Microsoft: EU-Strafe für “vergessene” Browserwahl

Der EU-Wettbewerbskommissar will offenbar deutliche Zeichen setzen, dass auch ein Weltkonzern wie Microsoft sich an Abmachungen zu halten hat.

Europas oberster Kartellwächter hat jetzt das bisher deutlichste Signal dafür gesendet, dass Microsoft mit einer Strafe zu rechnen hat. Der Hersteller hatte – anders als von der Kommission vorgegeben – monatelang Windows 7 ohne eine Auswahlmöglichkeit bei Browsern ausgeliefert.

Jetzt erklärte Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia in einem Interview mit der Agentur AFP, die Europäische Kommission müsse, da der Fehler zugegeben sei, nun “reagieren”.

“Der Fehler ist gemacht, er existierte mehr als ein Jahr lang und es ist klar, dass wir reagieren müssen”, sagte Almunia. “Uns beunruhigt nicht nur die Verzerrung des Wettbewerbs während dieser Zeit. Aus meiner Sicht ist es ein sehr ernstes Problem, dass Microsoft die Auflagen nicht erfüllt hat.” Die Ermittlungen der europäischen Behörden wären einfacher, wenn ein “Unternehmen, das gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, die Tatsache anerkennt.”

Am 17. Juli hatte die EU-Kommission eine formelle Kartelluntersuchung gegen Microsoft eingeleitet. Grund dafür waren Beschwerden, dass der Softwarekonzern Nutzern die verpflichtende Browserauswahl nicht mehr zur Verfügung stelle.

Microsoft räumte kurz darauf ein, dass die Browserauswahl in Windows 7 SP1 nicht mehr enthalten sei. Als Grund nannte das Unternehmen “einen technischen Fehler”. “Während wir davon ausgegangen sind, dass wir die Browserauswahl wie gefordert an alle maßgeblichen PCs verteilen, mussten wir kürzlich feststellen, dass wir rund 28 Millionen PCs mit Windows 7 SP1 ausgelassen haben”, teilte das Unternehmen im Juli mit.

2008 war Microsoft von der EU zur Zahlung einer Rekordstrafe von 899 Millionen Euro verurteilt worden. Das Unternehmen aus Redmond hat laut EU-Kommission Wettbewerbern jahrelang nicht genügend Informationen über Schnittstellendefinitionen geliefert sowie zu hohe Lizenzgebühren verlangt und so seine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt. Damit verstieß es gegen frühere EU-Sanktionen aus dem Jahr 2004. Das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg bestätigte das Bußgeld im Juni grundsätzlich, senkte es aber leicht auf 860 Millionen Euro.

Die EU kann bei Kartellvergehen eine Strafe in Höhe von 10 Prozent des jährlichen weltweiten Umsatzes eines Unternehmens verhängen. Basierend auf den Zahlen des Geschäftsjahrs 2012 wären das im Fall von Microsoft 5,7 Milliarden Euro.

In Windows 8, das erst Ende Oktober in den Handel kommt, hat Microsoft die Browserauswahl kürzlich eingebaut. Außerdem bot das Unternehmen an, die Frist, innerhalb der es die Browserauswahl anzubieten verpflichtet ist, von sich aus um 15 Monate zu verlängern. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die EU zu besänftigen, bleibt abzuwarten.

[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]

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