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IoT als treibende Kraft der Digitalisierung

Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Aufgabe, eine Digitalisierungsstrategie umzusetzen. Zu den wichtigsten Treibern der digitalen Transformation zählt das Internet der Dinge (IoT). Häufig ermöglichen erst IoT-Konzepte die Modernisierung der Geschäftsprozesse, um dann auch neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dr. Arndt Döhler, bei Intershop verantwortlich für den Bereich Forschung und Innovation, geht im Interview mit silicon.de darauf ein, wie IoT Wirtschaft und Gesellschaft seiner Ansicht nach verändern wird und wie Unternehmen die Technologie zu ihrem Vorteil einsetzen.

silicon.de: Herr Dr. Döhler, könnten Sie zunächst erklären, was sich konkret hinter Internet of Things (IoT) verbirgt? Welchen Nutzen verspricht Ihrer Meinung nach diese digitale Revolution?

Dr. Arndt Döhler: Der Begriff Internet der Dinge beschreibt zunächst einmal das Phänomen, dass wir uns zunehmend von intelligenten und vernetzten Geräten umgeben sehen. Während wir das bereits von Computern, Tablets, Smartphones oder Smart Watches gewöhnt sind, fokussiert das mit IoT beschriebene Phänomen vor allem alle anderen Geräte, wie alltägliche Haushaltsgeräte oder Werkzeuge. Von diesen Geräten können wir in Zukunft ganz selbstverständlich erwarten, dass sie über Sensoren ihren Zustand, ihre Bedürfnisse und ihre Interaktionen mit ihrer Umwelt messen und über Aktuatoren ihre Umwelt aktiv beeinflussen können.

Dadurch werden wir in der Lage sein, viele Prozesse besser steuern zu können als heute, außerdem ist eine Automatisierung in Bereichen denkbar, bei denen es sich bisher aufgrund des Aufwands nicht gelohnt hat. Mithilfe von IoT-Daten in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz lassen sich in Zukunft viele Prozesse automatisieren. So ermöglicht IoT in digitalen Fabriken, auch kleinere Losgrößen ressourcenschonender und effizienter zu produzieren.

“IoT wird möglicherweise einen größeren Einfluss auf die Geschäftswelt haben als seinerzeit die Einführung des Internets. Es ist wahrscheinlich, dass alles, was sich digitalisieren lässt, auch digitalisiert und vernetzt wird. Aufgrund seiner Wichtigkeit gehört das Thema IoT in die Digitalisierungsstrategie eines Unternehmens eingebettet”, meint Dr. Arndt Döhler, bei Intershop verantwortlich für den Bereich Forschung und Innovation. (Bild: Intershop)

Der Kernaspekt von IoT besteht in der Vernetzungsfähigkeit der Produkte über das Internet. Damit ist der Weg frei, sowohl für das Tracken von Kundeninteraktionen mit dem Produkt als auch mit dessen Umfeld. Dies ermöglicht erstmals eine systematische und nutzerzentrierte Betrachtung der Produkte, also wann, wo und wie ein Produkt genutzt wird.

Neben wertvollen neuen Informationen zur Produktoptimierung steckt das größte Potenzial in der Generierung von Mehrwertdiensten, die zusammen mit physischen Produkten einen höheren Kundennutzen versprechen. Zugleich ermöglichen Mehrwertdienste im Vergleich zum heute noch vorherrschenden One-Time-Sale-Geschäftsmodell eine bessere Kundenbindung über den gesamten Produktlebenszyklus und ein Geschäftsmodell mit kontinuierlichen Umsatzströmen, der den Umsatz von Unternehmen planbarer macht und ihr Risiko senkt.

silicon.de: Wie schätzen Sie den Status-quo von IoT im B2B-Umfeld ein? Wo stehen Unternehmen heute?

Dr. Arndt Döhler: Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens IOT Analytics in Hamburg wird IoT in den Branchen und Regionen unterschiedlich intensiv getrieben. Weltweit führen die Themen Industrie 4.0, Smart City und Smart Energy, gefolgt von Connected Car. Im gesamten Vergleich belegen die Themen Retail und Supply Chain nur noch die Plätze neun und zehn.

Im Vergleich zu anderen Regionen ist Europa besonders stark bei den Themen Smart City sowie Industrie 4.0 und Connected Car. Allerdings sind die meisten in dieser Studie genannten IoT-Projekte in den USA zu finden.

