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Computer als Intelligenzverstärker

silicon.de: Was bedeutet Intelligenz bei IT-Systemen und wie entwickelt man diese Intelligenz?

Kloeckner: Überlegen Sie sich, was die Systeme tun, über die wir als “intelligent” reden könnten – es sind vernetzte Systeme. Es sind Systeme, die instrumentiert sind. Es sind Systeme, die in dem Sinne intelligent sind, dass sie die Daten, die sie bekommen, aggregieren und in einen Kontext stellen, der von den Nutzern und Betreibern vorgegeben wird.

Ein Beispiel ist die Verkehrsplanung: Informationen über den Zustand – oder den wahrscheinlichen Zustand – der Infrastruktur und zweitens die sehr schnelle Anpassung an diesen Status. Da geht es etwa um die Umleitung von Zügen. Gleichzeitig informiert sie die Fahrgäste über die wahrscheinlichen Auswirkungen, so dass sie ihr eigenes Verhalten ändern können.

silicon.de: Es geht um ein statisches System gegen ein dynamisches System?

Kloeckner: Unter anderem. Auf der einen Seite ein einfaches System, das Sie als Mensch noch begreifen können – auf der anderen Seite ein System, das so komplex ist, dass Sie es als Mensch – oder als eine Gruppe von Menschen – nicht mehr erfassen können.

Die Spannung setzt in dem Moment ein, indem ich mich frage – kann ich dem System vertrauen? Weiß ich, ob sich das System verhält wie das Modell? Kann ich sicherstellen, dass das System bestimmten sicherheitsrelevanten Vorgaben folgt?

silicon.de: Das Problem ist aber immer, dass der Mensch, der ein Modell gebaut hat, einen Fehler gemacht haben könnte?

Kloeckner: Natürlich …

silicon.de: … und am Ende kann das System nur auf Basis der Daten arbeiten, die der Mensch eingegeben hat oder die mit den Sensoren gesammelt werden.

Kloeckner: Natürlich. Das ist die Abgrenzung zu neuronalen Netzen – die waren vor einigen Jahren mal sehr beliebt. Intelligente Systeme nehmen dem Menschen eine bestimmte Art von Arbeit ab. Aber sie sind nicht kreativ und sie können auch keine eigenen Zusammenhänge herstellen.

silicon.de: Auch bei Menschen ist Kreativität nicht gleich Intelligenz…

Kloeckner: Das ist richtig. Was ich meine ist, dass die Systeme keine neuen Kontexte kreieren. Die Anwender können die Systeme innerhalb der bekannten Kontexte beherrschen. Und das ist auch das, was wir bei IBM im Moment beherrschen und verstehen.

Aber das alleine ist schon fantastisch. Denken Sie an Arzt-Assistenzsysteme, Robotersysteme, die trainiert werden, bestimmte Bewegungsabläufe zu machen, die ein Mensch sicher niemals so repetitiv machen könnte.

Um diese Prozesse zu entwickeln, benötigen die Anwendungsentwickler Tools – es geht nicht um das Zusammenarbeiten von drei Leuten in einer Garage, sondern um das Zusammenarbeiten von tausenden Menschen, von denen nicht alle brillant sind. Und die sitzen über die gesamte Erde verteilt – in Tokio, Berlin, Indien und so weiter.

silicon.de: Was ist denn dann “smart” im Vergleich zu “intelligent”?

Kloeckner: Wir hatten uns überlegt, welche Attribute den “Smart Planet” auszeichnen. Und wir kamen auf “interconnected”, “instrumented” und weil wir ein drittes “i” gesucht haben, haben wir “intelligent” noch hinzugefügt.

silicon.de: “Intelligent” ist ein eher zufällig gewähltes Bestandteil von “smart”?

