Ad ACTA: Patentlobby entmachtet Merkel, Sarkozy und Berlusconi

In der Öffentlichkeit fast unbemerkt, ist in der vergangenen Woche, am 21. 4., der erste Entwurf für ein internationales Handelsabkommen gegen Raubkopien vorgelegt worden. Der Vorschlag unter dem Titel ACTA ist unverkennbar das Ergebnis von Lobby-Arbeit.

Die Abkürzung steht für “Anti-Counterfeiting Trade Agreement”. Seit Oktober 2007 verhandeln vor allem die USA, die EU und Japan über dieses Grundsatzabkommen. Mit Raubkopien hat der am Mittwoch letzter Woche vorgelegte erste Entwurf – wohlwollend gelesen – in einem sehr weit gefassten Sinn zu tun. ACTA bezieht sich ohne genaue Definition auf “Urheberrechte, Warenzeichen, industrielles Design und Patente”.

Um derlei zu schützen, schlägt ACTA einen ganzen Katalog von Sanktionen vor. Wer sich geschädigt fühlt, soll nach dem Entwurf hohe Strafen und Kompensationen für entgangene Umsätze fordern dürfen. Von Verhältnismäßigkeit der Strafen ist bei ACTA keine Rede. Beschuldigte müssen alle Informationen offen legen. Ergo gibt es kein Recht auf Aussageverweigerung mehr. Hier zeichnet sich außerdem eine Umkehrung der Beweispflicht ab. Das verschafft dem Kläger in jedem Verfahren einen Vorteil. Um es zusammenzufassen: ACTA will eine ganze Reihe elementarer juristischer Prinzipien und Rechte der Beklagten abschaffen.

Damit ist der Maßnahmenkatalog gegen Raubkopien keineswegs erschöpft. Bestraft werden auch alle, die Mittel für die Verletzung der schwammig formulierten Urheberrechte, Patente etc. zur Verfügung stellen. Bedroht sind damit vor allem Internet-Provider. ACTA verlangt von Online-Service-Providern, Raubkopien nicht zu verbreiten. Andernfalls sind auch sie für Schäden haftbar. Das schafft das Prinzip der Unschuldsvermutung ab. Faktisch erzwingt es vor einem Schuldspruch eine rigorose Kontrolle allen Internet-Traffics. Was wiederum vorbeugender Zensur bedeuten würde.

Vor allem an diesem Punkt reibt sich Hugo Roy, französischer Koordinator der Free Software Foundation Europe (FSFE) in einem Blog-Eintrag. Er befürchtet, ACTA könne zu einer Waffe gegen Freie Software werden. Sein Hauptargument: Software ist auch bei größter Aufmerksamkeit niemals dagegen gefeit, ungewollt Rechte anderer zu verletzen. An dieser Stelle verweist er darauf, dass Patent-Trolle ihr Geschäft mit genau solchen Fällen machen. ACTA würde diesem zweifelhaften und gar nicht innovativen Business erst eine stabilere Basis denn je bieten.

Damit hat er Recht, aber eins sei gleich mal festgehalten, damit es keine Missverständnisse gibt: Freie oder Open-Source-Software ist kein Freibrief für Code-Kaperer. Allein arbeitende Programmierer, auch kleine und mittelständische Softwarehäuser, haben weder die Zeit noch die Mittel, um jede Programmierzeile darauf zu überprüfen, ob sie das Rad zum zweiten Mal erfunden haben. Und das ist das ökonomisch relevante Argument gegen Softwarepatente. Selbst große IT-Unternehmen, die jährlich zigtausend Arbeitsstunden auf die Suche nach eventuellen Patentverletzungen verschwenden, sind nicht dagegen gefeit. Schon gar nicht, wenn banale oder schwammig formulierte “Erfindungen” patentwürdig sind.