Entwurf für neue EU-Datenschutzregeln: Triumph der Privatspähre oder Ende des Internets?

EU (Bild: Shutterstock/artjazz)

Der Entwurf stellt Dienste wie WhatsApp, Facebook und Web-Mail-Angebote herkömmlichen Telekommunikationsdiensten gleich. Zudem dehnt er den Datenschutz auf Metadaten aus und bringt Änderungen für die Verwendung von Cookies. Branchenvertreter fürchten dadurch das Ende des “Internets, wie wir es heute kennen”.

Die EU-Kommission hat einen Entwurf für die geplante Modernisierung der Datenschutzregeln in Europa vorgelegt. Erklärtes Ziel ist es, bei jeglicher elektronischer Kommunikation den Schutz der Privatsphäre zu verbessern. Dazu sollen die geltenden Regeln aus dem Telekommunikationsbereich überarbeitet werden und dann in der neuen Form für alle Anbieter elektronischer Kommunikation gelten. Nun müssen sich das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union mit den Vorschlägen beschäftigen. Sie sollen dann zusammen mit der Datenschutz-Grundverordnung spätestens am 25. Mai 2018 in Kraft treten.

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In einer Pressemitteilung erklärt die EU-Kommission, die Regeln sollen sich künftig auch auf “neue Unternehmen erstrecken, die elektronische Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Facebook, Messenger, Skype, Gmail, iMessage oder Viber anbieten.” Zudem soll der Schutz der Privatsphäre “sowohl für den Inhalt als auch die Metadaten” gelten. Das würde bedeuten, dass künftig auch sie anonymisiert oder gelöscht werden müssen, wenn Nutzer ihrer Speicherung nicht ausdrücklich zugestimmt haben oder sie nicht für Abrechnungszwecke benötigt werden.

Die EU will zudem auch Cookie-Richtlinie überarbeiten. Derzeit würden Nutzer “mit vielen Zustimmungsanfragen konfrontiert”. Diese Anfragen sollen künftig nicht mehr notwendig sein, wenn die Cookies keine Gefahr für die Privatsphäre darstellen. Beispielsweise würde für Cookies, deren Aufgabe es ausschließlich ist, die Besucher einer Website zu zählen, keine Erlaubnis mehr benötigt.

Tipp der Redaktion

EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Im Mai 2018 endet die Übergangsfrist für die neue EU-Datenschutzverordnung. Welche Neuerungen sie bringt, was passiert, wenn sich Firmen nicht daran halten und wie sich Unternehmen vorbereiten können, erfahren Sie im Special auf silicon.de.

Verbraucher sollen anch dem Willen der EU auch besser vor Spam geschützt werden. Der Vorschlag untersagt “unerbetene elektronische Kommunikation (unter anderem in Form von E-Mails, SMS und im Prinzip auch Telefonanrufen) gänzlich, sofern Nutzer nicht zugestimmt haben. Ob sich davon Absender außerhalb der EU beeindrucken lassen bleibt fraglich. Für Firmen in Deutschland würde sich dagegen kaum etwas ändern. Neu wäre jedoch, dass sich Mitgliedstaaten beispielsweise für eine Lösung entscheiden könnten, “bei der die Verbraucher das Recht haben zu erklären, dass sie keine persönlichen Marketinganrufe erhalten wollen”.

“Unsere Vorschläge werden dafür sorgen, dass der digitale Binnenmarkt die Vertrauenswürdigkeit erlangt, die die Menschen erwarten. Ich möchte die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation und die Privatsphäre sicherstellen” so Andrus Ansip, EU-Kommissar für den digitalen Binnenmarkt. Er hält den Entwurf für “einen gesunden Mittelweg zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und Innovationsmöglichkeiten für Unternehmen”.

Der Datenschutzorganisation Digitalcourage geht der Entwurf nicht weit genug. “Die Kommission hat sich einigen Forderungen der Daten-Industrie gebeugt und den Schutz der Privatsphäre der Bevölkerung gegenüber dem Entwurf vom Dezember 2016 weiter abgesenkt”, lautet die Einschätzung von Friedemann Ebelt von Digitalcourage. In einigen Punkten stelle die EU-Kommission das Interesse der Anbieter über das Recht auf eine vertrauliche Kommunikation. Unter anderem fordern die Datenschützer ein “explizites Verbot von Vorratsdatenspeicherung für Dienste wie WhatsApp und Skype”.

Branchenvertreter reagieren entsetzt

Der Bitkom kritisiert, dass die Vorschläge der EU-Kommission von der Datenschutz-Grundverordnung abweichen. “Das ist aus Sicht der Digitalwirtschaft nicht notwendig und führt zu neuen Rechtsunsicherheiten”, so Susanne Dehmel, beim Bitkom Geschäftsleiterin des Bereichs Datenschutz und Sicherheit. In vielen Fällen werde die Datenverarbeitung komplizierter oder nahezu unmöglich. Für die Erhebung von Verkehrs- beziehungsweise Metadaten reiche nach der Datenschutz-Grundverordnung in vielen Fällen “ein berechtigtes Interesse des Anbieters” aus. Der neue Entwurf schränke das jedoch erheblich ein.

Der eco Verband der Internetwirtsachft fordert ebenfalls, dass die neue E-Privacy-Richtlinie “nicht mit den ausgewogenen horizontalen Definitionen in der Datenschutz-Grundverordnung im Widerspruch stehen” sollte.

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Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) wirft der EU-Kommission sogar vor, die digitale Wirtschaft zu torpedieren. Grund ist, das die neue Richtlinie auch Einwilligungen für Third-Party-Cookies vorschreibe, die für die Reichweitenmessung oder die Auslieferung digitaler Werbung benötigt werden. Und durch Werbung werde schließlich “die die Mehrzahl der kostenfreien Inhalte und Services im Internet finanziert”.

Die Verordnung stelle daher etablierte und von Verbrauchern akzeptierte Geschäftsmodelle in Frage und werfe “fundamentale Prinzipien der Digitalen Wirtschaft” über den Haufen. “Das Internet, wie wir es heute kennen, wird es damit nicht mehr geben”, fürchtet BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr.

[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]