IPv4 ist tot. Es lebe IPv6!

2012 ist Schluss – dann werden die Adressen der Version 4 des Internet Protocol (IPv4) erschöpft sein. Die Branche bereitet sich vor. Am 12. und 13. Mai trifft man sich zum IPv6-Kongress in Frankfurt/Main. Am 8. Juni wird dann weltweit der Umstieg auf IPv6 geprobt.

In der Geburtsstunde des Internets hatte sich niemand vorstellen können, dass die theoretisch vorhandenen vier Milliarden Adressen des IPv4-Netzes einmal nicht mehr ausreichen und hunderte Millionen Endgeräte direkt über das Netz zu erreichen sein würden. Im Jahr 2020, so hat Ericsson geschätzt, könnte es 50 Milliarden Geräte geben, die über das Internet miteinander verbunden sind.

Klaas Mertens, Bild: NTT Europe
Klaas Mertens, Bild: NTT Europe

Im Februar teilte die Icann mit, dass alle Netzanschlussadressen des IPv4-Standards restlos den regionalen Registrierungsstellen zugeteilt seien. Die Registrierungsstellen, so schätzen Experten, dürften bis Mitte 2011 alle alten Adressen vergeben. “Für die Endverbraucher mit ihren DSL-Anschlüssen oder internetfähigen Smartphones wird sich nichts ändern”, sagt dazu Klaas Mertens, Consultant beim IT-Dienstleister NTT Europe. Das Unternehmen betreibt ein globales Tier-1-IP-Netzwerk. “Von der Umstellung auf IPv6 werden die Endverbraucher nichts mitbekommen. Das übernehmen die Internetprovider.”

Für Firmen sollte die Vergabe der letzten IPv4-Adressräume jedoch ein Weckruf sein, so Mertens. “Sie sollten die Erneuerung ihrer Netzwerktechnik anpacken, um für IPv6 gerüstet zu sein.” In der Praxis herrsche zwar noch kein Mangel an IP-Adressen nach IPv4-Standard und es bestehe auch kein Grund zur Panik. “Aber ein weiteres Abwarten ist fehl am Platz.”

Firmeninterne Netzwerke müssen laut Mertens nicht auf IPv6 umgestellt werden, weil sie meist ohnehin eigene Adressräume nutzen, die sich nicht mit den Internet-Adressräumen überlappen. “Handlungsbedarf besteht aber an der Netzwerkgrenze zum Internet, am so genannten Perimeter. Dort muss IPv6-Kompatibilität herrschen.” Für global operierende Unternehmen sei die IPv6-Umstellung am wichtigsten, denn in Asien sei der neue Standard schon verbreitet – teilweise auch ohne ein paralleles IPv4-Netz.

Nach Ansicht von Prof. Christoph Meinel ist es höchste Zeit für einen schnellen Umstieg. Der Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts und Vorsitzende des deutschen IPv6-Rates ruft die Webseiten- und Netzwerk-Betreiber in Deutschland zur Teilnahme am Welt-IPv6-Tag auf. Am 8. Juni werden Google, Facebook, Yahoo, YouTube und andere Unternehmen den ganzen Tag über Inhalte parallel auch nach IPv6 anbieten.

Prof. Christoph Meinel, Bild: EUROFORUM/C. Meyer
Prof. Christoph Meinel, Bild: EUROFORUM/C. Meyer

“Ziel des Probelaufs ist es, die vielen Beteiligten, also Service Provider, Hardware-Hersteller, Betriebssystem-Anbieter und Internetfirmen, zu motivieren, die Umstellung ihrer Dienste auf IPv6 in Angriff zu nehmen”, so Meinel. Einen solchen Test habe es in dieser Größenordnung noch nicht gegeben. Damit sollten Erfahrungen gesammelt sowie Probleme aufgespürt werden.

Meinel hob hervor, dass das alte Internet zwar immer noch funktionieren, aber nicht mehr wachsen werde. Nur durch den praktisch unerschöpflichen Adressenvorrat des neuen Standards könne das explosive Wachstum des Internets gesichert werden. Da keine alten Adressen mehr beschafft werden könnten, hätten es Unternehmen nun mit Partnern zu tun, mit denen man künftig nur noch über das IPv6-Protokoll kommunizieren könne.

Laut Meinel wird IPv6 nicht sofort alle Probleme des Internets lösen und das alte IPv4-Netz nicht mit einem Schlag ersetzen. Vielmehr wird der IPv4-Standard weiter existieren und einen kleinen Teil des Internet-Adressraums ausmachen. Weltweit ist die Einführung von IPv6 allerdings schon in vollem Gange. Das braucht jedoch Zeit: Von der Planung bis zur wirklichen Nutzung sind in großen Netzen Zeiträume von drei Jahren realistisch.

IPv6 ist nicht kompatibel mit dem Vorgängerprotokoll. Geräte beider Standards können nur über Protokollübersetzungs-Gateways kommunizieren. Diese gelten jedoch als temporäre Lösung. Besser ist der Umstieg über den sogenannten Dual-Stack-Modus. Damit kann IPv6 parallel zu IPv4 auf demselben Gerät und im selben physischen Netzwerk betrieben werden. In einer Übergangsphase werden so beide Protokolle auf denselben Geräten koexistieren und dieselben Netzwerkverbindungen nutzen. Zusätzlich ermöglichen es alternative Technologien, IPv6-Pakete über herkömmliche IPv4-Adressierung und IPv4-basierte Routingverfahren zu übertragen und umgekehrt. Damit ist die technische Grundlage für eine schrittweise Einführung von IPv6 geschaffen.

In Deutschland wird die IPv6-Umstellung durch die Öffentliche Hand vorangetrieben. Das Bundesinnenministerium hat 2009 für die Bundesbehörden einen IPv6-Adressraum für 270 Milliarden Subnetze und mehr als fünf Quintillionen Adressen für Endgeräte erhalten. Auch der Internetdienstleister Strato bietet zum Beispiel IPv6 an. Er gehört mittlerweile zur Telekom.