Wahlprogramme im Vergleich: die Parteien und ihre Netzpolitik

CDU

Die CDU thematisiert Netzpolitik in ihrem Wahlprogramm (PDF) vorwiegend in einem gut drei Seiten langen Textabschnitt unter der Überschrift “Digitales Wachstumsland Nr. 1 in Europa. Internet und digitale Gesellschaft” und sieht sie als Querschnittsaufgabe. Das Programm nennt viele der durch die Digitalisierung angestoßenen Zukunftstrends (Clouds, Smart Home, Smart Grid, Sharing Economy, Industrie 4.0), die sie vor allem als Chance für neues Wirtschaftswachstum versteht. Deshalb sollen diese Themen erforscht werden und in den gesellschaftlichen Diskurs einfließen.

Der Breitbandausbau soll bis 2018 flächendeckend abgeschlossen sein, unterstützt durch eine europäische Koordinierungsstelle und EU-Geld. Bei der Umsetzung baut die CDU auf Privatunternehmen. Sie will keinen Universaldienst, nennt keine Bandbreite und favorisiert keine Technologie. Auch Public WLAN Hotspots sollen ausgebaut werden.

Bei der Datenpolitik fordert die CDU einerseits den Schutz der Privatsphäre, andererseits will sie Daten für “die verantwortungsbewusste Nutzung von Daten für die Umsetzung innovativer Projekte” freigeben, wobei ein “zeitgemäßer Datenschutz” gefragt ist. Das europäische Datenschutzrecht will die CDU weiterentwickeln. Insgesamt macht die CDU wenig konkrete Vorschläge zur Regelung von Einzelthemen.

FDP

Die FDP behandelt die Netzpolitik schwerpunktmäßig im Kapitel IV (“Freiheit, damit jeder seinen eigenen Weg gehen kann”) ihres Wahlprogramms (PDF) zusammen mit anderen (Grund)rechtsthemen. Im Abschnitt “Grundrechte in der digitalen Welt” geht die FDP von einem “selbstbestimmten und aufgeklärten Nutzer” aus, der seine eigenen Entscheidungen trifft. Die FDP legt einen besonderen Fokus auf Schutz und Stärkung der Persönlichkeitsrechte, zum Beispiel den Schutz vor der unerlaubten Erstellung von Persönlichkeitsprofilen.

Das Justizministerium soll für den Datenschutz zuständig sein. Für die europäische Datenschutzverordnung wird ein hohes Schutzniveau angestrebt. Anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die Speicherung von Fluggastdaten und jede Form der Totalüberwachung lehnt die FDP ab. Das Internet soll netzneutral bleiben, wobei die FDP damit meint, dass einzelne Angebote innerhalb einer Dienstklasse nicht diskriminiert werden dürfen. Telekommunikationsüberwachung innerhalb Deutschlands soll nur in rechtlich gesichertem Rahmen erfolgen, Funkzellabfragen müssen verhältnismäßig sein.


Die Grünen

Die Grünen widmen in ihrem Wahlprogramm (PDF) der Netzpolitik ein umfangreiches Kapitel und gehen teilweise sehr ins Detail. Ein 6 MBit/s schneller Breitbandzugang, idealerweise auf Glasfaserbasis, soll flächendeckend als Universaldienst bereitgestellt werden – wann, darüber schweigt das Programm. Themen wie Green-IT, Stromverbrauch von Rechenzentren und die konkreten Konsequenzen flexibilisierter Arbeitsverhältnisse in der digitalen Wirtschaft behandelt nur das Grünen-Programm.

Die Partei setzt auf alle Open-Varianten: Open Data für Behörden, Open Source bei der Softwareerstellung und Open Access für Wissenschaftspublikationen. Der Behebung von Sicherheitslücken in Software- und IT-Produkten geben sie Vorrang beispielsweise vor dem Urheberrecht oder der Unversehrtheit von Gütern.

Netzneutralität soll Gesetz, Freiheits- und Bürgerrechte besser geschützt werden, am besten durch eine globale Internet-Governance-Struktur und ein umfassendes, gesetzlich Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis. Daten dürfen nur nach ausdrücklicher Einwilligung gespeichert und etwa für Werbezwecke ausgewertet werden. Medienkompetenz soll lebenslang vermittelt werden.

Das Leistungsschutzrecht lehnen die Grünen ab. Insgesamt möchten sie hinsichtlich urheberrechtlich geschützter Werke “vergüten statt verfolgen”. Rechte soll eine zentrale Anlaufstelle verkaufen, auch für zum Beispiel Remixes. Sie planen eine Pauschalabgabe auf Breitbandanschlüsse (“Kultur-Flatrate”) zur Förderung der digitalen Kultur.

