Die Prozessoptimierer – Deutschlands Echtzeit-Unternehmen

Das Konzept der “Echtzeit” hat einigen IT-Anbietern zu einem märchenhaften Aufstieg verholfen. Sie messen ihre Umsätze in vier- und fünfstelligen Millionenbeträgen. Teil 2 unserer Serie über die zehn größten deutschen Hard- und Software-Hersteller.

Die Vorstellung, was ein Unternehmen ist und wie es organisiert und gesteuert wird oder mit anderen Organisationen interagiert, hat sich in den letzten drei bis vier Jahrzehnten grundlegend geändert. Damals galten Stempel und Lochkarten, Formulare und Schreibmaschinen als Werkzeuge eines gut funktionierenden Systems. Doch seit Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrtausends haben die Computer die Steuerungen übernommen.

Unternehmensberater und Prozessverantwortliche haben die gemächliche Geschwindigkeit von Papier und Umlaufmappen beendet. Heute laufen die Prozesse von der Bestellung über die Lagerverwaltung und die Produktionsplanung bis zu Versand, Abrechnung und Buchhaltung digital und idealerweise im Sekundentakt. Diese Geschwindigkeit bezeichnen die Prozessverantwortlichen gerne mit dem Ausdruck “Echtzeit” – mit der Echtzeit haben sie ihre Organisationen neu definiert und einigen IT-Anbietern zu einem märchenhaften Aufstieg verholfen. Dreißig bis vierzig Jahre nach ihrer Gründung messen diese Hersteller von Software und Hardware sowie die Netzwerk Dienstleister ihre jährliche Wertschöpfung in vier- bis fünfstelligen Millionen Euro Beträgen.

Das drittgrößte deutsche IT-Unternehmen – SAP

Den Takt der Arbeit bestimmen über weite Teile der Erde die Software in den Computersystemen und die Prozessoren der Server. Und ähnlich wie bei den Olympischen Spielen wird die Zeit bis auf die tausendstel Sekunde zerlegt und gemessen und genutzt. Auf diese Weise geben die Rechenzentren den Rhythmus vor, dem Menschen und Maschinen folgen. Netzwerke aus Rechenzentren befördern und verarbeiten eine vermutlich unendliche Zahl von Programmcodes. Und der vermutlich größte Teil dieser Codes hat einen gemeinsamen Produktnamen – SAP.

Das Unternehmen aus Walldorf machte mit der Entwicklung, dem Verkauf und dem Hosten seiner ERP-Systeme im vergangenen Jahr mehr als 14.000 Millionen Euro Umsatz. Damit ist das Unternehmen nicht nur unsere Nummer drei der größten deutschen IT-Unternehmen, sondern ist auch unter den weltweit ersten fünf Softwareherstellern zu finden. Das Management kann sich dank seiner weltweiten Kunden, deren Abhängigkeit von den digitalen Prozessen und den abgeschlossenen Serviceverträgen darauf verlassen, dass der Umsatz im schlechtesten Fall leicht absackt.

Doch das wird den erfolgsverwöhnten Gründern, Aktionären und Investoren nicht genügen. Und so arbeiten mehr als 53.000 Menschen auf allen Kontinenten daran, die schon mehrmals digital überarbeiteten Prozesse der SAP-Kunden weiter in ihrem Sinne zu verbessern. Um deren Arbeitsprozesse in tausendstel Sekunden “Echtzeit” automatisch zu steuern – von der Bestellung über die Produktion bis zum Zahlungseingang.

Platz vier – T-Systems

Die Aufgabenverteilung ist klar: In den Rechenzentren der T-Systems läuft die Software – unter anderem von SAP – und über die weltweiten Netze kommunizieren die Anwendungen verschiedenster Organisationen und Konzerne miteinander. Sie organisieren die Supply Chains, steuern die Produktionen, verwalten die Lager, unterstützen den Vertrieb und sind die Grundlagen für die Buchhaltung der Kunden.

Die T-Systems ist einer der wichtigen Player weltweit, wenn es darum geht, den globalen Datenfluss zu regeln, Daten entgegenzunehmen oder weiterzuschicken. Ganz sicher könnte Deutschlands Wirtschaft nur noch einen Bruchteil der Autos, der Maschinen und anderer Waren produzieren und liefern, wenn das gigantische Netzwerk aus T-Systems-Rechenzentren für einen Tag still stünde.

