Rechtliche Gefahren der Softwareentwicklung

Wer vermeiden möchte, dass Softwareentwicklungen im Unternehmen zum unkalkulierbaren Haftungs- und Ausfallrisiko werden, der muss Prozesse und klare Spielregeln für das Rechtemanagement bei der Entwicklung von Software einführen. Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen heute deutlich höher als früher.

… auch schon auf die Idee gekommen, die Insolvenzmasse eines insolventen Software- oder IT-Beratungsunternehmens um Lizenzgebühren aus Urheber- und Patentrechtsverletzungen anzureichern.

Risikopotenzial bei Verletzung fremder Urheber- und/oder Patentrechte

Neben der bereits erwähnten Möglichkeit der Nutzungsuntersagung besteht bei Verletzung fremder Urherber- und/oder Patentrechte die Gefahr von Schadenersatzforderungen in Form von nachzuzahlenden Lizenzgebühren. Wie der Prozess zwischen Oracle und SAP im November 2010 gezeigt hat, kann die Verletzung fremder Rechte sehr schnell zu immensen Haftungssummen (1,3 Milliarden US-Dollar) führen, die durchaus auch weit über jenen Beträgen liegen können, die durch Qualitätsmängel einer Software verursacht werden.

Nun werden einige Leser vielleicht einwenden, dass Unternehmen, deren Softwareentwicklung in erster Linie dazu dient, die eigenen Geschäfts- und Produktionsprozesse zu steuern, einem vergleichbaren Haftungsrisiko nicht ausgesetzt sind. Doch das ist nicht richtig.

Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein deutsches Gericht bei einer rein unternehmensinternen Nutzung rechtwidrig integrierter Quellcodedateien in eine unternehmenseigene Softwareentwicklung Lizenzgebührenforderungen in Milliardenhöhe zuspricht, eher als gering einzustufen. Aber hohe sechs- bis siebenstellige Beträge sind auch in Deutschland denkbar, wenn dies dem normalen Lizenzpreis der rechtswidrig genutzten Quellcodedateien entspricht.

Darüber hinaus können global agierende Unternehmen sich nicht alleine darauf verlassen, dass sie nur vor deutschen Gerichten verklagt werden. Deutschland ist Exportweltmeister und produziert nicht nur an deutschen Standorten. Deshalb werden unternehmenseigene Softwareentwicklungen auch häufig bei Tochtergesellschaften oder in Niederlassungen deutscher Unternehmen im Ausland installiert und eingesetzt. Damit besteht das Risiko, dass Rechteinhaber deutsche Unternehmen auch vor ausländischen Gerichten wegen Patent- und/oder Urheberrechtsverletzung in Anspruch nehmen.

Im Patent- und Urheberrecht gilt nämlich das so genannte Territorialitätsprinzip. Das besagt, dass sich Patent- und Urheberrechtsverletzungen nach dem Recht des Staates beurteilen, in dem die Verletzung erfolgt. Das ist nicht nur dort, wo die Software entwickelt wurde, sondern auch dort, wo eine Software, die fremde Rechte verletzt, eingesetzt wird. Nutzt die Niederlassung oder Tochtergesellschaft eines deutschen Logistik-, Handels- oder Produktionsunternehmens z.B. in den USA Kopien einer eigenen Softwareentwicklung, um Geschäfts- oder Produktionsprozesse zu steuern, und enthält die Software Quellcodedateien, für die ein amerikanischer Wettbewerber in den USA ein Patent hat, so kann der amerikanische Wettbewerber die Niederlassung bzw. Tochtergesellschaft des deutschen Unternehmens auch in den USA wegen Patentverletzung nach Maßgabe des amerikanischen Rechts in Anspruch nehmen.

Risikomanagement durch adäquates IP Management

Wer vermeiden möchte, dass Softwareentwicklungen im Unternehmen zum unkalkulierbaren Haftungs- und Ausfallrisiko werden, der muss Prozesse und klare Spielregeln für das Rechtemanagement bei der Entwicklung von Software einführen (z.B. Einrichtung von internen Datenbanken, aus denen geprüfte Quellcodedateien in neue Entwicklungen integriert werden, oder Regeln für den Kauf von Quellcodedateien bei kommerziellen Anbietern definieren). Das gilt umso mehr, je häufiger und zahlreicher fremde Ressourcen an Softwareentwicklungsarbeiten im Unternehmen beteiligt werden. Denn jeder im Entwicklungsteam muss wissen, welche Ressourcen für Quellcodedateien ihm zur Verfügung stehen. Ziel einer solchen “IP Management Policy” muss es sein,

  • “Altlasten” zu bereinigen und
  • die Herkunft sowie den erforderlichen Rechteerwerb

jeder in der Software enthaltenen Quellcodedatei zweifelsfrei belegen zu können.