Die Linke

Die Linke behandelt Netzpolitik in einem kurzen Abschnitt ihres Programms. Sie sieht diesen Bereich als Gesellschaftspolitik und benennt explizit auch die Risiken der Digitalisierung:, etwa den Verlust demokratischer Kontrolle oder die Gefährdung der informationellen Selbstbestimmung durch exzessives Datensammeln aus geschäftlichen oder anderen Gründen.

“Solidarisches Handeln” und “neue soziale Ökonomien” sieht die Partei als Chancen digitaler Technologie. Die Linke fordert einen flächendeckenden Universaldienst mit einer Bandbreite von zunächst 10 MBit/s und will autonome Funknetze fördern. Internetfähige Geräte sollen zum soziokulturellen Existenzminimum gehören, TK-Netze verstaatlicht oder anderweitig Gemeineigentum werden, um die Netzneutralität zu sichern.

Zensur und Netzsperren will die Linke unterbinden. Eine geänderte Störerhaftung soll es ermöglichen, Internetanschlüsse zu teilen. Die Linke fördert alle Open-Technologien (Open Access, Software, Data) und Fair-Work-Initiativen weltweit sowie neue Finanzierungs- und Vergütungsmethoden für Urheber (Creative Commons, Crowdfunding etc.). Das Leistungsschutzrecht lehnt die Linke ab, digitale Kulturgüter sollen weiterverkauft und nicht-kommerziell getauscht werden können.

Piratenpartei

Die Piraten widmen der Netzpolitik fünf Seiten ihres Programms. Sie fordern, Netzneutralität zu stärken und gesetzlich zu verankern. Beim Urheberrecht plädieren sie für größere Rechte der Allgemeinheit, ein Erlöschen des Urheberrechts zehn Jahre nach dem Tod des Urhebers, für Filme 50 und für Software 20 Jahre nach Veröffentlichung.

Privatkopien, Remixes und Meshups sollen grundsätzlich erlaubt sein. Ehrliche Erwerber sollen keine Rechtsverfolgung erleiden. Gegenüber den Verwertern sollen die Urheber gestärkt werden, beispielsweise, indem nicht genutzte Rechte schneller an sie zurückfallen. Bildungs- und Forschungseinrichtungen sollen alle Medien frei erhalten, Bibliotheken gestärkt werden.

Auch Micropayment und Crowdfunding wollen die Piraten fördern. Digitale Zertifikate und Verschlüsselung sollen als staatliche Dienstleistung für jeden kostenlos zugänglich sein, Netzdienste stets anonymisiert oder pseudonymisiert genutzt werden dürfen.

Den “Hackerparagraphen” §202c StGB wollen die Piraten abschaffen. Internetdienstanbieter sollen für Rechtsverletzungen ihrer Kunden nicht zur Verantwortung gezogen werden. Analog zum Fernmeldegeheimnis wollen die Piraten ein Telemedien-Nutzungsgeheimnis rechtlich kodifizieren.

SPD

Die SPD thematisiert die Netzpolitik in ihrem Wahlprogramm (PDF) im Kapitel III.6 (Kultur-, Medien- und Netzpolitik) relativ knapp. Sie definiert den Netzzugang als “demokratisches Bürgerrecht”, verbunden mit Datenschutz und Schutz der Persönlichkeitsrechte auch in sozialen Netzwerken. Diese sollen einen entsprechenden Rechtsrahmen erhalten.

Breitbandnetze sollen flächendeckend durch eine Universaldienstverpflichtung, den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen und private Investitionen entstehen, für die die SPD geeignete Rahmenbedingungen schaffen will. Auch WLANs sollen nach Meinung der Partei ausgebaut werden und WLAN-Betreiber nicht mehr für ihre Nutzer haften.

Auch die SPD befürwortet Open-Data-Projekte, Open Access für Wissenschaftspubikationen und sieht in der Digitalisierung eine Chance, die Demokratie zu revitalisieren. Beim Urheberrecht lehnt sie das Leistungsschutzrecht ab und will für die rechtssicheren Nutzung von Inhalten vereinfachte Lizenzmethoden entwickeln.

Außerdem will die SPD gegen Plattformen vorgehen, die illegal Inhalte zugänglich machen, indem ihnen Haftungsprivilegien entzogen und ihre Kooperationen mit Werbetreibenden und Zahlungsdienstleistern sanktioniert wird. Die SPD fordert umfassende Medienkompetenz durch Bildung, die zur “digitalen Selbständigkeit” führt.

[Mit Material von Ariane Rüdiger, ZDNet.de]

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Redaktion

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