Im Jahr 2011 setzte das Tochterunternehmen der Deutschen Telekom mit dem Zusammenspiel aus Datentransport und Datenverarbeitung rund 9.200 Millionen Euro um, beschäftigte 48.200 Mitarbeiter und belegt den vierten Platz Unternehmenswertung.

Deutschlands Nummer neun – Software AG

In der Echtzeit-Ära kommunizieren Maschinen untereinander zehntausendmale schneller als etwa Menschen mit Menschen. Die Netzwerke übertragen innerhalb von tausendstel Sekunden unendlich viele Daten und Informationen, die bei den angeschlossenen Maschinen Entscheidungen oder Aktionen auslösen und wiederum Daten auf ihren Weg in die Netzwerke katapultieren. Offensichtlich bildet Informationstechnologie nicht mehr die Wirklichkeit der Menschen ab, sondern schafft eine neue, virtuelle Realität der Maschinen. Die Software AG liefert hierfür die Software.

Ein technischer Anspruch des Herstellers ist es möglichst viele der typischerweise tausenden Anwendungen innerhalb eines Unternehmensnetzwerkes zu verbinden. Anwendungen und Datenbanken sollen Daten und Informationen austauschen können, ohne Beschränkungen und ohne Verlust ihrer digitalen Geschwindigkeit. Nur so kann die ganze Organisation – einschließlich virtuell angebundener Partner, Lieferanten, Niederlassungen – in dem von der Zentrale vorgegebenen Takt laufen.

Sicher eine Herausforderung – denn je höher die Geschwindigkeit, desto höher die Werte der Transaktionen und desto höher auch die Risiken, falls eine Anwendung stolpert und das gesamte System mit abstürzt. Die Umsatzzahlen lassen vermuten, dass die Software AG diese Risiken im Griff hat. Die Darmstädter erwirtschafteten im Jahr 2011 mit 5.535 Mitarbeitern etwa 1.098 Millionen Euro und belegen den achten Platz der größten IT-Unternehmen Deutschlands.

Unsere Nummer zehn – DATEV

Es gibt Unternehmen und Organisationen, die fast jeder Mensch kennt und die faktisch zur DNA des Wirtschaftssystems gehören. Es ist häufig interessant herauszufinden, welchen Ursprung der Name dieser Gesellschaften hat.

Bei der DATEV ist das Ergebnis besonders überraschend. Die Organisation firmierte unter dem weitschweifenden Namen “Datenverarbeitungsorganisation der Steuerbevollmächtigten für die Angehörigen des steuerberatenden Berufes in der Bundesrepublik Deutschland, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht”. Bis heute ist der Rechenzentrumbetreiber DATEV eine Genossenschaft geblieben.

Die Dienstleistungen basierten zur Gründung des Unternehmens auf dem postalischen Versand von Lochkarten, inzwischen kommen sie zeitgemäß aus der Cloud. Eine Wolke für Steuerberater, deren Umsatz und Wert bei rund 730 Millionen Euro anzusetzen ist.

Mehr als 10 Millionen Menschen können die digitalen Dienstleistungen der DATEV mit ihren Händen greifen – sie erhalten ihre monatliche Lohnabrechnung aus der Genossenschafts-Cloud in Nürnberg. Und mögen Kritiker auch einwenden, dass die DATEV sicherlich nicht der zehntgrößte IT-Anbieter in Deutschland ist. Die Organisation hat wesentlichen Anteil daran, dass die Prozesse rund um die Lohnabrechnung revolutioniert und digitalisiert sind und heute ebenfalls in Echtzeit laufen. Damit hat die Millisekunden dauernde Überweisung des Gehaltes das Anstehen nach der Lohntüte abgelöst.

Lesen Sie am Mittwoch im dritten und letzten Teil unserer Serie, welche Unternehmen es noch in unser Ranking der zehn größten deutschen Hard- und Software-Hersteller geschafft haben. So viel sei schon mal verraten: Diesmal geht es um Roboter und Microcontroller. Und hier geht es zu Teil 1 unserer Serie: Die Staatstragenden – Deutschlands IT-Fundament.