Handel mit gebrauchter Software – der Streit geht weiter

Seit Jahren kämpfen vor allem die großen Softwarehersteller mit rechtlichen Mitteln gegen den Zweitmarkt mit ihrer Software. Nachdem der Bundesgerichtshof den Streit an den Europäischen Gerichtshof verwiesen hat, wähnen sich die Softwarehersteller weiter auf der Siegerstraße. Zu Recht?

Erwartungsgemäß war die erste Resonanz auf das verschobene BGH-Urteil geleitet von den Interessen der verschiedenen Gruppen. Auf der einen Seite die Softwareindustrie, die sich wegen der gewonnenen vorinstanzlichen Entscheidungen und einiger anderer für sie günstiger Urteile weiter siegessicher zeigt. Auf der anderen Seite die Gebrauchtsoftwarehändler, die geltend machen, dass die Rechtslage zu ihren Gunsten schon weitgehend geklärt sei. Nur bei Download-Software gebe es noch rechtliche Unklarheiten.

Die Interessenpositionen der Widersacher liegen auf der Hand: Hier die Nutzer, die eine Software gekauft haben, die sie nun nicht mehr benötigen oder über mehr Lizenzen verfügen, als zum Beispiel wegen der Entlassung von Mitarbeitern erforderlich sind. Sie sind typischerweise daran interessiert, die Software wie einen Gebrauchtwagen zu verwerten. Dort die Interessen der Urheber und Inhaber von Vertriebsrechten an der Software. In ihrer Argumentation gegen den Gebrauchthandel führen diese als Hauptargumente vor allem an, dieser gefährde eine optimale Verwertung der Urheberrechte an der Software, erleichtere die Produktpiraterie und erschwere die Kontrolle der legitimen Nutzung.

Weitergabe-Verbote durch Softwarehersteller

Die Diskussion über die Zulässigkeit des Handels mit so genannter “Gebrauchtsoftware” begann mit einem Urteil des Landgerichts München im Jahr 2006, das in einem Streit zwischen dem Softwarehersteller Oracle und dem Gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft erging. In den Lizenzverträgen von Oracle ist bestimmt, dass das Nutzungsrecht, das den Kunden an den Computerprogrammen eingeräumt wird, nicht abtretbar ist. Die Software wird dabei in der Weise vertrieben, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern die Software von der Internetseite von Oracle herunterladen. Der Gebrauchtsoftwarehändler hatte nicht benötigte Oracle-Lizenzen aufgekauft und diese seinen Kunden angeboten. Die Kunden wurden aufgefordert, sich die entsprechende Software von der Internetseite von Oracle herunterzuladen.

Die gegenwärtige Rechtslage

In den ersten beiden Instanzen haben die Gerichte der Klage von Oracle stattgegeben und entschieden, dass der Gebrauchtsoftwarehändler das Urheberrecht von Oracle verletze, indem er die Erwerber der “gebrauchten” Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme herunterzuladen und damit zu vervielfältigen.

Unter Juristen wie Nicht-Juristen wird dazu in der Diskussion Software immer wieder mit Fahrzeugen verglichen und argumentiert, dass das, was für Fahrzeuge gilt, auch für Software gelten müsse. Anders als Fahrzeuge unterliegt Software jedoch dem Schutz des Urheberrechts. Sacheigentum und Urheberrecht an körperlichen Werkstücken, gleich ob Fahrzeug oder Datenträger, liegen jedoch auf zwei verschiedenen Ebenen. Wer Eigentümer oder rechtmäßiger Besitzer eines Werkstücks ist, hat demnach im Zweifel noch keine Nutzungsrechte an dem Werk. Solche werden aber benötigt, wenn Computerprogramme auf den Rechnern des Nutzers genutzt werden.

Wie aber kann der Händler dem Nutzer die benötigten Rechte verschaffen? Er kann zum einen dem Nutzer die Rechte in einer lückenlosen
Lizenzkette übertragen, die zum Rechteinhaber führt. Zum anderen kann aber auch zu Gunsten des Nutzers eine urheberrechtliche Schranke eingreifen. Die Möglichkeit der Weiterübertragung stößt jedoch auf Schwierigkeiten, wenn sie der Rechteinhaber, wie Oracle, in seinem Vertrag mit dem ursprünglichen Lizenznehmer ausgeschlossen oder beschränkt hat. Aber sind solche Klauseln überhaupt wirksam?

