IRQ 14-03: Hannologismen

Achim Killer wundert sich über die Rolle von David Cameron auf der CeBIT. “Datability” war deren Moto. Praktische Erfahrungen hat der britische Premier ja wohl mit Big Data gesammelt. Aber dass ein Landsmann von William Shakespeare, Oscar Wilde und Charles Dickens in die Hauptstadt des Pidgin-English kommt, erstaunt unseren Kolumnisten doch sehr.

Gewaltmenschen kann man beleidigen, indem man ihr Vaterland, Feingeister, indem man ihre Muttersprache in den Schmutz zieht. Insofern ist es schon bezeichnend, dass David Cameron die Einladung zur CeBIT offenkundig überhaupt nicht als Anpöbelei empfunden hat. Obwohl sich im Vorfeld dieser Veranstaltung doch jedes Jahr die furchterregendsten aller native Walldorf-English-Speakers treffen, um über das Messemotto nachzudenken. Dabei kommen dann auch nicht die in der Branche ansonsten so beliebten TLAs (Three Letter Acronyms) heraus, sondern meist OWLs (One Word Lies).

Lügen lässt sich natürlich nicht mit nur einem richtigen Wort. Deshalb wohl nehmen diese Leute zwei, verkrüppeln eins davon und fügen dann die Teile zu einer sprachlichen Chimäre zusammen. “Datability” lautete das diesjährige Motto, ein verbaler Bastard aus Big Data und responsibility (Verantwortung) oder sustainability (Nachhaltigkeit).

“In the wild”, wo sich andere Malware beweisen muss, ist dieser Marketing-Wolpertinger wahrscheinlich nicht überlebensfähig. Er existiert aber in der schmutzigen Phantasie von PR-Leuten, wonach sich alles verkaufen lässt, wenn man’s nur gefällig präsentiert. – David Cameron allerdings störte sich nicht daran, dass Big Brother versucht, seine Muttersprache zum Anschaffen zu schicken.

Bei der “Shareconomy” des vergangenen Jahres wiederum handelte es sich eindeutig um einen partiellen Diebstahl geistigen Eigentums. Denn erfunden hatten das Filesharing ursprünglich Software-Piraten und andere Freigeister. Sie wurden expropriiert, um ihr Handwerkszeug als beschönigende Vorsilbe für ein  lukratives Geschäft verwenden zu können.

Angefangen hatte die pseudo-englische Sprachpanscherei Hannoveraner Art im Jahr 2009 mit “Webciety”. Das Suffix -ciety – von society – diente dabei dazu, Datenkraken wie Facebook und Google mit einer sozialen Aura zu vernebeln. Insofern war Datability heuer fast schon Klartext. Denn wenigstens der erste Teil dieses Hannologismus sagt, worum es wirklich geht.

Mit welchen Anglofrankensteinen nun will die CeBIT künftig die Fachwelt verblüffen, fragt man sich da doch gespannt. Hübsch wäre es, die Messe würde einmal ihre eigene Kreativabteilung thematisieren etwa mit dem Motto “Hannovering” oder – damit’s nicht gar so provinziell klingt – mit “Pidginism”.

Die Messeleitung könnte sich aber auch einmal etwas ganz Tolles ausdenken, mit “Langstitution” werben und dann die Besucher im Web darüber aufklären, dass es sich bei diesem Begriff um eine Kombination aus language und prostitution handelt, welcher den Einsatz der alten Kulturtechnik Sprache im Dienste des E-Business meint.

Vielleicht kann die CeBIT sogar David Cameron als Berater gewinnen. Der oberste Chef von Sir Iain Lobban, welcher seinerseits der Chef des GCHQ ist, trat ja heuer schon gerne als Kronzeuge dafür auf, dass ein bisschen –bility oder andere radegebrochenen Euphemismen am Anfang oder am Ende dem unschönen Inhalt schicker Sprach-Designs in der Praxis keinen Abbruch tun.