Patentstreit mit Oracle – Google bekommt Schützenhilfe

In einem von 32 Computerwissenschaftlern und hochrangigen Vertretern der Technologiebranche unterzeichneten eigenen Schriftsatz – einem sogenannten Amicus-Curiae-Brief – kritisiert die EFF Oracles Versuch, ein Urheberrecht auf Programmierschnittstellen (Application Programming Interface, API) durchzusetzen.

Der Brief wurde unter anderem vom MS-DOS-Autor Tim Paterson, Larry Roberts, Entwickler des Internet-Vorläufers ARPANET, und Mozilla-CTO Brendan Eich unterzeichnet. Den US-Court of Appeals for the Federal Circuit fordern sie auf, das erstinstanzliche Urteil zugunsten Googles zu bestätigen, da ein Urheberrecht für APIs Innovationen behindere und der Interoperabilität in der Technologiebranche schade.

Offene APIs ermöglichten eine Kompatibilität, ohne die es Computer und das Internet in seiner heutigen Form nicht gebe, sagte EFF-Fellow Michael Barclay. “Offene APIs fördern die Entwicklung von Software, wodurch Programme geschaffen werden, die sich die Autoren der Schnittstellen nie hätten vorstellen können.”

“Das Gesetz macht schon jetzt deutlich, dass Computersprachen Kommunikationsmedien sind und urheberrechtlich nicht geschützt werden können”, ergänzte EFF-Anwältin Julie Samuels. “Selbst wenn das, was in der Sprache geschrieben wurde, geschützt werden kann, gilt das nicht für Funktionen, die alle in der gleichen Art geschrieben werden müssen. APIs sind gleichermaßen zweckgebunden – sie sind Spezifikationen, die es Programmen erlauben, miteinander zu kommunizieren.”

Begonnen hatte der Rechtsstreit 2010. Google soll angeblich gegen die Rechte verstoßen, die Oracle an 37 Java-APIs hält. Der Suchkonzern habe die Programmierschnittstellen wissentlich ohne eine Lizenz von Sun Microsystems benutzt, das Oracle 2010 übernommen hatte. Google hielt dem entgegen, dass es die APIs kostenlos verwenden dürfe, weil Java selbst gratis zu nutzen sei und die Schnittstellen Voraussetzung für die Anwendung der Programmiersprache seien.

Im Mai 2012 entschieden die Geschworenen, dass Google die “gesamte Struktur, Abfolge und Organisation” der Programmiersprache Java verletzt. Uneinig war sich die Jury jedoch, ob Googles Nutzung von Java als “Fair Use” gelten kann, also trotz Urheberrechtsverletzung angemessen ist. Im zweiten Teil des Prozesses entschieden die Geschworenen einstimmig, dass Android keine Oracle-Patente verletzt. Der vorsitzende Richter urteilte anschließend, dass APIs nicht dem Urheberrecht unterliegen, und wies die entsprechenden Ansprüche Oracles zurück.

Im Februar 2013 reichte Oracle schließlich eine Beschwerde gegen das Urteil ein. Seinen Berufungsantrag begründete es damit, dass Googles Nutzung von Java in Android “eindeutig unfair” sei. Selbst kurze Gedichte und “sogar eine chinesische Speisekarte” fielen unter das Urheberrecht. Was Oracle mit Java geschaffen habe, sei “deutlich origineller, kreativer und arbeitsintensiver.”

Oracles Position wird wiederum von Microsoft gestützt. Im Februar kündigte der Softwartekonzern an, einen eigenen Amicus-Curiae-Brief beim US-Court of Appeals einzureichen. Der Inhalt des Schreibens ist allerdings bisher nicht bekannt. Üblicherweise liefert ein Amicus wie Microsoft dem Gericht zusätzliche Informationen und Einschätzungen zum verhandelten Sachverhalt, weil seine eigenen Interessen durch den Rechtsstreit berührt werden. Im US-Rechtssystem gilt er auch als eine Art parteiischer Sachverständiger.

[mit Material von Dara Karr, News.com]

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Redaktion

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