Kloeckner: “Smart is intelligent with the context and with the purpose.” Smart ist also auf ein Ergebnis hin ausgerichtet.

silicon.de: Das heißt ein “Smartes System” sammelt die Daten nicht nur, sondern es analysiert sie auch …

Kloeckner: Ja. Das heißt, die Daten in einen Kontext stellen, so dass irgendjemand – sei es das System ist vorprogrammiert oder es gibt einen Entscheider – eine Entscheidung treffen kann.

silicon.de: Bei “Smart City” sind wir ja in der Situation, dass eine Stadt zum größten Teil fertig gebaut ist, die wichtigsten Projekte sind abgeschlossen. Jetzt wollen wir Tools und Werkzeuge nutzen, um ein Gebäude, eine Stadt, einen Landkreis “intelligent” zu machen. Wie viel können wir noch ändern?

Kloeckner: Das ist eine schwierige Frage, viel verändern können Sie sicherlich nicht mehr. Aber bestimmt Elemente der Intelligenz müssen eingebaut werden.

Wenn Sie keine Sensoren benutzen, können Sie keine Abnutzungen von Schienen oder Rädern beobachten. Ein anderes Beispiel: Bei einem großen Frachttransporter der USA hat der CIO eine ganz neue Rolle bekommen. Das IT-System umfasst jetzt auch den “Rolling Stock” – die Lokomotiven, Wagen und so weiter. Dies alles wird in ein großes Logistiksystem eingepasst.

Bei all diesen sehr großen und sehr dynamischen Systemen ist die große Herausforderung – kann man zu jeder Zeit genügend Informationen über den Zustand des Systems und aller seiner Elemente erfahren, um es optimal anzupassen?

silicon.de: Scheitert die “Software Intelligenz” an der Wirklichkeit in den Unternehmen? Es gibt eine Studie zum Thema “Energieeffizienz am Flughafen” des Instituts für Informationswirtschaft . Einerseits sind Flughäfen gezwungen ständig zu wachsen, zu bauen, neue Dienstleistungen für die Airlines anzubieten. Andererseits haben sie eine völlig unübersichtliche Mischung aus IT-Systemen, die untereinander womöglich nicht kompatibel sind. Technisch gesehen ist jede neue Halle ein vernetztes High-Tech-System mit hoher Intelligenz, ein “Smartes Terminal”, eine “Smarte Kühlhalle”. Tatsächlich arbeiten die Verantwortlichen nicht mit automatisierten Reports, sondern mit Excel-Listen und Schraubenziehern.

Kloeckner: Das ist ein wichtiger Punkt: Viele Verantwortliche verstehen Software nicht. Deshalb sind die Softwareingenieure in den Unternehmen häufig nur zweite Klasse. Andererseits passieren die meisten Fehler im Bereich Software. Deshalb müssen die Entwickler in den Unternehmen in der Hierarchie weiter oben stehen. Sie müssen eine bessere Ausbildung bekommen, sie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden können.

Ein Flughafen wird nicht vom Himmel fallen. Es gibt Komplexität, die auf der Struktur basiert und Komplexität, die aus Veränderung resultiert. Was wir versuchen ist mit unseren Tools beide Arten der Komplexität beherrschbar zu machen.

silicon.de: Aber sind IT-Systeme nützlich, wenn sie zwar “intelligent” oder “smart” sind – wir sie aber eben nicht beherrschen können?

Kloeckner: Was können Computer gut? Wenn sie gut programmiert sind, können sie große Datenmengen zueinander in Beziehung setzen. Menschen können das nicht. Menschen können durch Intuition und Erfahrung Entscheidungen treffen, die so für Computer nicht möglich sind.

Es gibt Dinge, die wir nicht automatisieren können. Aber es kann auch ein Fehler sein, Dinge nicht zu automatisieren, die sie automatisieren könnten. Bei einem intelligenten System ist es am Ende immer die Intelligenz der Entwickler, der Designer oder der Software-Architekten. IBM Rational bietet in diesem Sinne lediglich Intelligenzverstärker.

silicon.de: Vielen Dank für das Gespräch!

Tipp: Wie gut kennen Sie IBM? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de

Redaktion

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