Der Zombie und die Trojan Economy

Vier Wochen noch, dann ist 2011 vorbei. – Wieder mal Zeit also, sich über das IT-Wort des Jahres Gedanken zu machen.

Heuer ist das einfach. Nein, nicht “App”, auch wenn manche schon von einer App-Economy sprechen.

Das IT-Wort des Jahres lautet vielmehr: Trojaner. Der ist in jüngster Zeit in einer derartigen Vielfalt aufgetaucht, dass der Begriff Trojan Economy nun wirklich seine Berechtigung hat. Die Neuerungen der vergangenen Monate waren der Staats-, der Behörden-, der Schul- und der GEMA-Trojaner.

Letzterer wird übrigens nicht von der bekannten Verwertungsgesellschaft eingesetzt, sondern von Internet-Kriminellen, die vorgeben, die Polizei zu sein und um Strafmandate wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen kassieren zu wollen.

Das alles zeigt, dass der Trojaner universell einsetzbar ist – von Wirtschaftsunternehmen, von Staatsschützern und von richtigen Gaunern. Der Trojaner ist das Arbeitspferd der Informationsgesellschaft, eben weil die eine Trojan Economy ist.

Was dabei auffällt: Die meisten vermeintlichen Trojaner sind eigentlich gar keine. Der bekannteste etwa, der Staatstrojaner, empfängt Befehle von einem Command-and-Control-Server – quasi seiner Chefetage – und führt sie aus. Technisch gesehen, handelt es sich dabei also um ein Stück Bot-Software.

Das Wort kommt vom tschechischen robota, Arbeit. Der Bot ist ein Arbeiter. Zombie kann man ihn auch nennen. Der Zombie ist einer, der tun muss, was man ihm sagt, eine Art abhängig Beschäftigter.

Na ja, und wie’s so ist: Unter Kollegen solidarisiert man sich halt gern, vor allem, wenn man abends noch arbeiten muss und mit einem Cabernet Sauvignon vorm Rechner sitzt.

“Zombie, wie geht’s denn so beruflich?” fragt man dann den Bot, der dort möglicherweise ebenfalls noch malocht. Und wenn man dann genau aufpasst und der Cabernet Sauvignon gut ist, dann kann man hören, was ein Robot der Informationsgesellschaft zu erzählen hat.

Dass der Command-and-Control-Server mal wieder spinnt, klagt er vielleicht und erzählt, dass er früher in der Finanzbranche tätig war als Phishing-Bot. Aber immer nur Bank-Kunden übers Ohr zu hauen, das war seine Sache nicht. Außerdem war er als kleiner Phisher eh viel zu harmlos für das Business im Vergleich zu richtigen Bankern.

Deshalb hat er die Branche gewechselt und hat als Spy-Bot Marketing-Daten erhoben. Aber auch da war die Konkurrenz durch Google und Facebook halt übermächtig.

In der Werbung hat er dann noch eine Zeit lang gearbeitet als Spam-Bot. Aber da war’s genauso. Mit Mails habe man gegen Flash und Adwords eben einfach keine Chance, meint er.

Deshalb ist er recht froh, dass jetzt so viele Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Schöne Posten sind dabei: Protokollführer für wichtige Telefonkonferenzen etwa.

Na ja, und wenn man ihn so erzählen hört, den digitalen Kollegen, dann merkt man eben, dass die Unterschiede zwischen Industrie- und Informationsgesellschaft so groß gar nicht sind. Zwei Gruppen gibt’s in beiden: Die einen machten Druck und Geld und die anderen die Arbeit.

In solchen Momenten neigt man halt zur Verbrüderung. “Zombie”, sagt man dann schon mal, “magst du auch ein Glas Roten?”

Noch nie hat ein Mensch einen Zombie auf diese Frage hin “Nein” sagen hören. Und das ist der Beweis: Der Zombie, das ist einer wie du und ich.