Zu Rating- und Glaubensfragen

Als der Herr den Garten Eden geschaffen hatte, wie es im 1. Buch Mose, Kap. 2, so schön geschrieben steht, da gab er ihm die Versionsnummer 0.9, errichtete anschließend das Main-Release am Ufer eines Flusses Namens Isar und nannte es nach dem Manna, welches dort ausgeschenkt wird: Biergarten. Updates gab’s seither keine, weil: das braucht’s nicht.

Und so liegt es denn noch immer da, das prächtigste Exemplar seiner Art, abseits aller babylonischen Touristenströme, die Stadt und Land alljährlich zur Sommerzeit heimsuchen. Ein Ort, so recht geschaffen, um über Glaubensdinge nachzudenken.

“Credere – credo – credito”, kommt einem daselbst seine humanistische Halbbildung in den Sinn. Und man wundert sich über das eitle Geschrei, das derzeit über jene Rating-Agenturen allenthalben anhebt.

Kein aufgeblasenes Dot.com, das sie zum Milleniumswechsel, und kein Junk-Derivat, das sie sieben Jahre später nicht mit einem Triple-A bedacht hätten. Und heuer wollen einen manche glauben machen, die Irrungen dieser Bug-Generatoren kämen einem Gottesurteil über ganze Volkswirtschaften gleich.

Credere oder credito? Ist das jetzt eine Glaubens- oder eine Kreditkrise? – Man glaubt, noch ein Bier zu brauchen.

Und das bringt denn auch die Erleuchtung: Was wirklich vonnöten wäre, ist eine völlig neue Art des Ratings. Und zwar in folgenden Abstufungen:

M – oder Ramschstatus. Das Kürzel leitet sich von Microsoft ab.

Der Manager Stephen Rose hat diese Woche im Block des Konzerns über Windows XP geschrieben: “Was vor zehn Jahren noch ausreichte, ist nicht mehr gut genug für die heutigen Standards.”

Man ist geneigt, ihm dieses Verdikt abzunehmen, selbst wenn es sich auf das beste Betriebssystem bezieht, das Microsoft jemals entwickelt hat. Aber er empfiehlt halt natürlich keine der ausgezeichneten Alternativen, wie Linux sie bietet, sondern das, was Microsoft zwischenzeitlich entwickelt hat.

Von mit M bewerteten Leuten sollte man sich denn auch selbst dann nicht in die Irre führen lassen, wenn sie ausnahmsweise einmal etwas Richtiges sagen.

G – oder äußerst bedingt glaubwürdig. G wie Google.

Der Konzern weiß, welche Seiten man ansurft, weil man meist vorher danach gesucht hat. Und wenn man ausnahmsweise nicht sucht, sondern nur surft, dann weiß Google das auch, weil die Tochter Doubleclick überall kleine Cookie-Pisser platziert, Werbebanner.

Das einzige, was das Unternehmen bisher noch nicht kannte, waren persönliche Angaben, wie der Surfer sie auf Facebook preisgibt: Name, Adresse, Musik- und sexuelle Vorlieben. Deswegen gibt’s jetzt Google Plus.

Nun ist Wissen bekannter Maßen Macht, wie Wladimir Iljitsch Lenin weiland – in von-Guttenbergscher Manier, wenn auch nicht so dreist – von Wilhelm Liebknecht abschrieb. Und wenn man von dem Suchmaschinen-Monopolisten wissen will, wie der mit dieser Datenmacht umgeht, erfährt man:

“At Google, we are keenly aware of the trust you place in us and our responsibility to protect your privacy”, was der hauseigene Translate-Dienst übersetzt mit: “Bei Google sind wir voll im Klaren über Ihr Vertrauen in uns und unsere Verantwortung, Ihre Privatsphäre zu schützen.” – Ja, Verantwortung kommt immer gut.

Und: “Vertrauen ist gut…”, soll Lenin schließlich auch schon einmal gemeint haben. Und deswegen scheint es angezeigt, G-rated Companies vor allem dann zu glauben, wenn sie nichts sagen. Ansonsten lässt man’s besser sein.

A – oder Credo in Apple. Viele Gläubige halten es so. “Warum wir uns auf Lion freuen [das Apple-Betriebssystem]”, war diese Woche in der MacWorld zu lesen. So affirmativ hätten Unternehmen die Journaille doch gerne immer!

Auf sowas kommt man aber halt nur im Rausch. Allerdings in keinem, den man für ein paar Euro in einem Garten Eden kaufen könnte, sondern nur im verheerendsten aller Räusche, dem Kaufrausch. Der, ausgelebt im Apple-Store, kommt einen allerdings weitaus teurer.

J – wie just. Von “Just another…”. So leiten viele prächtige Open-Source-Programme ihren Namen ab, manchmal auch von “Yet another…”. Und der Meister des Understatements, Linus Torvalds, hat seine Autobiografie sogar mit “Just for Fun” überschrieben.

Das ist doch glaub- und kreditwürdig. Jemandem, der keinen Grund hat außer der schieren Lebens- und Schaffensfreude, der dementsprechend auch nichts verspricht, dem nimmt man doch auch ansonsten alles andere ab. Der kriegt ein J.

So, das wär’s. Alle Kredit- und Glaubensprobleme dieser Welt sind wieder einmal gelöst. – Kara, bringst mir noch eine Halbe?

Kara nennen alle die Bedienung. Woher der Name kommt, weiß niemand so ganz genau, vielleicht von Cherub, dem Engel, der dafür sorgt, dass im Garten Eden nichts Unschickliches passiert. Der Herr hat sie wohl aus der Beta-Version ins Main-Release übernommen.

“Naa”, meint Kara, nein, “du hast schon zwei gehabt, und mehr verträgt so a Grischbal wie du net.” – [Bei einem „Grischbal“ handelt es sich laut Regiowiki um einen dünnen, mageren Mann.]

“Und außerdem”, meint Kara, “schreibst du seit einer Stund’ schon wieder solche Sachen in dein komisches Handy-Smartphone nei. Nachher liest des noch mal jemand. Es langt jetzt wirklich!”

Tja, was soll man da sagen? – Nix! Die Kara genießt schließlich die allerhöchste Reputation im Garten Eden, mindestens Triple A. – Ja, man könnte ihr sogar ein J geben, wenn sie einem noch eine Halbe bringen möcht’, die Kara.