Quiz-Showdown: Maschine schlägt Mensch

Am Ende waren die Hirnwindungen nicht so schnell wie die Schaltkreise. In einem dreitägigen Showdown hat der Supercomputer Watson beim US-Spielshowklassiker “Jeopardy” zwei menschliche Champions geschlagen. Auch ein Beweis dafür, dass ein Supercomputer um die Ecke denken kann.

Das besondere an Jeopardy ist, dass es hier nicht nur um Wissen, sondern auch um Wortwitz geht. Zwei Besonderheiten prägen diese Show: Erstens, der Kandidat muss aus einer Kategorie den Schwierigkeitsgrad – das heißt, den eingesetzten Betrag auswählen. Je höher der Betrag, je schwieriger die Frage. Zweitens, es wird eine Antwort präsentiert und die Kandidaten müssen die zugehörige Frage abgeben. Beispiel: “Der Gründer der USA; der übrigens niemals einen Kirschbaum gefällt hat.” Richtige Antwort-Frage: “Wer war George Washington?”

In der dritten und letzten Partie des Spielshow-Marathons war der Durchmarsch des Supercomputers nicht mehr zu stoppen. Noch am Ende des ersten Abends hatte einer der beiden menschlichen Kandidaten gleichauf mit dem Supercomputer gelegen. In Runde zwei aber konnte sich Watson schon einen deutlichen Vorsprung sichern. Der dritte und letzte Abend räumte, nach einigen bemerkenswerten Wissenslücken der Maschine, mit den letzten Zweifeln auf. Watson wusste mehr und wusste es schneller.

Schwach war der Supercomputer beim Themenkomplex Europäische Union. So wusste er nicht, dass Slowenien zur EU gehört. Als gefragt wurde, was wegen des Schengen-Abkommens nicht mehr kontrolliert wird, war er sich zu 33 Prozent sicher, dass “Reisepässe” die richtige Antwort ist – die Wahrscheinlichkeit für seine drei Favoriten wurde jeweils angezeigt. Die tatsächlich richtige Antwort, dass die Grenzen nicht mehr kontrolliert werden, erwog er nur mit 14 Prozent. Als ein bestimmtes Kleidungsstück gesucht war, antwortete er mit 96 Prozent Sicherheit “Chemise” – das war aber falsch.

Watson stammt aus dem Hause IBM. Das hat ihren elektronischen Musterschüler nach dem Firmengründer Thomas J. Watson und dem fast gleichnamigen Informationslieferanten und Freund von Sherlock Holmes benannt. Dass Jeopardy-Teilnehmer um die Ecke denken müssen, war eine der Hauptherausforderungen für die Entwickler.

Kevin Turner
Gebannt verfolgen IBM-Forscher im Almaden Research Center in San Jose wie sich “ihr” Watson in der TV-Show schlägt.
Foto: CBS Interactive

“Schon diese Vorgaben machen es für eine Software besonders schwierig, denn das System muss seine eigene Wissensqualität im Vergleich zu den anderen Kandidaten einschätzen und anschließend aus der gegebenen Antwort eine grammatikalisch korrekte Frage formulieren”, sagt David Ferrucci, IBMs Projektleiter. Hinzu kommt dann noch der Zeitdruck, denn die Antwort muss in fünf Sekunden gegeben werden. Außerdem besteht hier noch ein weiteres Computer-spezifisches Problem, dass nämlich die komplette Kommunikation in natürlicher Sprache abläuft.

Damit ist der Computer zunächst gegenüber seinen menschlichen Konkurrenten unterlegen, die wesentlich schneller den Kontext der Aufgabe verstehen – auch wenn darin Ironie, Wortspiele oder andere Sprachtricks enthalten sind. Die Zeit, die der Computer für das Verstehen der Frage und für das Formulieren seiner Antwort benötigt, geht von den fünf Sekunden ab, sodass immer weniger Zeit für die eigentliche Lösung zur Verfügung steht.

IBMs Experten für Künstliche Intelligenz (KI) haben zuletzt vor drei Jahren weltweit Schlagzeilen gemacht, damals hatte der Supercomputer Deep Blue den amtierenden Schach-Weltmeister Garry Kasparow geschlagen.

Allerdings bewegte sich Deep Blue im Rahmen von strengen formalen Regeln, so wie es beim Schachspiel der Fall ist. Watson dagegen bewegt sich im Bereich von Analysen und Bewertungen von riesigen unstrukturierten Datenmengen. “Der Umgang mit Mehrdeutigkeiten und Wahrscheinlichkeiten beherrscht die angewandten Algorithmen”, erläutert Ferrucci. Bei jeder Frage werden hunderte Algorithmen gleichzeitig gestartet. Je mehr Algorithmen unabhängig zur gleichen Lösung kommen, umso höher stuft das System die Wahrscheinlichkeit ein, dass es die richtige Antwort gefunden hat.

Watson sollte bei seinen Antworten auch von den äußeren Rahmenbedingungen weitestgehend mit seinen Gegenspielern übereinstimmen. Das heißt, es ist ein Standalone-System, das keine Verbindung zur Außenwelt oder zum Internet hat. Das gesamte Wissen und alle Algorithmen sind innerhalb des Systems abgespeichert – allerdings nicht ganz so kompakt, wie bei den menschlichen Konkurrenten. So enthält das System Millionen an Text-Dokumenten, einschließlich Wörterbüchern, Enzyklopädien, wie beispielsweise Wikipedia, hinzukommen Bibel, Novellen, Filmmanuskripte und Theaterstücke.

Zum Einsatz kommt ein Blue-Gene-Supercomputer mit massiv-paralleler Verarbeitung. Diese Systeme erreichen eine Dauerrechengeschwindigkeit von mehreren Petaflops. Das System Blue-Gene/P erreicht mit 294.912 Prozessoren, die über optische Leiter verbunden sind, eine Spitzengeschwindigkeit von 3 Petaflops.

Hinter den Fernsehkulissen füllt dieses Hirn zwei Schränke. Im Studio selbst ist lediglich ein Bildschirm mit bunten Grafiken zu sehen. Auch als Stargast einer Quiz-Show bleibt ein Supercomputer eine Maschine – nur manchmal menschelt er. Ist sich Watson nicht ganz sicher, sagt er kokett: “Ich rate jetzt mal”.