Die unsichtbaren Seiten des Projekterfolgs

Frank Dunkel, Berater bei der Bielefelder Lynx-Consulting, nennt im silicon.de-Interview die ‘unsichtbaren’ Faktoren, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Projektes entscheiden können.

Beinahe täglich werden Meldungen von versandeten und abgebrochenen Projekten veröffentlicht, die mit enormen Zeit- und Budgetverlusten einhergehen. Dabei stellen Projektvorhaben, die fristgerecht und im Kostenrahmen abgeschlossen werden, kein Zauberwerk dar. Frank Dunkel, Berater bei der Bielefelder Lynx-Consulting mit mehr als 12 Jahren Erfahrung im Projektgeschäft, nennt im Gespräch mit silicon.de Erfolgsfaktoren.

silicon.de: Die theoretischen Abhandlungen zum Thema Projekte füllen ganze Regalmeter in Bibliotheken. Warum werden trotzdem Zeit- und Budgetvorgaben regelmäßig überzogen?

Dunkel: Als Informatiker hoffe ich natürlich, dass die einschlägige Literatur gelesen wird und nicht mehr als schwergewichtiges Buch den Platz in den Regalen blockiert. Ansonsten gilt: Der Erfolg eines Projekts steht und fällt mit der Qualität des Projektmanagements.

silicon.de: Wo setzt ein Projektleiter an, um eine hohe Projektqualität zu garantieren?

Dunkel: Das Geheimnis eines erfolgreichen Projektmanagements liegt bereits in der Startphase begründet. Fehler, die Sie hier machen, lassen sich später nur mit immensem Aufwand korrigieren. Das klingt zwar wenig spektakulär. Die Praxis offenbart aber immer wieder, dass Projekte aus dem Ruder laufen, wenn der Projektstart schlecht war. Zu den Klassikern eines Fehlstarts zählt, dass die Projektziele nicht den Notwendigkeiten entsprechen oder die Stakeholder unterschiedliche Auffassungen haben. Häufig sind auch Termin- und Kostenvorgaben unrealistisch und willkürlich gesetzt. Mangelnde Transparenz, ein hohes Änderungsvolumen – all das führt dazu, dass Kosten und Zeiten überschritten werden oder Qualität und Funktionalität nicht zufriedenstellend sind.

silicon.de: Wie verhindere ich als Projektleiter den Fehlstart?

Dunkel: Für die Eigenschaften von Zielen bietet sich eine einfache Denkhilfe an. Sie müssen smart sein – spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert. Eine Zieldefinition umfasst neben der Beschreibung auch quantitative Angaben beziehungsweise Messkriterien. Mindestens ebenso wichtig wie diese harten fachlichen Eigenschaften ist zum Auftakt die Behandlung der inneren und äußeren weichen Faktoren. Als Projektleiter sind Sie für die Arbeitsfähigkeit der Gruppe verantwortlich. Es ist dafür zu sorgen, dass alle Teammitglieder den gleichen Informationsstand haben. Es gilt eine sinnvolle Aufteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten festzulegen sowie Regeln für die Zusammenarbeit aufzustellen. Ebenso sind geeignete Maßnahmen einzuleiten, die Stakeholder mit an Bord zu holen. Durch die frühzeitige Einbindung und umfassende Informationsversorgung lassen sich bereits im Vorfeld potenzielle Konfliktherde vermeiden. Im Idealfall gelingt es, den Stakeholder zu einem starken Promotor des Projektes zu machen.

Frank Dunkel. Lynx-Consulting, ist durch die GPM als Projektmanager IPMA zertifiziert. Neben seiner Trainertätigkeit ist er Bereichsleiter Oracle und verantwortlicher Ansprechpartner in laufenden Kundenprojekten. Quelle: Lynx Consulting.

silicon.de: Warum legen Sie noch vor der Projektplanung soviel Wert auf den Punkt Teambildung?

Dunkel: Das Argument der Fehlervermeidung zum Start gilt selbstverständlich auch für die Teamzusammensetzung. Denn die Beziehungsebenen beeinflussen die Projektarbeit weitaus stärker als die Sachebene. Nur wenn die persönliche Ebene “stimmt”, gelingt es den Teammitarbeitern sich konstruktiv über Sachthemen zu streiten. Diese unsichtbare Seite des Projekterfolges darf daher nicht dem Zufall überlassen werden. Neben der fachlichen Kompetenz sollte ein guter Projektleiter immer auch seine sozialen Fähigkeiten “trainieren” und von Beginn an einsetzen, um ein Projektvorhaben zum Erfolg zu führen. Er schafft ein Klima des Vertrauens, betreibt eine offene Informationspolitik, nimmt Befürchtungen und Bedenken aller Beteiligten – gleich ob intern oder extern – ernst. Und er scheut sich nicht, auf versierte Mitarbeiter zu verzichten, falls diese dem Team dauerhaft schaden. Eine ausschließlich mit Platzhirschen bestückte Mannschaft führt weder zum Projekterfolg noch gewinnt sie Meisterschaften. Welchen Erfolg dagegen ein ausgeglichenes Team mit Spaß an der Arbeit und Verantwortung haben kann, demonstriert der Verlauf der gerade beendeten Fussballbundesligasaison mehr als überzeugend.

