Urheberrechtliche Abmahnung – Einführung und Hintergründe

Aktuell geht offensichtlich wieder einmal eine “Abmahnwelle” durch das Netz, bei der verschiedenen Blogs der Vorwurf gemacht wird, durch ungenehmigte Bildveröffentlichungen Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben. Da dies nicht der erste und wohl auch nicht der letzte Fall sein wird, sollen nachfolgend die juristischen Details, aber auch etwaige Verteidigungsstrategien näher erläutert werden.

 Dieser Beitrag wurde nicht zuletzt dadurch veranlasst, dass – nach wie vor – sehr viel Halbwissen im Internet verbreitet wird, was dann ganz oft auch zu falschen Interpretationen und natürlich auch zu Unverständnis für das ganze Urheberrecht, aber auch bezüglich des “Werkzeugs” Abmahnung führt.

Vorab: Auch ich halte die aktuellen Abmahnungen und vor allem die damit geltend gemachten Forderungen für deutlich überzogen. Tatsächlich hat sich ja auch der Gesetzgeber bereits intensive Gedanken gemacht, wie man dem massenhaften Abmahn(un)wesen besser Herr werden kann. Der zweifelhafte Einsatz des Werkzeugs Abmahnung einer überschaubaren Anzahl von Kanzleien sollte aber nicht dazu führen, dass Urheberrecht als solches zu “verteufeln” oder die Abmahnung generell als Geldschneiderei anzusehen.

 

 

Wie so oft, hilft auch hier ein differenzierter Blick, zu dem die nachfolgenden Ausführungen vielleicht ein bißchen beitragen können (siehe dazu auch die Liste entsprechender FAQ beim geschätzten Kollegen Schwenke).

I. Urheberrechtliche Grundlagen

Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) schützt unterschiedliche Inhalte wie Texte, Bilder, Audio- und Videoinhalte unter bestimmten Voraussetzungen. Während ein Text nur geschützt ist, wenn er die nötige Schöpfungshöhe (d.h. ein bestimmtes Maß an kreativer Gestaltung) erreicht, sind Bilder in aller Regel “automatisch” vom Urheberrecht geschützt. Auf eine besondere Kreativität bei der Motivauswahl kommt es also nicht an.

Wenn einem Inhalt (wie in den vorliegenden Abmahnungen den Bildern) also Urheberrechtsschutz zukommt, so darf ein Dritter nicht ohne entsprechende Zustimmung des Urhebers in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte eingreifen. Dazu gehört unter anderem das Recht zur Veröffentlichung gemäß § 16 UrhG.Bevor also fremde Bilder veröffentlicht werden, sollte man sich entsprechende Nutzungsrechte einräumen lassen. Hierfür würde sogar eine entsprechende mündliche Erklärung des Urhebers genügen. Da die Nutzungsrechte aber möglichst detailliert (wie lange, welche Medien, Vergütung etc.) geregelt werden sollten und dann auch besser dokumentiert sind, empfiehlt sich grundsätzlich eine schriftliche Fixierung (ggfls auch per E-Mail) der Erklärung des Rechteinhabers.Ähnlich “funktionieren” die diversen Bilder-Portale (sog Stock-Archive), bei denen Privatpersonen und Unternehmen auf Grundlage der jeweiligen Lizenzbedingungen entsprechende Nutzungsrechte zur Veröffentlichung im Internet erwerben können.
Das Urheberrecht ist also auch im Hinblick auf das Internet und die Sozialen Medien grundsätzlich “handelbar”. Auch wenn man über Details im aktuellen Urheberrechtsgesetz sicher diskutieren kann und es in einigen Bereichen tatsächlich dringenden Reformbedarf gibt, so ist die Idee, die Verwertung schützenswerter Inhalte von dem Einverständnis des Urhebers/Rechteinhabers bzw. eine wirtschaftliche Partizipation abhängig zu machen, in jedem Falle sinnvoll.

Soweit in den aktuellen Fällen also tatsächlich Bilder verwendet worden sind, für die seitens des Urhebers (d.h. der Fotograf) oder des Rechteinhabers (d.h. der Bildagentur), dem entsprechende Verwertungsrechte weitergegeben worden sind, für die keine Rechte zur Veröffentlichung im Internet eingeräumt worden sind, so stellt dies eben eine Urheberrechtsverletzung dar.

Im Falle einer Urheberrechtsverletzung kann der Berechtigte Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Kostenerstattung und Schadenersatz geltend machen.

