Audrey und das Rätsel der verschwundenen IT, Teil 3

Was bisher geschah: Meine Redaktion hatte mir den Auftrag erteilt, ein Interview mit dem Leiter des Rechenzentrums eines großen Versicherungskonzerns zu führen. Die Überraschung: keine Menschenseele war da – im Keller der Versicherung: IT weg, Software weg, Server weg. Ich machte mich auf den Rückweg in die Redaktion. Für 10:00 Uhr ist die wöchentliche Konferenz angesetzt. Mit etwas Verspätung beginnt das Meeting.

“Konferenz!”, schallt das Echo in meinen Ohren. Der Ruf des Doktors reißt mich aus der nahenden Ohnmacht. Mein Mund ist ausgedörrt wie ein afrikanisches Flussbett in der Trockenzeit. Schnell stürze ich mir die abgestandene Pfütze Apfelschorle runter, die seit gestern im Glas auf meinem Schreibtisch auf den Putzdienst wartet. Ich lehne mich vor auf die Arbeitsplatte und warte bis das Schwarze vor den Augen endlich nachlässt. Mr. Unix und AK 47 – die Creme der deutschen IT-Spürnasen – sind telefonisch nicht zu erreichen. Der eine sucht bereits die IT und der andere? “Ach, keine Ahnung”, murmel ich vor mich hin. “Entweder SM-Studio oder er lümmelt sich wieder auf seinem Weinberg herum, um bei Minus-X-Grad Celsius Trauben für seinen geliebten Eiswein zu ernten.”

“Konfereeenz”, der zweite Ruf des Doc, diesmal ist der Ton etwas rauer. “Ist ja gut, bin schon auf dem Weg”, denke ich. Langsam bücke ich mich, um mein Moleskine aufzuheben, greife mit der Linken einen Spiralblock, lege ihn auf mein Mac Book Pro, nehme beides mit und taumle aus dem Zimmer. Noch immer leicht benommen, torkele ich über den Flur und mache an der Kaffeeküche Halt. Die eine Neon-Röhre flackert immer noch, seit Wochen ist das Ding kaputt und keiner kümmert sich drum. Wozu gibt es eigentlich so eine Abteilung wie Facility Management? Im stroboskopartigen Licht erscheint der Raum mal grün und mal blau. “War irgendetwas in der Apfelschorle? Lysergsäurediethylamid? Hab ich gestern Abend zu laut Greatful Dead gehört? Das waren noch Zeiten, als die Band durch die USA tourte und bei den sogenannten Acid-Tests aufspielte. Da ging es noch bunter her.

“Ich brauche jetzt dringend was Starkes, das meinen Kreislauf wieder auf Touren bringt”, schließe ich. Dieses ewige Salbeiteegegurgel und Thymiandropgelutsche ist auf Dauer nichts. Wie immer ergattere ich die Neige des halb einbrannten Dallmayr Prodomo. “Sind das nicht die, die jetzt einige Millionen Euro Strafe zahlen müssen, weil sie mit anderen Kaffeeröstern die Preise abgesprochen haben und die Verbraucher um ein paar Milliarden betrogen haben? Kein schlechter Deal”, pfeife ich vor mich hin. “Ein super Stoff für ein Buch. Soll ein anderer schreiben”, meine Vision reißt ab. Mit viel Milch und zwei Stück Zucker lässt sich das Kaffeekonzentrat – das sich sicher als Anstrich für Holz von Carports in Alaska eignet – vielleicht trinken.

Beim dritten “Konferenz”-Gebrüll husche ich durch die Tür des Sitzungszimmers. “Ach, der Seidel, auch schon da”. Der Doc grinst. Sein leicht niederbayrisch angehauchter Slang ist nicht zu überhören. Mehr als ein müdes Lächeln kriegt er nicht von mir. “Irgendwie hat er sich verändert in den letzten Monaten”, denke ich. War er doch der Letzte, der auf konferieren stand. “Muss das Gequatsche sein?”, fragte er sonst immer – und das als Chef eines Kommunikationsbetriebes. “Vielleicht hat er einen neuen Coach. Hat doch heute jeder”, griene ich in mich hinein. “Und manchmal bringt das ja auch was.” “Ok, Leute, was läuft. Lasst uns mal kurz die kommenden Tage planen. Welche Themen habt ihr auf der Pfanne?” Doc will es heute wirklich wissen.