Office 2013 ist noch immer eine PC-Software

Microsoft begibt sich mit Office 2013 auf eine Gratwanderung: Einerseits darf und kann der Arbeiter am PC nicht verschreckt werden, auf der anderen Seite kommt auch Microsoft nicht umhin, die verbreitete Suite auf mobile Geräte wie Tablets zu optimieren. Da sind Kompromisse vorprogrammiert, dennoch gibt es durchaus auch positive Resonanz.

Paraellel zur Ankündigung, stellt Microsof auch eine Preview-Version des Cloud-basierten Office 365 zum Download bereit.

CEO Steve Ballmer nannte die unter dem Codenamen Office 15 entwickelte Bürosuite “die ehrgeizigste Version von Office, die wir jemals gemacht haben”. Große inhaltliche Änderungen blieben aus. Doch das Design ist sichtlich von der Metro-Oberfläche beeinflusst. Das neue Office versucht seine bisherigen Stärken soweit wie möglich zu bewahren, sich aber gleichzeitig für die Tablet-Bedienung zu verschlanken.

 

 

Word, Excel, PowerPoint, Outlook und die übrige Office-Familie sollen sich flexibel ihrer jeweiligen Umgebung anpassen und reduzieren ihre Bedienelemente entsprechend den Anforderungen. Das Ribbon-Interface, das viele Nutzer nie überzeugen konnte, gibt es auch noch in der neuen Version. Es lässt sich jedoch ausblenden und bei Bedarf zurückholen.

Office will weiterhin den Desktop besetzen mit der gewohnten Vielzahl von Features, stellt sich aber gleichzeitig auf kommende Geräte mit Windows 8 und Touchbedienung ein. Alle Desktop-Anwendungen enthalten Optionen, die eine Bedienung auf dem Touchscreen vereinfachen. Bei der Steuerung mit Finger statt Mauszeiger bietet das neue UI größere Zwischenräume. Formatierungsleisten in Word und Excel vergrößern sich erheblich, wenn ein Touchscreen verwendet wird.

Sarah Rotman Epps, Analystin bei Forrester Research, sieht mit der neuen Version die “bislang größte Feature-Vielfalt” in der Office-Suite verwirklicht. Sie anerkennt, dass Microsoft für mobile Geräte die Nutzerschnittstelle optimiert hat. Dennoch arbeite Microsoft sei Jahren an dieser Version und die Arbeit habe bereits begonnen, bevor das iPad zum Verkaufsschlager wurde. Daher erklärt Epps in einem Blog: “Der PC ist noch immer der Star, und Tablet kommen erst an zweiter Stelle.” Office habe zwar eine mobile Strategie, aber sie stehe nicht im Kern. “Nicht einmal Microsofts eigene Windows-8-Plattform wird native Office-Apps für die Metro-Oberfläche bekommen.”

So sei zwar die Version 2013 die bisher beste Version der Suite, dennoch hält Epps das 20 Milliarden-Produkt von Microsoft für angreifbar, und zwar von Produkten oder Herstellern, die vielleicht schlechtere Produkte mit geringerem Funktionsumfang bieten, dafür aber ihre Office-Lösungen von Grund auf für den mobilen Einsatz zuschneidern und diese sehr günstig oder gar kostenlos anbieten.

 

Microsoft CEO Steve Ballmer stellt nicht nur Office 2013 sondern auch neue Funktionen in Office 365 vor. Quelle: ZDNet.com

 

“Office ist die wichtigste Anwendung von Microsoft”, erklärt Ballmer. Und wie der Gartner-Analst Guy Creese in seinem Blog festhält, scheint Ballmer in gewisser Weise, der Forrester-Analystin Epps recht zu geben. “Office ist in erster Linie ein Service. Es ist die erste Version, die von Anfang an als Service designt wurde.”

Und Office als Dienst das ist vor allem die Cloud-Variante der Software. Und auch hier gibt es Neuerungen: Die verschiedenen Office-365-Versionen bieten für die Synchronisation von Dateien zwischen SharePoint und dem Desktop Cloud-Speicherung mit SkyDrive Pro an. Damit wird auch möglich, Dateien einfach durch E-Mail-Links und gemeinsame Ordner zu teilen. Die Web- und die Desktop-Anwendungen erlauben die gemeinsame Arbeit an einem Dokument in Echtzeit mit klaren Kennzeichnungen.

Microsoft muss mit seinem Office einerseits gegen Google Docs und andererseits gegen Apples iPad halten, die beide längst auch in Unternehmen eingedrungen sind. Das neue Office versucht deshalb alles zu sein für alle, dazu noch kommunikativ mit Skype und sozial mit Yammer. Microsofts milliardenschwere Zukäufe sollen sich auch durch die Integration in Steve Ballmers “Modern Office” auszahlen.

Der erste Eindruck kann sehr unterschiedlich ausfallen. Ed Bott von ZDNet.com will nach einer Woche mit Office 2013 nicht wieder zurück zur Vorversion. Ihn beeindruckte vor allem das bruchfreie Bearbeiten von Dokumenten auf mehreren Geräten: “Ich begann auf einem Desktop, wechselte dann zu einem Notebook, griff nach einem Tablet. Die Dokumente (mit enthaltenen Änderungen) und Einstellungen folgten mir dabei, ohne dass ich mehr tun musste, als mich bei meinem neuen Office-Account anzumelden.”

Ähnlich positiv fiel das Urteil von Jason Parker bei News.com aus: “Mit der Ausrichtung auf Windows-8-Tablets musste das Unternehmen viele Funktionen quer durch die Suite vereinfachen. Das führt zu sanfteren Lernkurven für geschäftliche wie private Anwender unabhängig vom Gerät, mit dem sie arbeiten.”

Peter Bright hingegen setzt sich bei Ars Technica ausführlich und kritisch mit Microsofts Annäherung an die Touchbedienung auseinander. Er erlebte Office mit Touchbedienung als eine “ungeheuer frustrierende Erfahrung” und zieht das Fazit: “Office 2013 stellt seine volle Stärke und Komplexität offensichtlich nicht für die Bedienung mit dem Finger bereit. Zu viel ist noch immer für pixelgenaue Zeigegeräte konzipiert.”

“Jedes Produkt mit einem Office-Brand, Word Excel, PowerPoint, Outlook, Exchange, Lync, SharePoint und so weiter wird mit diesem Release aktualisiert”, führt Forrester-Analyst Rob Koplowitz aus. Und diese Produkt-Strategie stehe in einem krassen Gegensatz zu der Konkurrenz. “Abgesehen von der ausstehenden Übernahme von Yammer, ist diese Strategie alte Microsoft-Schule”, so Koplowitz. Microsoft tue, was es seit Jahren mache. Es generiert eine immer tiefer gehende Integration zwischen den einzelnen Produkten und Features, es marginalisiere Konkurenzprodukte auf die Kernfunktionalitäten und gieße das dann in Produkt-Bündel.

Künftig, so glaubt der Forrester-Analyst, wird Microsoft neue Funktionen nicht mehr primär auf der traditionellen Office-Suite einführen, sondern in dem Cloud-Produkt, Office 365. Die Yammer-Übernahme sei ein Zeichen für diesen Wandel. Aber auch die neue Funktion von Microsoft SkyDrive, oder SkyDrive Pro, stehe für diese Strategie. Denn wenn Microsoft diese Daten- und Code-Synchronisierung zu einem Feature macht, werden Standalone-Produkte wie Dropbox sicherlich Einbußen hinnehmen müssen.

[mit Material von Bernd Kling, ZDNet.de]