Nutzung von IoT-Geräten durch Verbraucher in Deutschland 2016 (Grafik: Statista)

In den Unternehmen werden die heute schon laufenden IoT-Initiativen vornehmlich aus den Fachabteilungen in Produktionsunternehmen heraus getrieben, die sich mit der Verbesserung der aktuellen Zustände beschäftigen. Der hauptsächliche Anwendungsfokus liegt daher zurzeit noch auf dem Messen und Anzeigen von Zuständen sowie dem auf diesen Daten basierenden Steuern und Regeln von Teilprozessen.

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Im Bereich IoT gibt es zahlreiche Initiativen und Konsortien, bislang laufen diese Bestrebungen jedoch überwiegend parallel nebeneinander her. Doch damit dies alles überhaupt funktionieren kann, braucht man neben neuen Produkten auch neue Standards – insbesondere für die Kommunikation der Geräte untereinander und für die Sicherheit. silicon.de gibt einen Überblick.

Das IoT-Potenzial wird jedoch mit einer Bottom-up-Strategie noch nicht ausgeschöpft, da es hauptsächlich um die Optimierung bestehender Prozesse mithilfe der aus den IoT-Daten erworbenen Einblicke geht. Um die Potenziale von IoT zu heben, muss eine IoT-Strategie in die Digitalisierungsstrategie des Unternehmens, also über eine Top-Down-Strategie in den gesamten Wertschöpfungskontext eingebunden werden.

silicon.de: Welchen Stellenwert wird IoT Ihrer Meinung nach in naher Zukunft haben? Wer treibt die Entwicklung, wer profitiert in Unternehmen und wer bremst die Innovationen?

Dr. Arndt Döhler: IoT ist schon heute ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung, denn es ermöglicht über die gewonnen Daten erstmals umfassende, messbare Einblicke in die Kunden-Produkt-Interaktionen in Echtzeit. Damit kann auch eine 1:1-Beziehung zwischen Anbieter und Kunde etabliert werden. Mit der zunehmenden Vernetzung von IoT-Geräten wird in Zukunft der Stellenwert noch steigen, wenn IoT als ubiquitäre Technologie so selbstverständlich sein wird, dass vom Kunden nicht mehr die Technologie und die Geräte, sondern nur noch der zusätzliche Nutzen wahrgenommen wird.

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Versetzen wir uns einmal in die Situation eines “digitalen Kunden”: Er ist individuell und will Trends schnell folgen, dazu muss er flexibel sein. Investitionen und langfristige Bindung an Produkte sind daher nicht in seinem Interesse. Für ihn steht nicht mehr das Erwerben von Produkten im Vordergrund, sondern einzig der für ihn erzeugte Nutzen. Der Schlüssel für das Business der Zukunft sind daher Services zur Produktnutzung, die Kunden flexibel buchen und auch wieder kündigen können. Damit drängen sich Pay-as-you-use-Modelle in den Vordergrund, für die IoT-Daten die notwendigen Informationen zur Abrechnung und Produktsteuerung (Leistungsumfang, Ersatzteile, Reparaturen, Erneuerung) bereitstellen.

IoT im Logistikbereich: Mithilfe von Smart Shelf, dem intelligenten Lagerregal, können kleine und mittlere Unternehmen ihr C-Teile-Management automatisieren. (Bild: Intershop)

Durch diese sich ändernden Nutzungsmodelle werden sich viele bestehende Wertschöpfungsketten und die Rollen der Teilnehmer darin nach und nach verändern, andere Wertschöpfungsketten werden komplett disruptiert werden. Wie schnell disruptive Trends die Wertschöpfungsketten ganzer Branchen verändern können, zeigen die Beispiele von Uber oder Airbnb. Daher sollten sich Unternehmen diesen neuen Trends nicht verschließen, sondern die digitale Umgestaltung in ihrer Domäne selbst mit gestalten.

silicon.de: IoT verbindet man in erster Linie mit Industrie 4.0 und Effizienz in der Fertigung. Gibt es auch Beispiele, wie Unternehmen IoT-Modelle in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service zu ihrem Vorteil nutzen können?

