Auf der Mittelspur des Lebens

Bremser! Überall Bremser. Es wird ja sehr viel gebremst heutzutage. Auf den 40 Kilometern in die Arbeit habe ich 20 Mittelspurfahrer und wenigstens drei Polo-ähnliche Gefährte auf der Überholspur gezählt. Als ich meine Zähne wieder aus dem Lenkrad geschält und mein Büro erreicht hatte, bootete der Rechner 20 Minuten. 20 Minuten im Fegefeuer des Nichtsmachenkönnens. Ja, ich arbeite mit Vista. Eine weitere Spaßbremse.

Bremsen ist das Motto unserer Tage, die Mittelspur und das Mittelmaß rulen. Versuchen Sie erst gar nicht, sich zu schnellerem Denken oder Handeln aufzuschwingen, von Fahren will ich ja gar nicht reden. Sie bekommen nur Ärger. Mit den Kollegen. Mit dem Rechner. Mit der Polizei. Schwimmen Sie vielmehr mit den Langsamen und Beladenen im bunderepublikanischen Mahlstrom mit! Sie werden eine gute Zeit haben.

Mancher will es nicht glauben, gerade wenn er neu im Job ist: Er arbeitet doppelt so schnell wie sein Kollege. Und schwupstiwupp kann dieser eingespart werden! Ist doof für den Kollegen, die alte Schnarchnase, aber genauso für Sie, der Sie in fünf Jahren ausgebrannt und frustriert sein werden. Denn mehr Geld oder Anerkennung werden Sie nicht ernten. Wie auch? Mehr Lohn für mehr Arbeit? So ein Unsinn, das wäre ja ganz was Neues!

Gut, dass Sie wenigstens zum Feierabend auf der Autobahn das Gaspedal… nicht durchdrücken können, weil Sie ja von wohlmeinenden Mitnutzern der Straße zu moderatem Tempo angehalten werden. Polofahrern beispielsweise. Oder Passatbummlern. Überhaupt spielt die Marke Volkswagen offensichtlich eine unrühmliche Rolle in Sachen Gleichschaltung.

Übrigens und nur nebenbei erwähnt ist mir aufgefallen, dass die größten Verkehrssäue Prius-Fahrer sind. Entweder versuchen die, den Spritverbrauch durch sinnloses Pedaldrücken an ein Fahrzeug ohne Bremskraftrückholung anzugleichen, oder es war die Ehefrau, die ihnen ein grünes Gewissen eingeredet und vom Kauf des Hybriden überzeugt hat. Nun sind diese Männer wütend, weil sie keinen BMW fahren, und zücken auf der Autobahn sinnloserweise Bleifuß und Ellbogen.

Aber nicht nur in den niederen Regionen des Alltags, nein auch auf allerhöchster Ebene ist Bremsen Ehrensache. Nein, ich meine nicht Frau Merkel und ihr Regieren durch Wegducken – wasgehtmichdenndieKanzlerinan – ich Rede vielmehr von Frau Aigner. Die Verbraucherschutzministerin lässt keine Gelegenheit aus, sich dem technischen Fortschritt in den Weg zu stellen. Facebook ist ihr bevorzugtes Ziel. Dabei glaube ich, dass Facebook unsere Zukunft ist.

Glauben Sie nicht? Kann ich gut verstehen. Seit Monaten ringe ich in dieser Frage mit mir selbst: Wie viel Offenheit verträgt sich mit meiner Freiheit? Kann ich es OK finden, dass eine amerikanische Firma alles über mich weiß? Meine Freunde und Vorlieben kennt? Diese durch mich ebenfalls durchleuchten kann? Demnächst sogar zeigt, wo mein Haus wohnt? Mich also ausstellt und vorführt?