Dem Chip ins Herz geschaut

Die Fertigung von mikroelektronischen Systemen ist ein hartes Business, zumindest für die Elektronik selbst. Eine Stressmessung des Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) minimiert Ausschuss in der Elektronikfertigung.

Chips mit mikrometerkleinen Strukturen werden beim Verkapseln mit Drücken über 100 kg/cm² beaufschlagt und bei der Lötmontage Temperaturschwankungen von mehreren Hundert Grad Celsius ausgesetzt. In fünf bis zehn Prozent führt nicht selten allein der Fertigungsprozess dazu, dass trotz einwandfreier Bauteile einzelne Systemkomponenten durch Dehnungen zu stark belastet werden und folglich ausfallen. Große Elektronikzulieferer wie Bosch suchen daher seit Jahren nach einem Messsystem, das die mechanische Belastung von Mikrosystemen online erfassen kann. In dem BMBF-Verbundprojekt ‘iForceSens’ ist ein solches System entwickelt worden. Es handelt sich dabei um einen Stressmesschip, der sich aufgrund seiner geringen Maße von weniger als 5 mm² unaufwändig in bestehende Fertigungsprozesse integrieren lässt und somit sämtliche Produktionsschritte bewertet. Dieser wird dabei entweder als Flip Chip oder Drahtbond-Variante anstelle des zu untersuchenden Bauteils oder in dessen Nähe platziert.

“Auf diese Weise können Elektronikproduzenten erstmals die Frage beantworten, mit welchen Einstellungen und Verarbeitungsparametern sich ein System zuverlässig und unter minimalen Spannungen produzieren lässt”, skizziert Thomas Schreier-Alt das Potenzial des Projekts. Zusammen mit Katrin Unterhofer erforscht der promovierte Mikromechatronik-Experte am Fraunhofer IZM die Wechselwirkungen von Elektronik in ihrer Fertigungs- und Anwendungsumgebung und deren Einfluss auf die Systemzuverlässigkeit.

Fraunhofer IZM
Elektrisches Layout einer Stresssensor-Variante
Foto: Fraunhofer IZM

Um insbesondere die Stressverteilung innerhalb eines Bauteils berechnen zu können, wurden bis zu 67 Sensorzellen über die gesamte Detektorchipfläche verteilt, die für eine ortsaufgelöste Messung sorgen. Da das Chipdesign außerdem überaus vielfältig gestaltet wurde, ist es möglich, unterschiedlichste Prozesse der Mikroelektronik-Fertigung zu charakterisieren, zum Beispiel das Aufkleben von Bauteilen, die Kunststoff-Verkapselung mit Duroplasten oder im Thermoplast-Spritzguss. Der Stressmesschip, der über ein spezielles Steuergerät ausgelesen wird, verfügt trotz der relativ hohen Zahl an Messzellen über lediglich vier Anschlüsse und passt dadurch auch in kleine Gehäuse mit nur wenigen Kontakten.

Vor allem die Fertigungsindustrie dürfte diese Entwicklung freuen, denn erstmals lassen sich Prozesse nicht nur vorab simulieren, sondern auf die tatsächlich auftretenden Kraftgefüge abstimmen, etwa beim Dünnen von Wafern. Die meist durch Abschleifen erzeugten Schichten sind enormen thermomechanischen Belastungen ausgesetzt, die häufig zu Strukturdefekten an der Oberfläche der empfindlichen Halbleiter führen. Auch beim Einbetten sehr dünner Chips in Leiterplatten oder polymere Schaltungsträger treten während des Laminierens und Bedruckens Belastungen auf, die sich durch einen Stressmesschip besser dosieren lassen.
“Für Zuverlässigkeitstests in sensiblen Elektronikbereichen wie der Luft- und Raumfahrt oder der Automobilindustrie bietet ein solches Detektionssystem völlig neue Möglichkeiten”, so Schreier-Alt: “Wo bislang mit Simulationen und aufwändigen Versuchsaufbauten die Fertigungsprozesse nachgebildet wurden, verrät die neue Stressmessung nun, wie es im Chip wirklich aussieht.”