II. Die Abmahnung

Im Grundsatz könnte der Rechteinhaber auch direkt klagen. Die Abmahnung soll eigentlich der außergerichtlichen Beilegung des Streits dienen und dem Empfänger die Gelegenheit geben, die Rechtsverletzung einzusehen und so die Angelegenheit unter Vermeidung weitergehender Kosten eines Gerichtsverfahrens zu erledigen.

An sich ist die Abmahnung also ein sinnvolles Werkzeug. Leider wird dieses Mittel von einigen Massenabmahnern missbraucht, denen es weniger um die Beseitigung des Rechtsverstoßes geht, sondern primär um Anwaltsgebühren und Schadenersatz. Ein entsprechender massenhafter Einsatz hat zu dem schlechten Ruf der Abmahnung geführt.

Wer nun aber undifferenziert nach der Abschaffung der Abmahnung ruft, muss sich die Frage gefallen lassen, ob es besser wäre, wenn in all den bekannten Fällen geklagt würde und dadurch deutlich höhere Kosten anfielen. Deutlich besser erscheint es, das Abmahnungsprozedere so zu modifizieren, dass man den massenhaften Missbrauch (gerade auch gegenüber Privatpersonen) weitergehend eindämmt.

III. Inhalte einer Abmahnung

Eine Abmahnung besteht in aller Regel aus einem anwaltlichen Anschreiben nebst Vollmacht, einer Gebührennote und einer vorformulierten Unterlassungserklärung. Auch diesbezüglich wird auf verschiedenen Internetseiten und Foren vor allem im Hinblick auf verschiedene aufgeführte Geldbeträge (Gegenstandswert, Abmahnkosten, Vertragstrafe) einiges missverstanden.

In dem Anschreiben macht ein Anwalt in der Regel für einen Mandanten darauf aufmerksam, dass unzulässigerweise in dessen (Urheber-)rechte eingegriffen worden ist. Darüber hinaus fordert der Anwalt dazu auf, die Rechtsverletzung unverzüglich zu beseitigen und auch in Zukunft zu unterlassen. Dem kommen die Abmahnungsempfänger grundsätzlich auch problemlos nach.

Da die reine Beseitigung des Rechtsverstoßes, also die Entfernung eines Bildes, aber nicht die sogenannte Wiederholungsgefahr beseitigt, ist es in Deutschland erforderlich, auch ernsthaft zu versprechen, dass das Bild nicht mehr verwendet wird.

Hierfür dient die Unterlassungserklärung, mit der der Abgemahnte sich unter einer Vertragsstrafe verpflichten muss, das Bild nicht mehr zu verwenden. Die Vertragsstrafe ist dann jedoch erst im Wiederholungsfall zu zahlen.

Im Falle einer berechtigten Abmahnung sollte auf jeden Fall EINE Unterlassungserklärung abgegeben werden. Da die Unterlassungserklärung, die der Abmahnung beiliegt vom abmahnenden Anwalt und damit einseitig zugunsten der abmahnenden Partei formuliert ist (z.B. oft durch pauschale Vertragstrafe von 5001 €), sollte die Unterlassungserklärung so modifiziert werden, dass sie den juristischen Anforderungen zwar genügt, den Abgemahnten aber eben nicht unverhältnismäßig verpflichtet. Sollte sich der Verstoss nämlich wiederholen, so ist unmittelbar die vereinbarte Vertragsstrafe fällig. Da eine Unterlassungserklärung in der Regel 30 Jahre bindet, sollte diese auch angemessen geprüft werden.

Gerade bei urheberrechtlich begründeten Abmahnungen wird zudem ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht. Dieser wird meistens im Wege der sogenannten Lizenzanalogie berechnet, also in der Größenordnung, die zu bezahlen gewesen wäre, wenn der Abgemahnte eine ordnungsgemäße Nutzungslizenz erworben hätte. Die Höhe hängt naturgemäß von der Dauer der Verwendung des Bildes ab. Oft wird in Abmahnungen ein pauschales Vergleichsangebot unterbreitet, manchmal auch Auskunft verlangt, seit wann der Inhalt im Internet veröffentlicht ist.

Schließlich wird verlangt, dass der Abgemahnte die Kosten der anwaltlichen Abmahnung übernimmt (sog. Kostenerstattungsanspruch). Auch dies folgt der – zunächst einmal nachvollziehbaren – Vorstellung, dass der Rechteverletzer den Anwalt bezahlen soll, den der Rechteinhaber zur Wahrnehmung seiner Rechte einschalten musste. Die Höhe der Anwaltsvergütung orientiert sich am Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), dass je nach dem individuellen Streitwert spezifische Honorare festlegt. Auch hier enthalten Abmahnungen oft überhöhte Forderungen, die mit der entsprechenden Argumentation auch heruntergehandelt werden können, wenn der Urheberrechtsverstoß als solcher nicht angreifbar ist.

