Microsoft will in Irland abgelegte Kundendaten US-Behörden nicht zugänglich machen

Microsoft setzt sich gegen einen US-Durchsuchungsbefehl zur Wehr, mit dem amerikanische Behörden Zugang zu in Irland gespeicherten Kundendaten des Unternehmens erwirken wollen. Die Washington Post hat nun die Einwände des Konzerns aus Redmond veröffentlicht, der eine Kundenflucht zu anderen Cloud-Anbietern fürchtet.

Die Anfrage der US-Behörden steht im Zusammenhang mit Ermittlungen zu Drogendelikten. Sie betrifft den E-Mail-Inhalt von Microsoft-Kunden. Der Durchsuchungsbefehl wurde im Dezember 2013 ausgestellt. Im April hatte Microsoft beantragt, ihn für ungültig zu erklären. Der Antrag wurde abgewiesen. Die jetzigen Argumente des Konzerns stammen aus einem Schreiben, das neue Einwände gegen diese Entscheidung hervorbringt.

“Die Regierung kann keine Anordnung beantragen, ein Gericht keine Anordnung ausstellen, mit der Bundespolizisten die Tore von Microsofts Anlage in Dublin aufreißen können”, schreibt Microsofts Rechtsabteilung. Der Kongress habe zu keiner Zeit Durchsuchungsbefehle ausgegeben, die außerhalb des US-Staatsgebiets Gültigkeit gehabt hätten.

Das Hauptproblem des Rechtsstreits ist die Auslegung des Worts “warrant” im US Electronic Communications Privacy Act (ECPA). Bei dem Begriff handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung oder einen Durchsuchungsbefehl. Laut Microsoft kann die fragliche Anweisung als ein Mittelding zwischen einer solchen “warrant” und einer Zeugenvorladung angesehen werden. Allerdings bestehe zwischen beiden kein wesentlicher Unterschied. Ein Durchsuchungsbefehl gelte nicht im Ausland, eine Zeugenvorladung könne demgegenüber nur der von der Ermittlung betroffenen Person gelten – aber nicht Microsoft.

“Die Regierung nimmt die ungewöhnliche Position ein, dass sie durch Ausstellen eines solchen Durchsuchungsbefehls das Recht bekommt, auf private E-Mails beliebiger Kunden eines E-Mail-Anbieters mit Sitz in den USA zuzugreifen, egal wo in der Welt die Daten gespeichert sind, ohne Wissen oder Zustimmung des Betroffenen oder der Regierung, in deren Hoheitsgebiet die Daten gespeichert sind.” Korrekt wäre nach der Interpretation von Microsoft vielmehr eine Anfrage im Sinne des zwischen den USA und Irland geschlossenen Mutual Legal Assistance Treaty.

Der Rechtsstreit betrifft jedoch nicht nur Microsoft, die gesamte US-Branche verfolgt ihn angespannt. Den Grund nannte Michael Vatis, Rechtsvertreter des Providers Verizon, gegenüber der Washington Post: “Wenn die Regierung ihre Position durchsetzen könnte, würde das gewaltige Schäden für im Ausland tätige amerikanische Cloudanbieter verursachen.”

Nach den Veröffentlichungen von Dokumenten aus dem Fundus von Edward Snowden ist die Skepsis gegenüber US-Firmen ohnehin schon groß. Um wieder Vertrauen aufzubauen, haben Unternehmen wie Google und Microsoft ihre Verschlüsselung verstärkt und zusätzliche Transparenzberichte veröffentlicht. Die Begehrlichkeiten der US-Behörden drohen jetzt, sämtliche Bemühungen wieder zunichte zu machen.

[mit Material von Florian Kalenda, ZDNet.de]

Tipp: Wissen Sie alles über Edward Snowden und die NSA? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.

Rainer Schneider

Zwischen September 2013 und Juni 2016 war Rainer zunächst als Volontär udn später als Redakteur hauptsächlich für ITespresso im Einsatz, schrieb aber gerne auch Artikel für silicon.de und ZDNet. Schwerpunkte waren IT-Security und Mobile.

View Comments

  • Was ein Witz!
    Von wegen verstärkter Verschlüsselung und ähnlicher Quark. Haste deinen Kram in der Cloud, wird er geklaut. Basta!
    Und den klassischen amerikanischen Anbietren, egal wer, ist nicht mehr über den Weg zu trauen, da lässt sich auch nichts mehr an Vertrauen aufbauen. Der Zug ist abgefahren. Und NSA etc. "einfach mal abschaffen" ist auch Blödsinn, die nächsten Schnüffler stehen schon parat...

Recent Posts

Blockchain bleibt Nischentechnologie

Unternehmen aus der DACH-Region sehen nur vereinzelt Anwendungsmöglichkeiten für die Blockchain-Technologie.

12 Stunden ago

Branchenspezifische KI-Modelle

SAS bietet einsatzfertige KI-Modelle für konkrete Herausforderungen wie Betrugserkennung und Lieferkettenoptimierung.

16 Stunden ago

Hypershield: Umfassender Schutz von Cloud über Rechenzentrum bis Fabrikhalle

Cisco stellt neuen Ansatz zur umfassenden Absicherung der IT-Infrastruktur vor.

22 Stunden ago

Vernetztes Fahren: Bereitschaft zum Teilen von Daten gering

Deloitte-Studie äußert jedoch Verständnis für die Zurückhaltung der Kunden. Nutzen der Angebote sei hierzulande kaum…

3 Tagen ago

Plattenspiegelung ist keine Backup-Recovery-Strategie

Die Ziele einer Festplattenspiegelung und eines Backups sind unterschiedlich, sagt Sven Richter von Arcserve.

3 Tagen ago

Chaos bei der Umsetzung von NIS-2 droht

Das Damoklesschwert NIS-2 kann daher schneller wirksam werden, als manchem lieb ist, warnt Bernhard Kretschmer…

3 Tagen ago