesse des Unternehmens zu identifizieren und zu verstehen. Erst dann kommt die Diskussion, welche Services für welche Prozessabschnitte verwendet werden. Für uns als IDS Scheer kommt der SOA-Trend wie gerufen, weil wir uns aus unserer Geschichte heraus immer schon damit beschäftigt haben, wie IT und Business ineinander greifen – das ist genau der Knackpunkt beim SOA-Thema.

silicon.de: Der Gartner-Analyst Marc Kerremans sagte gerade in einer Session hier auf der Aris Process World 2008, dass in jedem Unternehmen nur 10 Prozent der Prozesse verdienen, genauer angefasst, auseinandergenommen und analysiert zu werden. Dass aber trotzdem alle Prozesse bekannt sein müssten. Würden Sie das unterschreiben?

Heß: Wir würden sicherlich d’accord gehen mit der Ansicht, dass nicht alles bis ins kleinste Detail dokumentiert und aufgeschrieben werden muss. Wenn ein Kunde zwei Jahre lang dokumentiert, gemessen und geschrieben hat, was am Ende keinen interessiert, dann hat dies oft mit unklaren Zielen zu Projektstart zu tun. Und auch das gibt es. Unser Ansatz ist der, zu sagen: Verstehe dein Unternehmen insgesamt sehr schnell und werde dir über die Prozesse, die dort ablaufen klar. Vielleicht indem du eine Prozesslandkarte modellierst. Und dann schau nach deinen Kernprozessen, also dort, wo es sich wirklich lohnt, sich anzustrengen. Hier wird es spannend, hier gibt es Antwort auf die Frage, was den Umsatz bringt, oder wo die Position im Markt im Vergleich zum Wettbewerb abgegrenzt wird. Auch hierfür bieten wir eine Methodologie an, das ARIS Value Engineering, das ist eine Methode für die Identifikation genau dieser Schritte.