Einsatz von Dashcams mit unzureichender Technik ist rechtswidrig

Urteil (Bild: Shutterstock/Gunnar Pippel)

Die anlasslose, dauerhafte Nutzung von Dashcams stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Das hat das Amtsgericht München in einem Urteil noch einmal bestätigt. Um dem Schutzbedarf der PKW-Eigentümer rechtssicher nachkommen zu können, empfehlen Datenschützer intelligente Videosysteme mit automatischer, periodischer Löschung.

Das Amtsgericht München hat eine Frau zu einer Geldbuße verurteilt, die ihren PKW mit zwei Videokameras ausgestattet hatte. Die beiden Kameras nahmen den öffentlichen Verkehrsraum vor und hinter dem Fahrzeug laufend auf und speicherten diese Aufnahmen. Die Frau hatte diese Aufnahmen der Polizei übergeben. Sie wollte der damit helfen, eine Beschädigung durch einen unbekannten Fahrzeugführer an ihrem geparkten Fahrzeug aufzuklären.

Urteil (Bild: Shutterstock/Gunnar Pippel)

Allerdings wurde zunächst gegen die 52-jährige Besitzern eines BMW X1 ein Bußgeldbescheid wegen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz erlassen. Ihr wurde die “vorsätzliche unbefugte Erhebung und Verarbeitung und Bereithaltung von personenbezogenen Daten, die nicht allgemein zugänglich sind”, vorgeworfen.

Dagegen legte die Frau Einspruch ein. Ihrer Auffassung nach wurden durch die Aufnahmen von Autokennzeichen keine schützenswerten Daten erhoben und gespeichert. Sie habe lediglich im Falle einer Sachbeschädigung am PKW den Täter ermitteln wollen. Die Fahrer der vor oder hinter dem PKW parkenden Autos seien auf den Aufnahmen nicht erkennbar gewesen.

Das Amtsgericht München folgte jedoch der Auffassung der Polizei und verurteilt die Frau zu einer Geldbuße von 150 Euro 2017 (Aktenzeichen 1112 OWi 300 Js 121012/17). Möglich sind laut bis zu 300.000 Euro. Bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße wurde der geringe monatliche Nettoverdienst von 1500 Euro berücksichtigt. Laut Urteilsbegründung überwiegt im vorliegenden Fall das Recht der gefilmten Personen auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung einer möglichen Straftat müsse dahinter zurückstehen.

Dashcam (Bild: Rollei).
Dashcam des Herstellers Rollei mit den von Gerichten und Datenschützern geforderten Einschränkungen respektive technischen Vorkehrungen bei der Aufnahme (Bild: Rollei)

“Das permanente anlasslose Filmen des vor und hinter dem geparkten Fahrzeug befindlichen Straßenraums verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Recht dar“, so das Amtsgericht München (PDF). “Es geht nicht an, dass 80 Millionen Bundesbürger mit Kameras herumlaufen, um irgendwelche Situationen aufnehmen zu können, die eine Straftat aufdecken könnten. Eine permanente Überwachung jeglichen öffentlich Raumes durch Privatbürger ist nicht zulässig, da es in das Recht unbeteiligter Personen in schwerwiegender Weise eingreift, selbst bestimmen zu können, wo und wann man sich aufhält, ohne dass unbeteiligte Personen dies dokumentieren und bei Behörden verwenden würden.”

“Die Absicht der Betroffenen, den Täter der Sachbeschädigung an ihrem Fahrzeug zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen, ist natürlich nachvollziehbar. Jedoch wird durch eine solche dauerhaften Aufzeichnung, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, eine Vielzahl völlig unbeteiligter Personen betroffen, deren Daten ohne jeden Anlass erfasst und gespeichert werden“ kommentiert Stefan Brink, der baden-württembergische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, die Entscheidung aus München in einer Pressemitteilung.

Dashcam DrivePro 220 von Transcend (Bild: Transcend).
Auch Dashcam-Modelle, die aufgrund der Daten vom Beschleunigungssensor nur aufnehmen, wenn eine Gefahrensituation angenommen wird, erfüllen Erwartungen von Juristen und Datenschützern weitgehend. (Bild: Transcend).

Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann seiner Auffassung nach nicht mit dem Interesse an einer Aufdeckung potenzieller Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche begründet werden.

Allerdings kann sich Brink durchaus vorstellen, dass sich der Konflikt mit intelligente Videosystemen und einer automatischen periodischen Löschung der aufgenommenen Bilder durchaus lösen lässt. Wenn die aufgezeichneten Daten stets unmittelbar überschrieben werden, außer wenn zum Beispiel durch Unfallsensoren eine anlassbezogene Sicherung des letzten Aufzeichnungsintervalls ausgelöst wird, hat der Datenschützer keine Einwände. Auch für die Dokumentation einer Nötigung – etwa durch aggressives Auffahren samt Benutzung der Lichthupe – oder ähnliches Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, ohne dass es zu einem Unfall kommt, ist Brink zufolge auch das manuelle Starten des Aufnahmevorgangs denkbar.

Aufnahmen von Dashcams als Beweismittel

Bereits Anfang 2016 hatten sich Experten auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar für praxistauglichere und nähere Regelungen in dem Bereich ausgesprochen. Annährend zeitgleich hatte auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff in einem Interview erklärt, dass aus ihrer Sicht eine rein private, zeitweise Nutzung unproblematisch sei. Auch langfristig erteilte sie jedoch der Veröffentlichung mit Dashcams aufgenommener Videos im Internet ohne Zustimmung der Betroffenen eine Absage.

Im Mai 2016 hatte dann erstmals in Deutschland ein Oberlandesgericht entschieden, dass Aufnahmen von Dashcams unter Umständen durchaus als Beweismittel herangezogen werden können. Das OLG Stuttgart folgt mit seiner Rechtsprechung der technischen Entwicklung, die genau in die Richtung ging, wie der Datenschutzbeauftragte Brink das fordert. Noch 2014 hatte das Verwaltungsgericht Ansbach die Autokameras wegen Datenschutzbedenken größtenteils für unzulässig erklärt.

Das Oberlandesgericht Stuttgart wollte aber Aufnahmen im öffentlichen Raum nicht generell einen Freifahrtschein erteilen, sondern wies auf die besonderen Umstände des verhandelten Falles hin. Dazu gehörte, dass die Aufzeichnung nicht planmäßig und gezielt vorgenommen wurde, sondern eher zufällig entstand. Außerdem betonte es, dass die Aufnahme in einem Bußgeldverfahren in einem schwerwiegenden Fall angefertigt wurde. Es ging dabei um einen sogenannten Rotlichtverstoß. Der andere Verkehrsteilnehmer hatte eine deutlich länger als eine Sekunde rote Ampel nicht beachtet.

Ebenfalls interessant: Unabhängig davon, ob durch die Aufnahme ein Verstoß vorliegt oder nicht, kann sie nach Ansicht des OLG Stuttgart zumindest bei Ordnungswidrigkeiten (nicht bei Straftaten) als Beweismittel verwendet werden.


In Russland gelten in Bezug auf Videoaufnahmen im öffentlichen Raum offenbar andere Regelungen als in Deutschland. Aufnahmen des oft sehr unorthodoxen Verkehrsverhaltens auf den russischen Straßen sind bei YouTube-Nutzern ausgesprochen beliebt.