Der Video-Codec der Zukunft

H.264, Ogg Theora oder WebM: Das Rennen um den Video-Codec der Zukunft hat bereits begonnen. Bislang dominiert noch H.264. Doch schon bald könnte sich jedoch der freie Standard WebM durchsetzen. Hinter WebM steht Google.

Hintergrund der Kontroverse um den Video-Codec der Zukunft ist HTML5, das derzeit vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt wird. HTML5 bringt zwei neue Tags: ‘audio’ und ‘video’. Diese ermöglichen es, Audio- und Videodateien direkt aus der HTML-Seite abzuspielen. Eine Installation zusätzlicher Audio- und Video-Plug-ins ist nicht mehr notwendig.

Im Jahr 2009 kam es in der ‘HTML5 Working Group’ des W3C zum Streit darüber, welches Video-Format in HTML5 unterstützt werden sollte. Ein Teil der Gruppe bevorzugte das freie Format Ogg Theora, da hier keine Lizenzgebühren zu befürchten seien. Zu den Ogg-Theora-Unterstützern gehörten unter anderem Mozilla und Opera.

Andere Mitglieder der ‘HTML5 Working Group’ – darunter Apple, Google und Microsoft – setzten dagegen auf H.264 und begründeten dies mit fehlender Hardware-Unterstützung und Qualitätsproblemen bei Ogg Theora. H.264 wird von der MPEG Licensing Association (MPEG LA) angeboten, in der auch Apple und Microsoft Mitglied sind. Der Codec findet im Internet Verwendung – so bei Videos von Vimeo und Youtube – und wird vom ‘Adobe Flash Player’ und von ‘Microsoft Silverlight’ unterstützt. Bestimmte Prozessoren können H.264-Videos ohne Umweg über ein Programm dekodieren – was schneller ist und Strom spart.

Im Januar 2011 erklärte Google jedoch, H.264 im eigenen Browser Chrome nicht mehr zu unterstützen. Stattdessen setze man auf Ogg Theora und das eigene Open-Source-Videoformat WebM. Zu den WebM-Unterstützern gehören YouTube, Mozilla, Opera – und auch Microsoft. Der Hersteller kündigte an, der kommenden Internet Explorer 9 werde in der Lage sein, Videos im WebM-Format nach der Installation des VP8-Codecs abzuspielen. Der VP8-Codec, den Google durch die Übernahme von On2 Technologies erhalten hatte, steht in direkter Konkurrenz zu H.264.

Microsoft unterstützt gleichzeitig H.264 und stellte im Dezember 2010 ein H.264-Video-Plug-in für den Mozilla-Browser Firefox bereit. Im Februar 2011 folgte ein H.264-Video-Plug-in für Googles Chrome. Google kündigte wiederum WebM Plug-ins für den Internet Explorer und Apple Safari an.

Googles Absage an H.264 hat in der Branche Spekulationen ausgelöst. Google-Manager Mike Jazayeri führte die Lizenzkosten ins Feld: “Für Firmen wie Google sind die Lizenzkosten vielleicht nicht entscheidend, aber für das nächste bedeutende Video-Start-up oder Firmen in aufstrebenden Märkten schränken die Gebühren den Wettbewerb ein.”

In der Branche wird zudem gemutmaßt, die Infrastrukturkosten von YouTube könnten Google zu dem Schritt bewogen haben. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der YouTube-Videos explosionsartig zugenommen. Zeit- und Größenbeschränkungen für Videos wurden aufgehoben und die Qualität bis auf Full HD erhöht. Die Folge all dieser Schritte: Die Anforderungen an die YouTube-Infrastruktur sind enorm – und werden in den kommenden Jahren steigen. Eine Lösung ist es, Videos nicht mehr in allen denkbaren Formaten und Codierungen anzubieten, sondern eine Auswahl zu treffen.

Mit der Entscheidung gegen H.264 bei Chrome stellt Google möglicherweise eine erste Weiche: Wenn die gesamten YouTube-Inhalte ohnehin mühsam auf eine kleinere Zahl an Formaten umcodiert werden müssen, dann kann man dafür auch offene Formate nutzen – und am besten solche, die man selbst weitgehend kontrolliert. Desto weniger Formate zugelassen sind, desto weniger Speicherplatz beansprucht jedes Video. Und bei YouTube spricht man beim Speicherplatz von mehreren Exabyte, die mindestens mehrere hundert Millionen Dollar Kosten für Hardware und Rechenzentren verursachen.

Anbieter von Online-Videos sorgen sich jetzt, dass sie aufgrund der hohen Verbreitung von H.264 in fast allen modernen Geräten künftig zwei Videostandards unterstützen müssen. Zudem mache Googles Umstieg auf WebM Plug-ins für die Wiedergabe erforderlich, was eigentlich mit der Einführung des Video-Tags überflüssig werden sollte.

Ab 2012 werde sich WebM als freier Standard verstärkt im Internet durchsetzen, glaubt Patrick Sturm, Partner bei der Münchner Unternehmensberatung Mücke, Sturm & Company (MS&C). Unternehmen wie Google und Mozilla – die WebM durch ihre marktdominierenden Produkte und Portale in kurzer Zeit beim Anwender implementieren können – setzten auf diesen Standard. Vorerst werde H.264 weiter dominieren – da der Standard seine Stärken vor allem auf vergleichsweise prozessorschwachen Geräten wie Smartphones, Tablets und Consumer Electronics ausspielen könne.

MS&C geht davon aus, dass die Weichenstellung für Erfolg oder Misserfolg von HTML5 nach dem Release der so genannten ‘Candidate Recommendation’ (CR) erfolgen wird, der für 2012 erwartet wird. In der CR wird der Funktionalitätsumfang von HTML5 definiert.