Der Erschöpfungsgrundsatz

Entscheidend ist hier der so genannte Erschöpfungsgrundsatz gemäß § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG. Dieser sagt sinngemäß aus, dass das grundsätzliche Recht des Rechteinhabers die Verbreitung seines Werkes vorzunehmen oder zu gestatten dann “erschöpft” ist, wenn ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechteinhabers im Gebiet der EU oder EWR im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht wird. Zweck des Verbreitungsrechts ist dem Urheber die alleinige Möglichkeit einzuräumen, durch die erstmalige Veräußerung eine angemessene Gegenleistung für seine Schöpfung zu erhalten.

Hat der Rechteinhaber aber mit dem Erstverkauf dann erst einmal sein (Erst-)Verwertungsrecht ausgeübt, hat er es damit verbraucht. Es hat sich in diesem Sinne “erschöpft”. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass das betreffende Werkstück, analog einem Gebrauchtwagen, im Geschäftsverkehr ungehindert zirkulieren kann.

Folgerichtig hat auch der BGH in seiner bahnbrechenden OEM-Entscheidung aus dem Jahr 2000 festgestellt, dass Microsoft den Weiterverkauf seiner auf Datenträger in Verkehr gebrachten Software nicht verbieten darf, selbst wenn dies ohne die dazugehörige Hardware erfolgt. Ein entsprechendes Weitervergabeverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, da es von wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken, nämlich dem Erschöpfungsgrundsatz, abweicht.

Neue Ansätze in der Bewertung der Rechtslage?

Der seit Jahren schwelende Streit dreht sich um den Begriff “Verkörperung”. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann Erschöpfung nur in Bezug auf körperliche Werkexemplare entstehen. Die dem BGH in Sachen Oracle gegen Usedsoft vorgeschalteten Instanzen nahmen diese Unterscheidung ernst. Die Gerichte haben aufgrund des Wortlautes der Vorschrift ein Vervielfältigungsstück in Form eines körperlichen Datenträgers verlangt. Ein solcher Datenträger lag jedoch dort nicht vor, da der Gebrauchtsoftwarehändler ausschließlich mit Nutzungsrechten und nicht mit verkörperten Softwaredatenträgern gehandelt hatte.

Anders als die vorherigen Instanzen ist der BGH aber offenbar der Auffassung, dass das europäische Recht noch ungeklärte Auslegungsfragen bereithält und man den Streit nicht ohne weiteres zugunsten der Softwarehersteller entscheiden könne. Insbesondere lässt der BGH nun die Frage klären, ob auch derjenige, dem eine “gebrauchte” Software per Download geliefert wurde, rechtmäßiger Erwerber eines Computerprogramms sein kann. Insoweit kann man darin durchaus eine Richtungsänderung der Rechtsprechung zum Vorteil der Gebrauchtsoftwarehändler erkennen. Für allzu großen Optimismus auf Seiten der Softwareindustrie scheint daher kein Anlass mehr gegeben zu sein.

Fazit

An der Heftigkeit der diskutierten Frage über die Zulässigkeit des Handels mit gebrauchter Software kann man erkennen, dass die Problematik nicht mit Hilfe des “alles-oder-nichts- Prinzips” gelöst werden kann. Es bedarf daher einer höchstrichterlichen Entscheidung, die dann hoffentlich geeignet ist, die bestehende Verunsicherung im Markt einzudämmen. Der Handel mit gebrauchter Software ist jedoch bis zu einer solchen Entscheidung, die nun leider wahrscheinlich etwa weitere zwei Jahre auf sich warten lässt, weiterhin mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden.

Zieht man den Erwerb gebrauchter Software in Betracht, so sollte man sich genauestens informieren, welche Einschränkungen die ursprünglichen Lizenzbestimmungen vorsehen und ob diese wirksam sind. Es empfiehlt sich immer auch die Zusammenarbeit mit den Rechteanbietern. Größtmögliche Sicherheit besteht derzeit aber nur dann, wenn der Rechteinhaber die Software auf einen Datenträger übergeben hat, da für diesen Fall die Rechtslage tatsächlich weitgehend geklärt ist.