silicon.de: Spielen methodische Überlegungen in punkto Qualität beim Projektmanagement keine Rolle mehr?

Dunkel: Natürlich kennt jeder Projektleiter den methodischen Werkzeugkasten. Die Frage ist nur, welche Methode zum Projekterfolg führt. Gerade in größeren Vorhaben erweist sich die Konzentration auf das Wesentliche in der Projektplanung und -durchführung als entscheidender Erfolgsfaktor. Anstatt ein Projekt detailliert bis in die kleinste Verästelung durchzuplanen, sollten Projektverantwortliche ergebnisorientiert vorgehen. Sie legen im Groben nur die einzelnen Arbeitspakete sowie Phasenplanung und Meilensteinplanung fest. Der detaillierte Feinentwurf und die Terminplanung liegen in den Händen der Teilprojektleiter. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der Projektfortschritt sich an harten, messbaren Fakten kontrollieren lässt. Außerdem lassen sich die Aufwands- und Ressourcenschätzungen weitaus genauer aufstellen und im späteren Projektverlauf den Realitäten anpassen.

silicon.de: Personelle Ressourcen, insbesondere für Schlüsselkompetenzen, sind meist begrenzt. Wie verwalte ich im Projektmanagement diesen Mangel?

Dunkel: Durch die Konzentration auf das Wesentliche. Der Projektleiter sorgt für eine Ressourceneinplanung nach dem Vorbild des Critical Chain Projektmanagements, kurz CCPM, das auf der Engpasstheorie basiert. Die Theorie besagt, dass eine Verbesserung des Durchsatzes nur erfolgt, wenn die begrenzenden Faktoren übergreifend optimiert werden. Transformiert auf das Projektmanagement bedeutet das, für kritische Projektabschnitte alle benötigten personellen Ressourcen bereitzustellen. Dabei wird in jedem Fall Multitasking vermieden, selbst wenn dann ein Mitarbeiter mit Spezialexpertise nicht vollständig ausgelastet ist. Trotz dieses vermeintlichen Widerspruchs erweist sich die Critical Chain-Methode gegenüber traditionellen Verfahren, beispielsweise der Critical Path-Methode, als überlegen, da die Planung realistischer ist und in Summe dennoch zu schnelleren Ergebnissen führt. Dies liegt zum einen an einem besseren Schätzverfahren. Zum anderen werden alle eingeplanten Puffer der einzelnen Projektaufgaben als Gesamtpuffer an das Projektende gestellt. Aufgrund statistischer Gesetzmäßigkeiten darf dieser kürzer gewählt werden, als dies die Summe der Einzelpuffer ist. Unter dem Strich spart man so erheblich Zeit. Im Unterscheid dazu bleiben in den anderen Methoden die veranschlagten Pufferzeiten in der Planung an ihren Arbeitspaketen gebunden.

silicon.de: Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

Dunkel: Das Critical Chain Projektmanagement lässt sich im Grunde mit einem Staffellauf vergleichen. Der jeweilige Läufer wird nur aktiv, wenn er den Stab überreicht bekommt. Die anderen Methoden folgen dagegen eher einer Ressourcenoptimierung. In dem Beispiel unserer Staffel würde ein einzelner Läufer nicht auf den Stab warten, sondern müsste stattdessen die Zwischenzeit mit einer anderen Aufgabe, etwa einem Weitsprung, überbrücken – selbst auf die Gefahr hin, dass er nicht rechtzeitig zum Lauf zurückkehrt.

silicon.de: .. und was ist bei der Zieleinkunft der Staffel?

Dunkel: Dann stehen am Ende hoffentlich eine Zeit und Leistung. Zu einem erfolgreichen Projekt zählt im Übrigen eine vernünftige Schlussphase mit Projektabschlussbericht, Lessons-Learned-Veranstaltung und Teamabschlussbesprechungen. Denn jeder gute Projektleiter weiß, wo es ein Kick-off gibt, ist ein vernünftiges Kick-out Pflicht!

silicon.de: : Herr Dunkel, vielen Dank für das Gespräch.

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