Das iPhone und die Emotionen

Das iPhone sorgt derzeit in deutschen Unternehmen für Emotionen, die kaum gegensätzlicher ausfallen können. Ein Artikel von Dr. Andreas Stiehler, Director Research bei Berlecon Research.

Auf der einen Seite ist die Popularität des iPhone ungebrochen – und dies nicht nur bei coolen Teenies mit viel Zeit und Taschengeld. Schließlich besitzt es den im Mobility-Markt so wichtigen Sexappeal, dem sich weder verspielte Praktikanten noch gestandene Manager und Vertriebsprofis verschließen können. Handfeste Argumente, technische Tests und ROI-Berechnungen spielen da nur eine untergeordnete Rolle. Die Mitarbeiter wollen das kleine Schwarze mit dem silbernen Apfel – erst recht, wenn die Kollegen von der Konkurrenz schon damit spielen. Und in den meisten Fällen werden sie sich auch durchsetzen.

Die iPhone-verliebten Mitarbeiter verfügen mittlerweile auch über schlagkräftige Argumente, die einen flächendeckenden Businesseinsatz rechtfertigen. Denn Apple hat beim iPhone 4 und dem Betriebssystem iOS4 kräftig nachgebessert. Nennenswert ist hier die Bereitstellung der notwendigen Funktionen für Mobile E-Mail und die Verwaltung der PIM-Daten. Darüber hinaus können iPhones jetzt auch Multitasking und bieten mit WLAN und 2G/3G-Mobilfunk eine gute Internetanbindung für die mobile Nutzung. Die Barrieren zur Realisierung mobiler Businesslösungen auf iPhone-Basis wurden also deutlich gesenkt.

Last but not least lässt sich das Funktionsspektrum des iPhone durch die im Apple App Store angebotenen Zusatzoptionen wesentlich erweitern. Dabei geht es weniger um die Möglichkeit, mit dem iPhone den neuesten Umberto-Eco-Roman zu lesen, Vuvuzela zu blasen oder ein virtuelles Bierglas zu leeren. Vielmehr gibt es unter den mittlerweile weit mehr als 200.000 Apps auch solche mit echtem Business Value: Anwendungen, die die Unternehmenskommunikation (VoIP, Unified Messaging, Präsenz) verbessern, Alltagsaufgaben unterstützen (Navigation) und nicht zuletzt auch die Datenhaltung sowie -übertragung sicherer und effizienter machen. Und wem dies noch nicht genügt, dem bietet Apple eine umfassende Infrastruktur, um Zusatzanwendungen selbst zu entwickeln und für das Unternehmen bereitzustellen.

Dennoch tun sich viele ITK-Verantwortliche immer noch schwer, auf den iPhone-Hype aufzuspringen. Deren Zähneknirschen kommt nicht von ungefähr, wie der aktuelle berlecon-Report “Das iPhone 4 im Unternehmenseinsatz” zeigt. So ist mit der neuen Version die Nutzung eines zentralen Unternehmens-iTunes-Accounts und damit ein zentraler Einkauf von Software zwar möglich. Die Software muss dann aber weiter manuell vom Administrator auf jedes einzelne Gerät verteilt werden. Gleiches gilt für Updates oder Backups. Zudem ist es dem Administrator mit dem iPhone-Konfigurationsprogramm unmöglich, Unternehmensrichtlinien ohne Interaktion des Nutzers zu aktivieren. Abzuwarten bleibt, inwieweit die von Drittanbietern für den Herbst 2010 angekündigten Device-Management-Lösungen hier Abhilfe schaffen.

Auch in Punkto Sicherheit sorgt Steve Jobs bei den IT-Administratoren nicht für ungebremste Freude. Zwar bescheinigen die Analysten von Berlecon und der Fraunhofer ESK dem neuen iPhone nach ausführlichen Labortests grundsätzlich Unternehmenstauglichkeit – beschränken ihre Aussagen jedoch auf den Alltagsgebrauch in Unternehmen und Behörden mit niedrigem bis mittleren Sicherheitsbedürfnissen. Mitarbeiter in hoch sicherheitskritischen Bereichen sollten dagegen besser die Finger vom iPhone lassen. Für sie gilt es abzuwarten, bis die Spezialisten in Cupertino irgendwann einmal ein iPhone-Betriebssystem entwickeln, das auch S/MIME unterstützt.