Mehr Job-Chancen durch anonyme Bewerbungen?

Ein Thema, das die silicon.de-Lesern stark diskutieren, ist die Diskriminierung bei der Jobsuche – so in den Kommentaren zum Artikel ‘Zu alt, zu teuer – erfahrene Fachkräfte kaum nachgefragt‘. Die Deutsche Telekom und vier andere Unternehmen testen jetzt die ‘anonyme Bewerbung’, die der Diskriminierung bei Bewerbungen einen Riegel vorschieben soll.

Auch der Bundesverband der Personalmanager (BPM) sprach sich gegen das Verfahren aus. “Die anonyme Bewerbung erhöht die Chancengleichheit von Bewerbern höchstens in der ersten Phase der Auswahl”, so BPM-Präsident Joachim Sauer. “Beim persönlichen Gespräch wird die Anonymität zwangsläufig aufgehoben.”

Ein Zwang zu anonymisierter Bewerbung verhindere Diskriminierung lediglich symbolisch, so Sauer. Es entstünden jedoch erhebliche zusätzliche Kosten bei der Personalgewinnung. Um Vielfalt aktiv zu fördern, setzten die Personalmanager auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen gegen Diskriminierung (Diversity Management) sowie die Verwirklichung der Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ( AGG).

Die Arbeitnehmer sind nach einer Befragung des Job-Portals Monster eher skeptisch, nach Angaben des Marktforschers Respondi jedoch für die anonyme Bewerbung.

Monster befragte vom 23. August bis zum 5. September 4061 Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 40 Prozent der Deutschen waren demnach der Meinung, dass anonyme Bewerbungen die Diskriminierung in der ersten Bewerbungsrunde verhindern. 60 Prozent sahen die höhere Chancengleichheit jedoch spätestens im Bewerbungsgespräch als hinfällig an.

Ein Vergleich mit Österreich und der Schweiz zeigte, dass Chancen und Grenzen der anonymen Bewerbung ähnlich eingeschätzt wurden. 37 Prozent der Österreicher und 41 Prozent der Schweizer gaben an, dass sie durch die anonyme Bewerbung das Kriterium der Qualifikation in der ersten Bewerbungsrunde als gesichert ansehen. Für 59 Prozent der Schweizer und 63 Prozent der Österreicher war die Unvoreingenommenheit der Arbeitgeber spätestens im Bewerbungsgespräch jedoch nicht mehr sichergestellt.

“Die IZA-Studie zeigt, dass die Ungleichbehandlung in kleineren Unternehmen am stärksten ausgeprägt ist, gleichzeitig leiden diese Unternehmen am meisten unter dem drohenden Fachkräftemangel”, meinte Marcus Riecke, Geschäftsführer Central Europe bei Monster Worldwide. “Die anonyme Bewerbung kann eine große Chance für all diejenigen Bewerber sein, die mit ihrer Qualifikation überzeugen, aber aufgrund von Alter, Nationalität oder Geschlecht im Bewerbungsprozess unter Umständen vorab ausscheiden.”

Nach einer Online-Befragung des Marktforschers Respondi von Ende August fällt die Zustimmung zur anonymen Bewerbung höher aus. Demnach fanden 61 Prozent der Deutschen die Initiative gut. Insbesondere Frauen und Ostdeutsche befürworteten die anonyme Bewerbung – was laut Respondi “wenig erstaunlich ist, da sie auf dem Arbeitsmarkt mitunter geringere Chancen haben”. Unter Männern und Besserverdienern spreche sich dagegen nur eine knappe Mehrheit für die Initiative aus.