Dr. Arndt Döhler: Informationen aus der Art der Nutzung von Produkten lassen sich natürlich nicht nur zur Verbesserung physischer Produkte verwenden, sondern auch für eine situationsbezogene Kundenansprache nutzen (operatives Marketing). Veränderungen im Nutzungsverhalten der Produkte weisen auf einen neuen Nutzungskontext und geänderte Bedarfe der Kunden hin, die durch neue, passgenaue Services gedeckt werden können und zusätzliche Umsatzpotentiale, beispielsweise in Form von Pay-as-you-use-Abrechnungsmodellen, ermöglichen.

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Ziel dieses Ratgebers ist es, SAP-Nutzern, die sich mit SAP S/4HANA auseinandersetzen, Denkanstöße zu liefern, wie sie Projektrisiken bei der Planung Ihres SAP S/4HANA-Projektes vermeiden können.

Aber auch im B2B-Großhandel gibt es neue Anwendungsbeispiele. So sind C-Teile für ihre hohen Beschaffungsprozesskosten bekannt. Daher arbeiten wir bei Intershop zusammen mit Kunden und Partnern an einem intelligenten Lagerregal, dem Smart Shelf, mit dem wir das C-Teile-Management für kleine und mittlere Endkunden automatisieren. Dafür ermitteln wir über das Internet per Sensorik permanent den Lagerbestand im Regal und lösen bedarfsgesteuert automatisch Nachbestellungen aus, mit denen der Kunde seinen Bestand zeitnah wieder auffüllt. Durch den bedarfsgerechten Never-out-of-Stock-Service für C-Teile spart sich der Kunde den Administrationsaufwand und verhindert Ad-hoc-Beschaffungsaufwände.

silicon.de: Was empfehlen Sie Unternehmen konkret? Wann wird es Zeit, sich über IoT Gedanken zu machen? Wie kommen Unternehmen zu einer gangbaren IoT-Strategie?

Dr. Arndt Döhler: IoT wird möglicherweise einen größeren Einfluss auf die Geschäftswelt haben, als seinerzeit die Einführung des Internets. Es ist wahrscheinlich, dass alles, was sich digitalisieren lässt, auch digitalisiert und vernetzt wird. Aufgrund seiner Bedeutung sollte das Thema IoT in die Digitalisierungsstrategie eines Unternehmens eingebettet werden. Und damit gehört das Thema in die Verantwortlichkeit der Geschäftsführung, die dafür sorgen muss, das ganze Unternehmen in die digitale Umgestaltung einzubeziehen.

In jedem Unternehmen muss zuerst einmal die Wettbewerbslandschaft und der Markt analysiert werden. Wichtig ist es hierbei, auch mögliche Wettbewerber anderer Größenordnungen als der eigenen und aus verwandten Branchen nicht zu übersehen. Außerdem treten auch vermehrt Start-ups in Märkte ein, die aufgrund ihrer in der Regel risikofinanzierten Wachstumsstrategie die Balance zwischen Angebot und Nachfrage in etablierten Märkten verschieben und etablierte Wertschöpfungsketten mit neuen Konzepten angreifen können.

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Verantwortliche sollten daher ihre Wertschöpfungsketten und das Supply-Chain-Management untersuchen. Oft ergeben sich große Potenziale an den Schnittstellen zu anderen Unternehmen. Bei der Analyse der Kundenbeziehungen sollte die Meinung der Kunden direkt einbezogen werden. Gemeinsam mit den wichtigsten Kunden lassen sich dann konkrete Verbesserungsmöglichkeiten entwickeln und auf mögliche IoT-Anwendungen untersuchen. Aus den Anwenderprofilen der Kunden und deren Bedarf können “Customer Journeys” abgeleitet werden, die die Basis für eine zukünftige IoT-Strategie bilden.

Viele Unternehmen haben seit Jahren einen Großteil ihrer IT ausgelagert. Für eine erste Analyse und den Start in die Digitalisierung ist es daher sinnvoll, sich die nötige Kompetenz einzukaufen, soweit sie nicht im eigenen Unternehmen vorhanden ist. Je nach Intensität der digitalen Umgestaltung des Unternehmens und dem Wettbewerbsdruck kann sich die Digitalkompetenz schnell zu einer Schlüsselkompetenz in einer Branche entwickeln. Daher rate ich Unternehmen, eigene Mitarbeiter frühzeitig zu qualifizieren und schon in den frühen Projektphasen einzubinden, um mittelfristig entsprechende Kompetenzen aufzubauen.

Redaktion

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