Ad ACTA: Patentlobby entmachtet Merkel, Sarkozy und Berlusconi

In der Öffentlichkeit fast unbemerkt, ist in der vergangenen Woche, am 21. 4., der erste Entwurf für ein internationales Handelsabkommen gegen Raubkopien vorgelegt worden. Der Vorschlag unter dem Titel ACTA ist unverkennbar das Ergebnis von Lobby-Arbeit.

Doch statt sich an Realitäten zu orientieren, will ACTA auch Produkte strafbar machen, die “in erster Linie zu dem Zweck entworfen und produziert wurden, um effektive technologische Maßnahmen zu umgehen”. Diese wie üblich in der Vorlage schwammige Formulierung ließe sich auch gegen Re-Engineering verwenden. Die ACTA-Entwerfer haben offenbar einen riesigen Abstand von technischen Realitäten. Sie haben nicht einmal bedacht, dass sie den Entwurf auf PCs geschrieben haben, deren BIOS das Ergebnis von Re-Engineering ist. Ohne das säßen sie heute noch vor sauteuren IBM-PCs – bestenfalls, wahrscheinlicher aber vor einem Dictaphone, dessen Band nachher eine Sekretärin abzutippen hat.

Stichwort Sekretärin: Der ACTA-Entwurf sieht die Schaffung einer regelrechten Monsterbehörde vor. An der Spitze ein leitendes “Oversight Committee” für die Leitlinien, darunter ein durchführendes Sekretariat. Und zwar völlig unabhängig von der Welthandelsorganisation WTO und der World Intellectual Property Organization (WIPO). In diesen beiden Institutionen gibt es Mitspracherechte für Nicht-Regierungsorganisationen, so genannte NGOs. ACTA sieht für die eigene Organisation nichts dergleichen vor. Im Klartext: ACTA wäre nicht im Geringsten demokratisch kontrollierbar, nicht einmal von Bürgerorganisationen adressierbar.

ACTA wäre nicht einmal von Regierungen und Parlamenten zu beeinflussen. Würde dieser ACTA-Entwurf vom Europäischen Parlament angenommen und anschließend durch die nationalen Parlamente (wie in der EU erforderlich) Gesetz werden, hätten sich die Abgeordneten und Regierungen entmachtet. Denn das Oversight Committee der ACTA entscheidet, was Raubkopien sind, was Patente oder Urheberrechte oder sonst was verletzt.

Gewählt ist dieses Gremium nicht. Auch unterliegt es keiner demokratischen Kontrolle, reinreden kann ihm niemand. Angela Merkel wäre wieder wie unter Helmut Kohl “die Kleine”. Auch die Machos Sarkozy und Berlusconi wären nicht mehr als Erfüllungsgehilfen. Das dürften die sich nicht zumuten lassen, wenn sie denn jemand auf die Zumutung aufmerksam macht. Aber nicht nur dafür braucht es eine vernichtende Antwort auf ACTA. Es geht schlichtweg um Bürgerrechte. Dieses unsägliche Elaborat verdient eine Menge Widerstand und wird ihn bekommen. ACTA? Ad acta damit!

Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in München.