IV. Verteidigungsstrategien

Abmahnungen sollten auf jeden Fall ernst genommen werden, weil im Falle einer Nichtreaktion ein gerichtliches Verfahren (oft einstweilige Verfügung) droht, was mit deutlich höheren Kosten verbunden wäre.

Der Urheberrechtsvertoß als solcher kann in Frage gestellt werden, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechteinhaberschaft der abmahnenden Partei begründet werden können oder die Einräumung entsprechender Nutzungsrechten belegt werden können. Bezüglich des letzten Punktes ist der Verwender eines Bilde vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig. Wer also nicht hinreichend beweisen kann, dass entsprechende Nutzungsrechte vom Berechtigten eingeräumt worden sind, würde einen entsprechenden Rechtsstreit verlieren. Unwissenheit schützt also auch hier nicht vor rechtlichen Folgen.

Selbst wenn der Urheberrechtsverstoß als solcher nicht angegriffen werden kann, können mit der entsprechenden Argumentation und unter Anführung entsprechender Gerichtsurteile oft die geltend gemachten Schadenersatzansprüche bzw. die eingeforderten Anwaltskosten heruntergehandelt werden. Zusätzlich sollte bei berechtigten Abmahnungen eben eine entsprechende modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben werden.

Kommt eine Einigung mit der Gegenseite nicht zustande, so hat es sich in diversen Fällen schon als sinnvolle Strategie herausgestellt, die modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben und den Betrag zu bezahlen, der auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung plausibel erscheint. Oft ist der abmahnende Anwalt dann nicht bereit, das Prozessrisiko für den überschießenden Teil des eingeforderten Betrages gerichtlich geltend zu machen.

VI. Résumé

Das Urheberrecht ist kein “Teufelszeug” und wird gerade in der digitalisierten Welt dringend gebraucht, um die Kontrolle über die Verwertung schützenswerter Inhalte auch dem “Schöpfer” zu überlassen bzw. um die Möglichkeit einer wirtschaftliche Partizipation sicherzustellen. Gleichzeitig besteht bezüglich einiger elementarer Details des aktuellen Urheberrechts dringender Reformbedarf, um marginale Verstöße gerade im privaten Bereich nicht mehr unverhältnismäßigen Rechtsfolgen, wie Schadenersatz- und Kostenerstattungsansprüchen in Höhe von mehreren Tausend Euro auszusetzen. Eine Tendenz der Rechtsprechung in diese Richtung ist bereits zu erkennen.

Bei einer gewerblich motivierten Verwertung von urheberrechtlich geschützten Inhalten hingegen sind angemessene Ansprüche zum Schutz der Urheber bzw. Rechteinhaber von einiger Bedeutung.

Die Abmahnung macht auch in Zukunft in vielen Fällen Sinn, in denen der Gegenseite zunächst die Gelegenheit zur außergerichtlichen Beilegung eingeräumt werden soll. So halte ich es für völlig legitim, etwa die Ausnutzung einer Marke im gewerblichen Umfeld abzumahnen. Es erscheint auch nachvollziehbar, dass in diesen Fällen der Rechteverletzer und nicht der Markeninhaber die angemessenen Anwaltskosten trägt.

Gesetzliche Gegenmaßnahmen gegen missbräuchliche bzw. massenweise Abmahnungen, bei denen mit immer wiederkehrenden Standardschreiben unverhältnimäßige Honorarforderungen gestellt werden, sind hingegen dringend notwendig.

Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass zahlreiche Anwaltskollegen das Werkzeug Abmahnung durchaus mit Bedacht und Augenmaß einsetzen. Gerade bei Rechtsverletzungen im privaten Bereich raten auch wir zahlreichen Unternehmensmandanten zunächst zu einem kostenlosen “Warnschuss”, um den Empfängern – die sich der Rechtswidrigkeit ihres Tun manchmal überhaupt nicht bewusst sind – Gelegenheit zu geben, den Verstoß ohne weitere Folgen zu beseitigen.

Gerade in Zeiten von Social Media sollten Anwälte auch die kommunikativen Folgen ihrer Aktivitäten für den Mandanten (Stichwort: Shitstorms) abwägen, um aus dem “Köcher” möglicher Maßnahmen auch das angemessene Mittel zu wählen…